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Steamfest: Sieben Demos auf einen Streich

Zwar hat sich die Spielewelt in einigen Bereich stark verändert, aber es gibt immer noch schöne Konstanten. Dazu gehört die Demo, die seit einigen Jahren fast schon ein Comeback feiert. Natürlich gab es kostenlose Probierversionen schon immer, selbst in Nintendos eShop sind es hunderte. Aber auf dem PC verschwanden sie seit etwa 2010 mit dem Erfolg von Minecraft im Schatten des bezahlten Early Access - dem digitalen Geschäftsmodell, das die Branche nicht nur vom Spieldesign bis zum Vertrieb, sondern auch bis zur Beziehung zwischen Entwickler, Spieler und Presse extrem beeinflussen sollte.

Es ließe sich jetzt viel über die Unterschiede und Auswirkungen von Fortnite bis Star Citizen erzählen. Aber fest steht, dass vor allem Independent-Entwicklungen dank Early Access so richtig boomen konnten, denn so ließ sich ein Hobbyprojekt auch ohne Investor bzw. Publisher verwirklichen. Es entstand eine Win-Win-Situation: Die Unterstützer können früh zocken und Feedback geben, die Entwickler können in Vollzeit an der finalen Version arbeiten und vielleicht sogar Leute einstellen. Was das für eine abenteuerliche Reise sein kann, hat z.B. Stephan Hövelbrinks in Auf einen Whisky (Öffnet in neuem Fenster) am Beispiel von Death Trash (Öffnet in neuem Fenster) erläutert.

Aber auch ein Fan hat nicht unbegrenzt Budget, um parallel zig Studios zu unterstützen. Wo lohnt es sich? Gerade angesichts der unfassbaren Spieleflut wird die Demo wieder attraktiv: Sie kostet nichts, ist unverbindlich und ermöglicht das schnelle Reinzocken. Und wie viel heutzutage selbst in jedem Subgenre erscheint, demonstriert aktuell Steam in seinerm Vorschau-Fest. Über eine Woche wird bis zum 13. Februar nahezu alles live präsentiert und zum Probe spielen angeboten.

Ich hab mich in den letzten Tagen beim Download der Demos ein wenig an die 80er erinnert gefühlt, wenn ich am Wochenende mit einem Berg von Disketten vor dem Amiga saß und ein Spiel nach dem anderen ausprobieren konnte. Aber dabei zeigte sich auch wie damals, dass in der Masse nicht immer viel Klasse steckt. Von den über dreißig Demos, in die ich reingezockt habe, haben es nur diese sieben geschafft, mich solide bis gut zu unterhalten. Hier sind sie in alphabetischer Reihenfolge:

Bleak Sword DX (Öffnet in neuem Fenster): Fantasy-Action

Ich mag es sehr, wenn klassisches Spieldesign auch über ästhetische Experimente neu interpretiert wird. Im Brettspielbereich gelang das z.B. Escape the Dark Castle, im digitalen Superbrothers: Sword & Sorcery. Und Bleak Sword DX erinnert mich mit seiner stark reduzierten Fantasy-Action entfernt an diese Spiele. Es hat mich schon auf Apple Arcade richtig gut unterhalten: Eigentlich ist es nicht mehr als Draufhauen und Ausweichen in Miniräumen, die wie abstrakte Dioramen designt sind und von Schwarz, Weiß sowie Blutrot dominiert werden. Der Held schwingt sein Schwert wie eine blasse Scherenschnittfigur, während um ihn herum Monster auftauchen und schnell die Hölle ausbricht. Zusammen mit den urigen Soundeffekten entsteht eine markante Hack'n Slay-Stimmung, die mich auch ein wenig in die Arcade-Zeit zurückbeamt. Gauntlet war jedenfalls nicht so cool! Devolver Digital hat es für PC und Switch angekündigt, dürfte bald so weit sein.

https://youtu.be/i1t8UzCkBWo (Öffnet in neuem Fenster)

Darkest Dungeon II (Öffnet in neuem Fenster): Taktik-Rollenspiel

Mit Darkest Dungeon verbinde ich sehr viele hart umkämpfte Stunden voller Freude und Flüche. Die Rundentaktik der Red Hook Studios hat mich 2016 mit ihrer einzigartigen Atmosphäre, dem wunderbaren Sprecher, den Auswirkungen von Stress und Wahnsinn sowie der Mischung aus Dark Fantasy und Lovecraft-Flair so richtig erwischt - das war wie eine spielbare Back-Metal-Ballade. Und dieser Nachfolger knüpft mit klasse Animationen, verbesserten Funktionen und etwas weniger frustrierendem Party-Management direkt daran an. In der Demo könnt ihr die Kutsche mit vier Gefährten durch ein Kapitel führen. Diese Fahrt ist vergleichsweise angenehm, aber sie endet auch dort, wo das Spiel gerade erste Zähne zeigt. Der Termin ist übrigens bestätigt: Am 8. Mai 2023 erscheint es für den PC, aber es wird auch für Konsolen entwickelt.

