kurz & knapp: Das Pressefoto des Jahres
Das obige Bild ist zum Pressefoto des Jahres gekürt worden.
Seitdem kamen so viele erzürnte Kommentare auf der Facebook Fanpage (Öffnet in neuem Fenster), dass ich etwas Hintergrund geben möchte.
Das Foto soll die 36-jährige Inas Abu Maamar zeigen, die die Leiche ihrer fünfjährigen Nichte Saly im Arm hält.
Saly soll in ihrem bei einem israelischen Luftangriff in ihrem Haus getötet worden sein. Laut Hintergrundgeschichte soll Inas von dem Luftschlag auf das Haus ihrer Verwandten erfahren haben und dorthin „gerast“ sein. Dann sei sie zum Nasser Krankenhaus in Chan Yunis „gerast“ und habe in der Leichenhalle ihre Nichte gefunden. Dabei sei dieses Bild entstanden.
Die ganze Nummer ist mir ziemlich gleichgültig. Ich verstehe allerdings, dass viele sich aufzuregen scheinen.
Daher möchte ich zwei persönliche und subjektive Faktoren erklären.
Dafür unerheblich ist, dass das Foto fragen aufwirft.
Beispielsweise, warum eine Frau im Krieg nach einem Luftangriff durch Chan Yunis „rast“, um die Tote Nichte dann bereits für die Beerdigung vorbereitet in einer Leichenhalle zu finden.
Zum ersten wurde das Bild nicht von „den Medien“ ausgewählt.
Die Pressefotos des Jahres werden von einer Stiftung mit Sitz in den Niederlanden ausgezeichnet.
Das Auswahlverfahren läuft inzwischen so, dass lokale Jurys Europas, Asiens, Afrikas, Nordamerikas, Südamerikas und Südostasiens/Pazifik eine Vorauswahl treffen. Und irgendwie war absehbar, was dabei herauskommt.
Es gibt weit renommiertere Preise, vor allem die Pulitzerpreise für Fotographie.
Die Wahl erscheint wohl wichtiger, weil Gaza natürlich ein Thema von großer aktueller Aufmerksamkeit ist und weil alle Medien darüber berichtet haben.
Zum zweiten wurde das Foto gemacht von dem palästinensischen Fotojournalisten Mohammed Salem, der an der Islamischen Universität Gaza Medien studiert hat und seit 2003 auch für die Agentur Reuters arbeitet. Die natürlich die Meldung der Wahl entsprechend verbreitet hat. Das ist keine Propaganda, sondern Marketing.
Wenn jemand in Gaza Medien studiert hat, hat das bereits ein Geschmäckle. Denn die Uni wird durch ausländische Gelder finanziert und die Hamas hat bei der Vergabe der Studienplätze die Finger im Spiel. Sie wurde bereits im Oktober von Israel zerstört, weil dort auch angehörige der Hamas in Ingenieurswesen ausgebildet wurden. Also in den Fähigkeiten, die man braucht, um aus Wasserrohren Raketen zu bauen.
Unbestreitbar ist, dass niemand über Jahre hinweg im Gaza-Streifen journalistisch tätig sein konnte, ohne mindestens das Wohlwollen der Hamas. Siehe Hassan Eslaiah, der quasi live vom Terroranschlag berichtet hat, für die AP gearbeitet hat und von dem ein Selfie auftauchte mit dem Führer der Hamas Sinwar.
Foto: rechts Hassan Eslaiah, links Yahya Sinwar, gesuchter Chef der Hamas im Gaza-Streifen
Und deshalb glaube ich dem Ganzen gar nichts.
Und zwar so sehr nicht, dass ich mich nicht einmal mehr darüber aufrege.
Ob das Bild nun gestellt ist oder nicht, was ich annehme, ist unerheblich. Heißt ja nicht, dass die Nichte nicht getötet wurde.
Und ich bin mir recht sicher, dass die Juroren der Vorstellung folgen, die auch andere Medien und Agenturen vertreten: dass Ärzte und Journalisten neutral über den Dingen schweben. Was mindestens im Gazastreifen nachweislich nicht so ist.