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Warum Landwirtschaft und Naturschutz immer auch ein Thema der Rechten ist

Das neue Jahr hat gerade begonnen und während ich von Coronaviren außer Gefecht gesetzt werde, finden die sogenannten “Bauern-Proteste” statt. Kurz vor Weihnachten haben viele Landwirt*innen bereits protestiert und Straßen mit Traktoren blockiert. Sie haben Ortsschilder umgedreht, um damit zu sagen: “Die Regierung stellt alles auf den Kopf”. Ich weiß: Es gibt nicht die Bauern, dafür ist die Personengruppe viel zu heterogen. Und doch müssen wir hier und jetzt in diesem ersten Newsletter 2024 über eine rechte Unterwanderung innerhalb der Landwirtschaft und des Naturschutzes sprechen. Denn: Naturschutz ist kein Thema, das lediglich den Grünen oder Linken vorbehalten ist. Ganz im Gegenteil. Es ist auch schon immer ein Thema der Rechten gewesen.

Bioprodukte oder ökologische Nachhaltigkeit sind Dinge, die wir meist mit Weltoffenheit und Progressivität in Verbindung bringen. Wir denken an die Grünen, an Bewegungen wie Fridays For Future, an Greenpeace oder die Letzte Generation. Wir denken womöglich eher nicht an rechtsextreme Gruppen oder an die AfD. Dass sich die Rechte für Umwelt- und Naturschutz interessiert, scheint womöglich auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein. So könnte man zum Beispiel fragen: Haben sich rechte Akteur*innen mit Klimaschutzaktivist*innen solidarisiert? Oder: Hat sich die AfD etwa Seite an Seite mit der Letzten Generation auf die Straßen geklebt. Nein! Ganz im Gegenteil. Die Rechte hat sich von den Klimaschutz-Bewegungen distanziert. Mehr noch: Sie hat die Aktivist*innen verurteilt, beschimpft und beleidigt.

Wie kann es also sein, dass Umwelt- und Naturschutz auch ein Thema der Rechten ist? Wie passt das zusammen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir ein bisschen in die Geschichte der Ökologie eintauchen. Keine Sorge: Ich halte es kurz - aber es ist wichtig, um die Zusammenhänge zu verstehen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde die ökologische Landwirtschaft besonders von rechten und völkischen Bewegungen vorangebracht. Denn: Nach ihrer Auffassung stellte die Industrialisierung eine Gefahr dar, weshalb man den Menschen eine ‘verwurzelte Gemeinschaft’ bieten wollte. Das bäuerliche Leben und die damit einhergehende Naturverbundenheit wurden romantisiert, um einen Gegenentwurf zur Urbanisierung zu schaffen. Eine solche Romantisierung ist eng mit den Ideen und Zielen des sogenannten “Heimatschutzes” verknüpft. Denn auch jener Bewegung, die aus dem 19./20. Jahrhundert stammt, ging es immer um das Wahren von traditionellen Lebensweisen und darum der fortschreitenden Industrialisierung etwas entgegenzusetzen. In der Zeit des Nationalsozialismus wollte man die Industrialisierung rückabwickeln, um eine bäuerliche und naturverbundene Gesellschaft zu schaffen. Vertreten wurde damals die sogenannte “Blut-und-Boden-Ideologie”: Diese Ideologie basiert auf einer Idealisierung bäuerlichen Lebens, verknüpft mit einem rassistischen und antisemitischen Konzept. Das NS-Regime strebte einen “gesunden Staat” an, dessen Grundlage eine “reine” und “arische” Abstammung darstellte.

Ferner war der Naturschutz im Nationalsozialismus eine wichtige Angelegenheit. So gab es im Jahr 1935 zum ersten Mal ein Gesetz (das “Reichsnaturschutzgesetz”), das definierte welche Pflanzen und Tiere geschützt werden sollten. Aber - und das ist eine wichtige Abgrenzung zum progressiven Umweltschutz - die damaligen Akteur*innen eines Natur- und Heimatschutzes waren gegenüber modernen Entwicklungen alles andere als aufgeschlossen eingestellt. Ganz im Gegenteil: Ihre Haltung war ausschließlich antimodernistisch geprägt.

