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Ich glaube, Glaube kann etwas Wunderbares sein. Wie ein unsichtbares Band, das Menschen verbindet, ihnen Halt gibt.
Diese Erfahrung habe ich jedenfalls gemacht – als ich Neujahr inmitten eines buddhistischen Menschenmeers gefeiert habe, als mich eine jüdische Familie, die ich kaum kannte, über Pessach einlud oder als ich miterleben durfte, dass hinduistische Hochzeiten wirklich eine Woche lang dauern.
Ich kann nachvollziehen, dass vielen Menschen ihr Glaube heilig ist. Genau deswegen möchte ich betonen, dass es in dieser Ausgabe nicht um Glaube geht, sondern um die Institution Kirche. Wenn Du Dir trotzdem nicht sicher bist, ob dieser Text Deine religiösen Gefühle verletzen könnte, solltest Du ihn vielleicht lieber nicht lesen.
Das Ergebnis unserer Geburtstags-Aktion erfährst Du übrigens am Ende!
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#47 #Kirche #FossileInvestitionen
Wo sind die Kirchen-Milliarden?
Die katholische Kirche investiert Milliarden Euro in Aktien. Ob auch fossile Konzerne darunter sind, weiß nur der liebe Gott. Was haben die Erzbistümer zu verbergen? ~ 8 Minuten Lesezeit
Klima und Kirche: Das passt doch wunderbar zusammen. Nicht nur als Alliteration, sondern auch inhaltlich. Die Bewahrung der Schöpfung bedeutet schließlich nicht mehr und nicht weniger als den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Und echte Nächstenliebe geht Hand in Hand mit Klimagerechtigkeit, zum Beispiel für Menschen im globalen Süden.
Wenn man die Suchbegriffe Klima und Kirche bei Ecosia oder Good Search eingibt, findet man daher auch ziemlich schnell diese Website (Öffnet in neuem Fenster) des Erzbistums Köln.
Gemeinsam Klimaschutz gestalten. Einfach machen. Das Ganze mit minimalistischem Logo, stylischer Font und knackigen Sätzen. Himmlisch eingängige Klima-Kommunikation in bester Fridays-for-Future-Manier.
Aber nicht nur der Auftritt ist hip as hell. „Damit es nicht bei leeren Versprechungen bleibt“, fährt das Erzbistum Köln so richtig groß auf bei den eigenen Maßnahmen. In ganzen sechs Handlungsfeldern klemmt sich Klima-Kardinal Woelki mit seinen Talar-tragenden Aktivisty hinter die Bewahrung der Schöpfung.
Angefangen bei der Mobilitätswende: Klima-engagierten Christ*innen wird nahegelegt, vor der Haustür zu pilgern. Und das sonnige Stock-Foto mit dem Rennradfahrer vorm Kölner Dom macht einem direkt Lust, die Selbstgeißelung in Form von Parkplatzsuche in der Innenstadt ausnahmsweise mal ausfallen zu lassen.
Oder man klappt den Bereich Umweltmanagement auf und findet… nichts. Komisch.
Aber dann doch zumindest im Bereich Beschaffung. Als zweitgrößte Einkäuferin Deutschlands zeigt die Kölner Kirche den ganzen anderen klima-sündigen Bistümern bestimmt, wie umweltfreundliches Einkaufen wirklich funktioniert.
Und siehe da: zwölf Tipps für nachhaltige Produkte, die jedes Pfarramt braucht, und einen Link zu Kirchenshop.de (Öffnet in neuem Fenster) – „Einkauf mit Vertrauen“. Das Erzbistum for Future hat einfach verstanden, dass es keinen Planeten B gibt.
Aber irgendwie findet man im Kirchenshop dann so gar keine Fridays-Vibes mehr. Es geht auch nicht mehr um klimafreundliches Pilgern vor der Haustür – sondern um einen „KIRCHENNeuwagen-Pool“ mit exklusiven Sonderkonditionen und Steuervorteilen.
Wer schon einen Neuwagen von einem der Partner (Ford, Jeep, Mercedes, FIAT, Toyota, Citroen, Mazda, Nissan, Mitsubishi, Hyundai, BMW, Lexus, Renault, Peugeot) hat, kann stattdessen Kirchen-Erdgas im Bündel kaufen – „mit erstklassigem Preis-Leistungsverhältnis“.
