Zur Gewalt des Schweigens
— kingofmusic
Formvollendet veredeltes Schweigen
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(Eugen Gomringer)
Keine Bange: auf den knapp 250 Seiten der „Erzählung vom Schweigen“, dem Debütroman von Katharina Peter (erschienen 2023 bei Matthes & Seitz Berlin) wird nicht durchgängig geschwiegen. Und doch muss man als Leser:in oft die sehenden Ohren spitzen, um hinter der Stille der Worte den Klang der Anklage und der Frage nach dem „Warum?“ zu hören.
In „Erzählung vom Schweigen“ folgen die Leser:innen der Ich-Erzählerin Karolina, die dem titelgebendem Schweigen in ihrer Familiengeschichte nachspürt. Wobei nicht jede Situation von Schweigen geprägt ist:
„Meine streitenden Eltern. Meine Trommelfelle übersät von Narben. Eitrig, entzündet wehrten sie die grausame Sprache ab, wollten nicht hören, aber hörten doch.“ (S. 9)
Am Anfang steht ein Eintrag eines Familienbuches von Karolinas Großvater, in dem „[…] jeweils die Häupter der Familie ihre Gedanken, Erlebnisse, Gutes und Böses aus ihrem Leben zu ihrer eigenen und ihrer Nachkommen Erinnerung niederschreiben mögen.“ (S. 5).
War ich bei den Einträgen, von denen es im Lauf der Geschichte immer wieder welche gibt, sofort von dem Ton der Authentizität gefangen, bestätigte sich diese, als die Autorin mich wissen ließ, dass die Ebene der Großeltern auf Fakten basiert. Ebenso wie einige Lebenserfahrungen von Karolina/ Katharina identisch sind. Da ist Gänsehaut garantiert!
Prägen die Erfahrungen von Kindern ihr späteres Elternsein? Werden Traumata vererbt? Diese Fragen sind (nicht nur in der Literatur) nicht neu und doch werden sie hier meines Erachtens nach zu einem derart kunstvoll gestalteten und sprachlich niveauvollen Debüt verarbeitet, dass ich beim Lesen immer wieder Luft holen und kurze Pausen einlegen musste, um das soeben gelesene sacken zu lassen. Große Schreibkunst!
Ich kann dem Buch und insbesondere der Autorin an diesem Punkt nur das Beste wünschen – möge dieses zu Worten veredelte Schweigen massenhaft erhört werden!
Glasklare Leseempfehlung.
— Der Autor auf Twitter @kingmusic987
— Foto: Katharina Peter