Nach Ende des NS-Regimes fand kaum bis gar keine Auseinandersetzung von Ökolog*innen mit ihrer Rolle im Nationalsozialismus statt. Das ist fatal, weil dadurch eine rechte Unterwanderung viel leichter geschehen kann. Bedeutet das nun, dass wir die Landwirtschaft und alles was mit Naturschutz zu tun hat automatisch mit rechter Ideologie verknüpfen müssen? Nein. Vor allem, weil es nicht die Landwirtschaft oder den Naturschutz gibt. Rechter Naturschutz ist niemals grün, sondern braun. Was es jedoch braucht ist eine Sensibilität, um rechte Strategien zu entlarven. Denn seit einigen Jahren gibt es beispielsweise völkische Bewegungen, die - im Namen des Naturschutzes - Siedlungen im ländlichen Raum etablieren wollen. Nach außen geben sie sich naturverbunden und offen, nach innen sind sie extrem rassistisch und antisemitisch eingestellt. Völkische Siedler können wir uns als eine heterogene Bewegung vorstellen, die aus dem gesamten rechten Spektrum kommen: Von rechtsextremen Parteien wie “die Heimat” (ehemals NPD) oder “Der III. Weg”, bis hin zu esoterisch und religiös geprägten Organisationen. Vor allem die völkisch ausgerichtete Anastasia-Bewegung hat in den letzten Jahren hierzulande an Popularität gewonnen. Die Bewegung basiert auf den Romanen des russischen Schriftstellers Wladimir Megre. Die Bücher stellen eine Anleitung dar, wie der Mensch leben soll: Angefangen wie er mit der Natur umzugehen hat, bis hin zur Kindererziehung.

“Was hat all das mit den anfangs erwähnten Bauern-Protesten zu tun?”

Schließlich geht es den Bauern nicht darum ein rechtes Weltbild zu propagieren, sondern vielmehr um die Sicherung ihrer Existenz. Und: Dass sich rechte Gruppierungen den Protesten anschließen ist blöd, aber dafür können doch die Menschen aus der Landwirtschaft nichts.

Richtig: Die aktuellen Bauern-Proteste resultieren unter anderem daraus, dass die Bundesregierung die Subventionen für den Agrardiesel komplett streichen wollte. Viele Menschen, die in landwirtschaftlichen Betrieben tätig sind, haben sich dagegen gewehrt, weil sie Sorge um ihre Existenz haben. Und selbstverständlich ist es wichtig die Sorgen von Landwirt*innen zu hören und sie ernst zu nehmen. Genauso ist es legitim sich gegen Entscheidungen zu stellen und sich zu wehren, wenn die eigene Existenz bedroht ist.

Aber: Wir müssen diese Proteste gleichzeitig in einem größeren Zusammenhang sehen und sie dementsprechend einordnen. Dass sich rechte Bewegungen diese Proteste zu Nutze machen, kommt nicht aus dem Nichts und ist auch kein Zufall. So gibt es bereits seit einigen Jahren immer wieder die Schwierigkeit, dass sich Landwirt*innen nicht eindeutig von rechten Ideen und Akteur*innen distanzieren. Und auch bei den aktuellen Protesten sehen wir immer wieder die Fahne der sogenannten Landvolkbewegung: Darauf zu sehen ist ein weißer Pflug und ein rotes Schwert auf schwarzem Grund. Die Landvolkbewegung hat ihren Ursprung in den 1920er Jahren und war völkisch, nationalistisch und antisemitisch ausgerichtet. Die bereits erwähnte Blut-und-Boden-Ideologie wurde auch von jener Bewegung vertreten und Historiker*innen sehen das Landvolk als einen wichtigen Wegbereiter der NSDAP. Wenn Landwirt*innen bei aktuellen Bauern-Protesten die Fahne der Landvolkbewegung zeigen, dann müssen wir das kritisieren und auf den historischen Zusammenhang hinweisen.

Es geht mir nun nicht darum pauschal einen Zusammenhang zwischen rechter Ideologie und der Landwirtschaft zu ziehen. So bin ich sicher, dass vielen Landwirt*innen nichts ferner liegt, als ein rechtes Weltbild zu propagieren. Ich weiß auch, dass es Landwirt*innen gibt, die sich aktiv gegen die Rechten stellen. Das ist richtig und wichtig. Gleichzeitig müssen wir aber sehen, dass rechte Akteur*innen seit Jahren sehr geschickt vorgehen, um ihre menschenverachtende Ideologie zu legitimieren. Auch die Bereiche Ökologie und Naturschutz werden von ihnen unterwandert.