Moment mal. Wie passen diese fossilen Superdeals im Kirchen-Amazon zusammen mit der ambitionierten Klimakommunikation des Kölner Erzbistums? Kann es etwa sein, dass die katholische Kirche eigentlich gar nicht so klima-engagiert ist, wie sie vorgibt und deswegen pseudo-hippe Websites mit inhaltslosen Klima-Floskeln programmieren lässt?
Was in Gottes Namen steckt dahinter?
Dein Reichtum komme
Die katholische Kirche ist höllisch reich. Wäre sie ein offizielles Unternehmen, hätte sie wohl gute Chancen, im DAX gelistet zu sein. Im Jahr 2021 hat sie allein durch Kirchensteuern 6,73 Milliarden Euro eingenommen (die evangelische Kirche liegt bei 5,99 Milliarden Euro). Daneben setzt sie auf ein breites Portfolio (Öffnet in neuem Fenster) an Geschäftsmodellen.
Dazu zählen Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, aber auch Filmproduktionen, Weingüter und andere Privatunternehmen. Prominentes Beispiel, das zur Flüssigkeit der Kirche beiträgt: die Adelholzener Alpenquellen mit 170 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Hundertprozentiger Gesellschafter ist die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul. Kein Scherz.
Der reine Gewinn der Kirche – 📸: www.seilers-werbeblog.ch (Öffnet in neuem Fenster) / Adelholzener
Vielleicht denkst Du jetzt, wenn Du weder Kirchensteuer zahlst, noch geweihtes Mineralwasser kaufst, finanzierst Du die Kirche nicht mit. Aber da liegst Du falsch. Die Kirche bekommt zusätzlich zu allen Steuervorteilen und Dienstleistungen vom Staat rund 540 Millionen Euro (Öffnet in neuem Fenster) – jedes Jahr, gezahlt mit Steuergeldern.
Die Begründung für diese sogenannten Staatsleistungen ist so absurd, dass man fast vom Glauben abfällt: Das Geld ist eine Art ewige Reparationszahlung für Gebietsabtretungen der Kirche an den Staat Anfang des 19. Jahrhunderts, als Frankreich unter Napoleon linksrheinische Gebiete besetzte.
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Das unter anderem durch Grundbesitz, Kirchensteuer, Staatsleistungen, Betriebe, Wohnmieten und Kapitalertrag angehäufte Vermögen der katholischen Kirche schätzt Politologe Carsten Frerk auf 200 bis 400 Milliarden Euro.
Dein Wille geschehe
Aber wo genau liegen eigentlich die Kirchen-Milliarden? Die genauso kurze wie frustrierende Antwort: Man weiß es nicht.
Denn die Kirche handelt nach ihren eigenen Gesetzen. Sie unterliegt nicht den Transparenz- oder Offenlegungspflichten irdischer Organisationen. Was man weiß: Die Kirche spekuliert mit ihrem Vermögen am Kapitalmarkt. Und genau an diesem Punkt können ihre intransparenten Machenschaften zur Bedrohung für Gottes Schöpfung werden.
Was, wenn die Milliarden nicht harmlos in die Deutsche Telekom investiert sind, sondern in umweltzerstörende Unternehmen wie Nestlé? Oder sogar in fossile Konzerne wie RWE? Genau das ist aber nicht auszuschließen.
Bisher wehren sich die Bistümer (insbesondere das Erzbistum Köln) nämlich vehement gegen jede Form der Offenlegung ihrer Aktien und Fonds. Da kommt natürlich die Frage auf, was sie zu verbergen haben.
💌 Ausgabe 43: Erde an Robin Hood, bitte kommen (Öffnet in neuem Fenster)
CORRECTIV wollte es genauer wissen. Anfang 2017 startete der Recherche-Zusammenschluss deshalb einen juristischen Kampf zwischen David und Goliath – und verklagte die katholische Kirche. Genauer gesagt, das Erzbistum Köln, stellvertretend für die katholische Kirche. „Keiner der 23 Millionen deutschen Katholiken hat die Möglichkeit nachzuvollziehen, wo seine Kirchensteuern hinfließen“, schreibt Reporterin Annika Joeres.
