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Warme Milch für Carsten Linnemann

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Liebe Leser*innen,

nach nur einer Woche haben sich CDU und SPD auf ein gemeinsames Programm für Koalitionsverhandlungen geeinigt. Und nicht nur politisch kommt man sich mit jeder Verhandlungsrunde etwas näher. Auch menschlich überraschen die Verhandlungspartner einander immer wieder. Für besonders große Augen sorgte Friedrich Merz, der Carsten Linnemann jedes Mal eine warme Milch bringt, wenn eine Besprechung länger als bis 23 Uhr dauert. Die jüngsten Aussagen von Boris Pistorius kamen daher für viele Beobachter aus dem Nichts.

Alexander Dobrindt und Thorsten Frei stehen nebenenander. Text: Schockierender Pistorius-Leak! Dobrindt und Frei sind unangenehm. 

Es hat niemand geahnt!

So unangenehm einige der Verhandlungspartner auch sein mögen, die SPD ließ sich insbesondere beim mit Abstand wichtigsten Wahlkampfthema Migration nicht unterkriegen: Zwar wird, wie von der CDU gefordert, die Grenze zukünftig mit Tretminen und Schießbefehl gesichert, im Gegenzug sollen auf Wunsch der SPD jedoch mehr Abschiebeflüge in den Pyrenäen und über dem Mittelmeer abstürzen. Zudem wird geprüft, ob Menschen mit doppelter Staatsbürgerschaft in Ausnahmefällen ihren deutschen Pass behalten dürfen.

Sollten es Asylsuchende trotzdem bis an die Grenze schaffen, soll dort laut Saskia Esken selbstverständlich die Humanität gewahrt bleiben. Ganz einfach mit den folgenden Maßnahmen:

Saskia Esken lächelt. Im Hintergrund ist ein SPD-Logo.
  • Die Grenzpolizei vermeidet Blickkontakt mit den Geflüchteten, um keine emotionale Bindung aufkommen zu lassen

  • Wer an der Grenze abgewiesen wird, bekommt zum Trost einen Goodiebag (enthält einen Kompass, drei Proteinriegel und die übrigen »Zeit für Martin«-Luftballons) und ein aufmunterndes Schulterklopfen von Nancy Faeser

  • Alle Grenzbeamten sind dazu verpflichtet, »Dann tschüssi, alles Gute und toi, toi, toi!« in zwölf verschiedenen Sprachen zu lernen

  • Wer erneut versucht, über die Grenze zu kommen, wird erschossen, aber die Bundesregierung zahlt für die Beerdigung und spendet einen Kranz von Blume 2000

  • Die Jusos erklären sich dazu bereit, den Abgewiesenen zu erklären, dass das immer noch besser als das ist, was die AfD vorhat, oder zumindest anders heißt

Doch die SPD wäre nicht die SPD, wenn sie sich damit zufrieden geben würde, und konnte einen weiteren großen Sieg für ein humanitäreres Deutschland erringen.

Ein Flaschensammler in einer Fußgängerzone. 
In der rechten Ecke ein rundes Porträt von Boris Pistorius. 

Text: Radikal sozial! 
SPD setzt Streikrecht für Flaschensammler durch.

Nicht nur Flaschensammler können der nächsten Legislaturperiode zuversichtlich entgegenschauen. TITANIC hat weitere wichtige Punkte des Sondierungspapiers für Sie zusammengefasst.

Lars Klingbeil und Friedrich Merz sitzen nebeneinander und reden.

Arbeit und Rente:

Für die Erhöhung des Mindestlohns auf zwei alte Brötchen pro Stunde geht die SPD beim Thema Soziales einen großen Schritt auf die CDU zu. Die Sozialdemokraten akzeptieren die Abschaffung des Bürgergeldes zugunsten einer Grundsicherung bestehend aus Bezahlkarte und wöchentlichen Motivationscoachings auf der Streckbank des örtlichen Jobcenters. Zusätzlich konnte die SPD noch einen echten Knaller heraushandeln: Die Rente ist bis Mitte April (so gut wie) sicher!