Naturschutz bedeutet für die Rechten immer auch “Heimatschutz”. Klingt nett und harmlos? Dahinter verbergen sich rechtsextreme Fantasien, wie zum Beispiel die Ausgrenzung von Menschen, weil sie nicht die “richtige” Staatsbürgerschaft besitzen. Rechte Ökologie nutzt häufig uns bekannte Narrative, wie etwa “Nachhaltigkeit”; “Regionalität” oder “Ganzheitlichkeit”. Solche Begrifflichkeiten bringen wir zunächst nicht mit rechter Ideologie in Verbindung, sondern vielmehr mit grünem Natur- und Umweltschutz. Hinzu kommt, dass sich viele Forderungen von rechten Akteur*innen mit jenen aus den Umweltverbänden decken. Zum Beispiel die Forderung, dass Tier- und Pflanzenarten vor dem Aussterben geschützt werden sollen. Und genau an diesem Punkt ist klar: Umweltschutz ist nicht automatisch links und progressiv. Umweltschutz und Faschismus können genauso Hand in Hand zusammengehen.

“Viele Forderungen von rechten Naturschützer*innen decken sich vermeintlich mit denen von Umwelt- oder Naturschutzverbänden. Doch bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass der rechte Naturschutz stets verknüpft ist mit völkischen und menschenverachtenden Ideen. Die extreme Rechte instrumentalisiert ökologische Themen, um ihre Ideologien in die breite Bevölkerung zu bringen. Unter dem Deckmantel Naturschutz verharmlosen sie ihre Forderungen und Absichten (…). Manche Zusammenhänge im Naturschutz sind besonders anschlussfähig für rechtsextreme Sprachbilder und Argumente.”

(Aus: Ökolandbau und extrem rechte Ideologien: Weshalb die Landwirtschaft diverser werden muss (Öffnet in neuem Fenster). S.17)

So werden zum Beispiel Naturschutz-Argumente auf die Gesellschaft übertragen, indem etwa Einwanderer mit gebietsfremden Pflanzen und Tieren gleichgesetzt und sie als eine Gefahr für “unser Volk” deklariert werden. Aber auch das Konzept der Regionalität wird von den Rechten faschistisch aufgeladen: Regionalität steht einerseits für die unabhängige Versorgung gegenüber anderen Staaten und soll andererseits vor allem dem “deutschen Volk” dienlich sein.

Wer nun aber denkt, dass es auf jeden Fall die “guten” Landwirt*innen gibt, nämlich die auf den Biobauernhöfen, irrt. Insbesondere Ökolog*innen mit einem anthroposophischen Hintergrund, gilt es kritisch zu betrachten. Auch sie werben mit den Narrativen “Ganzheitlichkeit” oder “Natürlichkeit”, geben sich nach außen offen und freundlich, während sie nach innen elitär und autoritär ausgerichtet sind. Die sogenannte biologisch-dynamische Landwirtschaft geht auf den Esoteriker Rudolf Steiner zurück. Steiner begründete zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Anthroposophie, deren Ausrichtung rassistische und antisemitische Tendenzen aufweist. Und auch hier möchte ich einschieben, dass es nicht die Bio-Landwirt*innen gibt oder dass alle, die sich Bio auf die Fahne schreiben ein anthroposophisches Konzept vertreten. Dennoch ist schon lange bekannt, dass sich esoterisch ausgeprägte Ausrichtungen gerne mit rechten und völkischen Konzepten verbinden.

Was hat all das nun zu bedeuten? Heißt das jetzt, dass wir rechts sind, wenn wir uns für die Bauern-Proteste oder allgemein für den Naturschutz aussprechen? Nein, selbstverständlich nicht. Wer sich mit Landwirt*innen solidarisiert ist deshalb nicht automatisch ein Nazi. Eine solche Pauschalisierung ist schlicht und ergreifend falsch. Dennoch brauchen wir einen allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie sich rechte Akteur*innen die Bauern-Proteste für ihre Ideologie zu Nutze machen. Es reicht nicht aus, wenn wir uns mit Worten abgrenzen und sagen “Die Rechten haben auf diesen Protesten nichts zu suchen”. Klar sind solche Worte nicht unwichtig, aber sie beeindrucken die Rechten kaum. Wir müssen die Strategien der Rechten enttarnen und sie sichtbar machen. Wir müssen über die Bedeutung der Landvolkbewegung sprechen und darüber aufklären. Und: Insbesondere Menschen aus der Landwirtschaft müssen sich kritisch mit einer rechten Anschlussfähigkeit der Ökologie beschäftigen. Das ist nicht einfach, oftmals anstrengend und sicherlich auch schmerzhaft. Aber verdammt wichtig.

Verwendete Quellen:

Broschüren (PDF) der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)

Bundeszentrale für politische Bildung

Volksverpetzer

Vielen Dank, dass du dir für das Lesen meines Newsletters Zeit genommen hast.

Bis zum nächsten Mal,

Sandra