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Diesen Newsletter schreibe ich nun schon über ein Jahr. Den genauen Jahrestag habe ich verpasst, da ich mir aus diesen Daten nichts mache und noch nie z.B. das Datum eines Kennenlernens gefeiert hätte, geschweige denn, dass ich es erinnere. Ich glaube, ich finde es grundsätzlich seltsam, sich nur einmal am Jahr an etwas zu erinnern, sich über etwas zu freuen oder über etwas traurig zu sein, das eine Bedeutung hat. Das ist ein bisschen wie mit dem 8. März, der als feministischer Kampftag oder auch Internationaler Frauentag gefeiert wird, oder dem 25. November, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, oder dem „Tag der lesbischen Sichtbarkeit“ (Lesbian Visibility Day), der erst diese Woche am 26. April gefeiert wurde. Diese Daten kann ich mir immerhin merken, aber da die zugehörigen Themen jeden Tag relevant sind, hat die besondere Aufmerksamkeit für sie einmal im Jahr auch einen bitteren Beigeschmack. Diese Tage erinnern eben auch daran, wie oft große und kleinere Gruppen von Menschen vergessen werden, statt sie mitzudenken und das strukturelles Nachdenken über Diskriminierung noch immer nicht selbstverständlich ist. 

Huch, Lesben gibt es ja auch noch. So wirkte es auch mich diese Woche bisweilen, als ich in sozialen Netzwerken wahrnahm, dass hier und dann ein Post zum Lesbian-Visibility-Day geteilt wurde, die Sichtbarkeit von lesbischen Themen und Solidarität ihnen gegenüber aber den Rest des Jahres deutlich geringer ist. Als beispielsweise die neue Bundesfamilienministerin Lisa Paus ihre Schwerpunktthemen (Öffnet in neuem Fenster) vorstellte, nannte sie wichtige Themen wie die Kindergrundsicherung, die Situation von Alleinerziehenden – bei der sie auch berücksichtige, dass viele der Frauen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, nun erst einmal alleinerziehend sind – und Paus wies daraufhin, dass die Politik für Senior_innen in den vergangenen Jahren im Ministerium zu kurz gekommen sei. Wörtlich sagte sie, dass das S in BMFSFJ (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) für Senioren bisweilen „etwas leise ausgesprochen“ wurde. Zu Regenbogen-Familien oder anderen queerpolitischen Fragen wie dem Selbstbestimmungsgesetz hingegen sagte sie nichts, obwohl man auch für sie feststellen müsste, dass Queer-Politik lange von der Bundesregierung gar nicht gemacht wurde und es in den letzten Jahren viel zu langsam voranging. Viele Fortschritte in diesem Bereich machte nicht die Bundesregierung, sondern das Bundesverfassungsgericht. 

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