They don´t fight for flowers!
Hallo,
wieder etwas verspätet, dafür aber auch sehr aktuell.
Der achte März liegt hinter uns. Internationaler Frauentag oder feministischer Kampftag oder wie in Wuppertal Flinta*-Kampftag. Im ganzen Land gab es größere oder kleinere Demos. Die mit mehr oder weniger emanzipatorischen Inhalten gefüllt wurden. Ich mag ein paar Zeilen zum Kampftag im Tal schreiben, weil ich ihn richtig gut fand.
Die Fakten sind schnell erzählt und ziemlich unspektakulär. 300 Menschen sind einmal quer durch Elberfeld zum Autonomen Zentrum gelaufen und da gab’s eine Party. Keine besonderen Vorkommnisse.
Am Auftaktort der Demo haben Anna und Kira eine Ausstellung zu ihrem Projekt “Queering the City” (Öffnet in neuem Fenster) gezeigt. Dabei geht es darum, warum auch Stadtgestaltung etwas mit Geschlecht zu tun hat und die Stadt auf “männliche” Bedürfnisse ausgerüstet ist. Einen besseren Ort als den Laurentiusplatz hätten sie dafür eigentlich nicht nehmen können. Auf einer Ausstellungstafel (Öffnet in neuem Fenster) geht es nämlich um Toiletten. Der Laurentiusplatz hat (oder hatte) zumindest mal öffentliche Pissoirs, die allerdings so ekelig sind, dass sie faktisch nicht benutzbar sind. Und das schreibe ich als Typ mit halbwegs intakten Körperfunktionen und in der Hinsicht relativ hoher Ekelschwelle. Eine öffentliche Frauen*toilette gibt es auf dem Platz nicht. Die Frau empfiehlt die Benutzung der Toilette der Stadtbibliothek. Wo keine Stadtbibliothek in der Nähe ist, oder wenn die schon zu hat, wird’s dann schon kompliziert. Und zwar fast überall und fast in jeder Stadt. Wer muss, muss zahlen, egal ob in der Gastro oder auf kommerziellen Klos, wie es sie in Bahnhöfen oder Einkaufszentren gibt. Außer man ist ein Mann, dann kann man überall hinpissen. Etwas, das man in zu vielen Ecken in zu vielen Städten leider riechen kann. Die Ausstellung zeigt gut, dass Städte von und für Männer geplant sind, die idealerweise auch noch Geld haben. Das sollte so nicht sein.
Am 21. April planen Anna und Kira einen Stadtspaziergang (Öffnet in neuem Fenster) zum Thema. Ich glaube, das wird interessant.
Zurück zu Demos. Da gehören ja in der Regel Redebeiträge dazu. Und ich möchte einen von der Flinta*-Demo in Wuppertal ein wenig hervorheben. Eine junge Frau hat über Endometriose (Öffnet in neuem Fenster) gesprochen. Eine Erkrankung, bei der Gewebe, das dem der Gebärmutterschleimhaut ähnlich ist, auch außerhalb der Gebärmutterschleimhaut vorkommt. Das klingt jetzt erstmal so, als sollte es nicht so sein, aber ich kann mir darunter wenig vorstellen. Und da kommt der Redebeitrag ins Spiel. Die Rednerin hat davon erzählt, wie sie mit ihrer ersten Periode unglaubliche Schmerzen hatte und wie die bei jeder folgenden Periode wiederkamen und stärker wurden. Wie sie in der Zeit fast nichts tun konnte und in der Schule und in anderen Kontexten als “Mimose” abgestempelt wurde. Sie sprach über eine Depression und Verletzungen, die sie sich zugefügt hat. Alles nur, weil niemand daran gedacht hat, dass sie eine Krankheit hat. Jetzt könnte man sagen, ja, ist traurig, kann aber passieren. Manchmal werden Krankheiten halt nicht erkannt. Nun, in Deutschland erkranken pro Jahr wohl etwa 40.000 Frauen an Endometriose. Das ist keine seltene Krankheit, sondern ein Massenphänomen. Nun, die Krankheit ist total untererforscht, in Sachen Behandlung tut sich seit Jahren nichts, und diagnostiziert wird Endometriose weiterhin oft spät oder überhaupt gar nicht. Ich kann mir gut vorstellen, wenn Endometriose eine Männerkrankheit wäre, gäbe es längst zahlreiche Medikamente. Frauengesundheit aber einfach nicht so wichtig.
Von der Party nach der Demo hab’ ich euch noch einen Musiktipp mitgebracht. Ket (Öffnet in neuem Fenster) aus Leipzig oder Siegen oder Köln macht erstklassigen “Jammerrap” mit klugen Texten.
Von mir gab’s diese Woche nicht so viel. In einem Kommentar (Öffnet in neuem Fenster) habe ich gewarnt, dass die Fahndung nach den RAF-Rentnern tragisch enden könnte. Der Text war eine Reaktion auf diese Orgie an Durchsuchungen, die am Sonntag und Montag in Berlin stattgefunden hat. Bisher hat er sich zum Glück ja nicht bewahrheitet.
Außerdem habe ich mir noch eine Infoveranstaltung zur “Solidarischen Landwirtschaft” (Solawi) angeschaut. Ich glaube der Text (Öffnet in neuem Fenster) ist ganz nützlich, wenn man noch nie von Solawi gehört hat.
Dinge, auf die ich euch noch aufmerksam machen mag:
Burak Yilmaz, der eh ein ziemlich stabiler Typ ist, hat ein Video (Öffnet in neuem Fenster) zur großen Anti-AfD-Demo in Duisburg am letzten Wochenende aufgenommen. Und er ist ziemlich sauer, weil die Demo aus seiner Sich eine “Reinwasch-Show” derjenigen war, die für Alltagsrassismus und miese Zustände verantwortlich sind.
Die Niederlande bekommen ein Holocaust-Museum. Das Haus eröffnet am Sonntag in Amsterdam. In der SZ ist ein sehr lesenswerter Text (Öffnet in neuem Fenster)(Paywall) dazu erschienen. Weil Israels Präsident Herzog zur Eröffnung kommt, sind auch anti-israelische Proteste geplant. Ich finde ja, man sollte sich überlegen, in welchen Kontexten man so protestieren will.
Zum Schluss noch ein Interview (Öffnet in neuem Fenster) mit dem ihr euch den Rest des Wochenendes beschäftigen könnt. “All Good” hat mit Hannes und Babak gesprochen, die beide bei Anarchist Academy waren. Anarchist Academy war in den frühen Neunzigern eine Rap-Crew aus Lüdenscheid und Umgebung und sie sind sowas wie die Urväter des Zeckenrap. Außerdem haben sie Franz-Josef Degenhardt gesampelt, der der tollste Liedermacher war, den es jemals gab. Also, lest das Interview.
Bis demnächst!