Wirtschaft und Verbraucher:

Schlechte Nachrichten für Verzehrbetriebe: Die doppelte Kassenführung (legal, schwarz) bringt durch die geplante Rückkehr zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz für die Gastronomie zukünftig weniger Ersparnis. Freuen können sich hingegen Pendler, die dank höherer Pendlerpauschale am Jahresende durchschnittlich 5 Euro mehr in der Tasche haben werden. Um die Konjunktur anzukurbeln, bezuschusst der Bund einen Rabatt von 20 Prozent auf Kurbeln in allen Praktiker-Baumärkten und bei Schlecker.

Militär und Infrastruktur:

Nachdem die Bundeswehr in der Vergangenheit krumme Gewehre und kaputte Helikopter geliefert bekam, soll ein unbegrenzter Kreditrahmen für Militärausgaben nun garantieren, dass zusätzlich defekte Panzer und explodierende Kampfjets eingekauft werden können. Zur Gegenfinanzierung der Neuverschuldung soll ein Sondervermögen in Höhe von 500 Mrd. Euro für die Infrastruktur geliehen werden, mit dem sich skrupellose Bauunternehmer und Immobilienhaie die Taschen füllen können.

In welchem Ausmaß das Bildungswesen von der neuen Regierung reformiert wird, ist noch nicht bekannt. Einen Verbesserungsvorschlag macht diese Woche jedoch schon mal unser Bildungsbeauftragter Torsten Gaitzsch.

Torsten Gaitzsch trinkt eine Tasse Kaffee und schaut in die Kamera

Heute: Die reife Prüfung (1)

»97 Prozent fielen beim Probeunterricht durch«, lese ich auf Welt online. Probeunterricht heißt: ein »Probetag für Sechstklässler, die nach Abschluss der Grundschulzeit keine Gymnasialempfehlung erhalten hatten«, durchgeführt an einer Berliner Grundschule.

Tja, Berlin ist eben nicht Frankfurt. Im hiesigen südlichen Westend, lese ich nämlich wiederum in der FAZ, wechselten zum Beginn des Schuljahres satte 93 Prozent der Kinder nach der 4. Klasse aufs Gymnasium. Beantwortet werden musste dort allenfalls die Frage »Was machen deine Eltern beruflich?« und nicht etwa, ob und wenn ja, warum jeder Würfel auch ein Quader ist. In den weiteren Berliner Testaufgaben ging es u. a. um den Flächeninhalt eines Schwimmbeckens, das Runden großer Zahlen und das Erkennen von Rechtschreibfehlern in Sätzen mit Tierbezug: »Das langsame krabbeln von Faultieren auf dem Boden wirkt ungeschickt« (ableism much?). Der dritte Teil beinhaltete »das auf einer Zeichnung dargestellte Ergebnis eines Murmelspiels« nebst der Aufforderung: »Entscheide (für dich selbst), wer die Gewinnerin oder der Gewinner ist [hier fehlt ein Komma] und notiere den Buchstaben der Murmel, die deiner Meinung nach gewonnen hat.«

Mathematik, Deutsch, Spielwissenschaft: Das sind also aktuell die drei Säulen marktkonformer Zurichtung der zu Höherem berufenen Knirpse. Wobei es einen wundert, dass Rechen- und Textkompetenz überhaupt noch gefragt sind. Wofür gibt’s denn KI?

Nun jedenfalls ist die Murmel gerollt, der Drops gelutscht: Ein Eilantrag gegen die neue Eignungsfeststellung wurde vom Verwaltungsgericht abgeschmettert. »Es bestünden ›keine Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung des Probeunterrichts und die festgelegte Bestehensgrenze von 75 Prozent‹, trotz der hohen Durchfallquote.« (Tagesspiegel) Wenn bei einer Durchfallquote von fast 100 Prozent keine Bedenken bestehen, dann habe ich Bedenken. Die äußere ich beim nächsten Mal.

Verabschiedet sich bis zum nächsten Mal und wünscht ein gut informiertes Wochenende:

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