Gemeinsam mit CORRECTIV wollte sie daher erreichen, dass das Erzbistum offenlegen muss, in welche Unternehmen und Fonds es 2,8 Milliarden Euro investiert hat. Richtig gelesen – 2,8 Milliarden Euro, allein von einem Erzbistum.
Die Argumentation von CORRECTIV-Anwalt Thorsten Feldmann: Der Staat treibt Steuern ein und ist dafür seinen Bürgern gegenüber zur Auskunft verpflichtet, was damit passiert. Für die Kirche gelten jedoch andere Regeln, obwohl der Staat auch ihre Steuern eintreibt. Das sollte sich mit der Klage ändern.
Doch CORRECTIV scheiterte. Erst vor dem Verwaltungsgericht Köln 2019, dann in Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster. Die Vermögensverwaltung sei ein geschützter innerkirchlicher Bereich, heißt es im Urteil. Damit bleiben die Kirchen-Milliarden weiterhin geheim.
Wie in Köln, so auf Erden
Das Erzbistum Köln ist nur eines von 27 Erzbistümern und bischöflichen Stühlen in Deutschland. Ob und wie viele Milliarden die katholische Kirche insgesamt in die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen investiert, weiß nur der liebe Gott.
Zumindest haben Klimasünden Tradition bei der Kirche. Der Vatikan unterzeichnete als einer von ganz wenigen Staaten nicht das Kyoto-Protokoll (Öffnet in neuem Fenster) – neben den USA. Apropos Vereinigte Staaten: Eine Studie (Öffnet in neuem Fenster) im Journal Environmental Research Letters fand heraus, dass die US-amerikanische katholische Kirche beim Leugnen oder zumindest Ignorieren des menschengemachten Klimawandels ganz vorne mit dabei ist.
Abtreibung: 10, Klimakrise: 1 – 📸: Sabrina Danielsen et al 2021
Das spiegelt sich auch bei den dortigen Kirchengänger*innen wieder: Laut einer Studie des Pew Research Center stimmten nur 54 Prozent aller US-amerikanischen Katholik*innen der Aussage zu, dass die Menschheit die Erde erhitzt (bei den Protestant*innen waren es sogar nur 40 Prozent).
Und vergib uns unsere Schuld
Natürlich hängen Kirche und Klima miteinander zusammen – dahingehend hat die hippe Website des Erzbistums Köln zumindest recht. Wie gehen wir mit dieser subtilen Verstrickung um?
Vorstöße wie der von CORRECTIV machen trotz gescheiterter Klage Hoffnung. Je mehr öffentlicher und medialer Druck auf intransparente Milliarden-Investitionen der katholischen Kirche ausgeübt wird, desto schlechter können sie sich hinter scheinheiligen Argumenten wie dem sogenannten Selbstbestimmungsrecht verstecken.
Auch das Ende der oben erwähnten Staatsleistungen von 540 Millionen Euro pro Jahr ist in Sicht. Wenn auch mit 10,2-Milliarden-schwerem Beigeschmack: Mit dieser Summe will die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode den über 100 Jahre alten Verfassungsauftrag endgültig erfüllen und sich von den Staatsleistungen freikaufen.
Die Kraft und die Herrlichkeit
Und dann sind da noch all die Menschen, die sich in ihren Gemeinden Tag für Tag für eine lebenswerte Zukunft einsetzen. Die sich mit Hand und Fuß für echten Klimaschutz stark machen. Im Gegensatz zum Erzbistum Köln hätten viele von ihnen eine stylische, neue Klima-Website verdient, um viele Menschen mit ihrem Engagement zu erreichen.
💌 Ausgabe #46: Mit bloßen Händen und viel Fingerspitzengefühl (Öffnet in neuem Fenster)
Was bleibt, ist die Ungewissheit von allen, die Kirchensteuer zahlen, ob nicht ein Teil ihres Geldes am Ende bei Konzernen wie RWE landet, die unseren Planeten aktiv näher in Richtung Hölle wirtschaften.
Wer seinen finanziellen Beitrag lieber mit Sicherheit im Sinne der Schöpfung wissen will, dem stehen genug klima-seriöse Projekte zur Verfügung, bei denen Glaube und planetares Engagement Hand in Hand gehen: Die Interfaith Rainforest Initiative (Öffnet in neuem Fenster), Nordkirche Weltweit (Öffnet in neuem Fenster) und Brot für die Welt (Öffnet in neuem Fenster) sind nur einige davon.
Hoffentlich kannst Du Deinen Osterbrunch trotz dieser Ausgabe in vollen Zügen genießen. An dieser Stelle ein Shoutout an alle, die uns während unserer Geburtstags-Aktion weiterempfohlen haben: Wir haben 875 neue Leser*innen in einer Woche erreicht – und damit auch 875 Kilo Plastik aus Flüssen gefischt. Das ist Wahnsinn!
Deswegen legen wir für unsere Kooperation mit Plastic Fischer (Öffnet in neuem Fenster) nochmal 125 Kilo aus eigener Tasche drauf. Das heißt:
Eine ganze Tonne Plastik wird aus verschmutzten Flüssen in Indien und Indonesien gefiltert – dank Euch! 🌊
Danke auch an unsere Freund*innen von andererseits (Öffnet in neuem Fenster), MiGAZIN (Öffnet in neuem Fenster), Falter.Natur (Öffnet in neuem Fenster), RE: Klimakrise (Öffnet in neuem Fenster) und all die anderen Projekte, die unsere Aktion geteilt haben. Und natürlich an die wunderbaren Plastic Fischer (Öffnet in neuem Fenster)!
Die Community-Umfrage
Wie immer findest Du hier noch eine kurze Frage zur aktuellen Ausgabe an die Treibhauspost-Community:
Sollte die Kirche dazu verpflichtet werden, ihre Investitionen transparent offenzulegen?
Die Kirche sollte gar nicht in Aktien investieren dürfen (Öffnet in neuem Fenster)
Nein, die Kirche soll selbst über ihr Geld bestimmen (Öffnet in neuem Fenster)
Nein, aber sie sollte sich selbst dazu verpflichten (Öffnet in neuem Fenster)
Und hier die Ergebnisse aus unserer letzten Umfrage: Die meisten von Euch würden sich 2050 in ihrem Traumberuf gerne um den Erhalt von Wäldern kümmern oder unendlichem Wirtschaftswachstum ein Ende bereiten.
Die nächste Ausgabe bekommst Du am 22. April.
Frohe Ostern
Julien
💚 Herzlichen Dank für die Unterstützung an alle Treibhauspost-Partner:
Hirzel Verlag (Öffnet in neuem Fenster), Buchverlag aus Stuttgart
Bürgerwerke (Öffnet in neuem Fenster), Ökostromversorger
Elektrizitätswerke Schönau (Öffnet in neuem Fenster), Dezentraler Energieversorger
nextblooming (Öffnet in neuem Fenster), Nachhaltigkeits-Beratung
SCIARA (Öffnet in neuem Fenster), Online-Simulation für interaktive Klimazeitreisen
Plastic Fischer (Öffnet in neuem Fenster), Sozialunternehmen gegen Plastikmüll
Adept (Öffnet in neuem Fenster), sozial engagiertes Gaming Start-up
Andreas Lederer (Öffnet in neuem Fenster), Hotelier mit Herz für den Planeten
🤝 Mehr über unsere klima-engagierten Partnerorganisationen (Öffnet in neuem Fenster).
💌 Außerdem danken wir allen Mitgliedern, insbesondere Judith G., Lukas L., Christopher K., Martin D., Svenja G., Ruth L., Jonas K., Benedikt S., Frank W., Chris B., Anna G., Jeremiah B., Jörg A., Brigitte K., Alex K., Valeska Z., Hans Christian M., Elke J., Lari H., Thomas K., Ulrich S., Sigurd M., Peter B., Malte N., Martin V., Macha B., Familie E., Petra F., Birgit S. & K. F., Beate H., Antje H., Konrad H., Volker H., Markus H., Stefanie J., Oliver K., den Braunkohlestrombärschwaben, Joanna K., Klemens K., Alois K., Reto L., Annika N., Johannes P., Ralf R., Isabel S., Sabine S., Guido S., Annette T., Daniela T., Kurt W. und Anett W., die uns mit den höchsten Beträgen supporten!