https://youtu.be/sJ6Gdd-pSPA (Öffnet in neuem Fenster)

Shadows of Doubt (Öffnet in neuem Fenster): Detektiv-Abenteuer

Dieses Spiel fühlt sich so an, als würde man à la Sherlock Holmes in einer Minecraft-Welt recherchieren. Auf jeden Fall gehört Shadows of Doubt zu den interessanteren Experimenten im Bereich prozeduraler Welten. Denn man ist in einer 3D-Kleinstadt unterwegs, in der Einwohner und ihre Tagesabläufe ähnlich wie in einem GTA simuliert werden. Als Detektiv gilt es, Morde mit allen investigativen und auch illegalen Mitteln aufzuklären: Von der Pinnwand mit Hinweise und verbundenen Details über das Scannen von Fingerabdrücken bis hin zum Einbrechen und Schlösser knacken - selbst Kampf ist ein letztes Mittel, wenn man vielleicht fliehen muss. Apropos: Es gibt Schächte und Rohre, man kann sich in Schränken verstecken und erlebt einiges an Stealth-Flair. Die Bewohner wirken zwar grob wie Minecraft-Figuren, aber trotz der Klötzchen entsteht eine überraschend interessante Stimmung, die aufgrund der allgegenwärtigen Kameras auch ein wenig an Big Brother erinnert. Noch habe ich nur an der Oberfläche recherchiert und wurde von Sicherheitskräften überwältigt. Aber dieses Spiel hat was.

https://youtu.be/r2CDeQx63kQ (Öffnet in neuem Fenster)

Sovereign Syndicate (Öffnet in neuem Fenster): Steampunk-Rollenspiel

Einige von euch haben die Demo vielleicht schon gespielt, denn ich hatte Sovereign Syndicate bereits im August 2022 vorgestellt - und kurz danach gab es eine Probierversion. Auf jeden Fall lohnt sich das Anspielen, denn die Kanadier von Crimson Herring wecken wohlige Erinnerungen an Arcanum & Co. In einer offenen Welt, die ein alternatives London darstellt, ist man als einer von drei wählbaren Charakteren unterwegs: Als Minotaurus-Magier Atticus Daley, als Korsarin Clara Reed oder als blecherner Automat namens Otto. Es wird erkundet, gesprochen und gekämpft, wobei auch Tarot-Karten hinzu kommen, die bei Probewürfen die Charakterwerte ergänzen. Im Gegensatz zu Fantasy-Rollenspielen mit riesigen Welten konzentriert man sich auf ein urbanes Milieu mit 20 Regionen rund um den Hafen. Das Spiel soll bald für PC erscheinen, ich freu mich sehr drauf.

https://youtu.be/jFONp5Q5W1E (Öffnet in neuem Fenster)

Stasis Bone Totem (Öffnet in neuem Fenster): Horror-Adventure

Falls ihr Point&Click und Horror mögt, könnte dieses isometrische Adventure auf einer Bohrinsel im Pazifik einen Blick wert sein. Sie scheint verlassen, so dass ein Ehepaar, das eigentlich von der Bergung von Wracks lebt, dort im Team nach Spuren sucht. Man sammelt Gegenstände vom Gaffaband bis zur Batterie, kann sie kombinieren und defekte Apparate sowie versperrte Gänge untersuchen, während es immer tiefer hinab geht in ein maritimes Geheimnis, das die Cayne Corporation gerne hüten würde. Das südafrikanische Team von The Brotherhood knüpft mit dem Fokus auf Rätsel und seiner stimmungsvollen Inszenierung an Spiele wie Stasis (2015) oder Cayne (2017) an und bereichert das Erlebnis mit Sprachausgabe und einigen technologischen Gimmicks.

https://youtu.be/Pod8Tx11FT0 (Öffnet in neuem Fenster)

System Shock (Öffnet in neuem Fenster): Shooter-Klassiker

Das Remake des Klassikers von 1994 ist sicher der prominenteste Namen in dieser Liste und ein Meilenstein der Spielegeschichte. Die Demo lässt euch den kompletten Einstieg eines Cyberpunk-Abenteuers erleben, das aus dem reinen Ego-Shooter à la Doom eine neue Art der Action samt Story und Rollenspielflair entwickelte. Viele großartige Abenteuer von BioShock bis Prey wurden davon beeinflusst. Zwar wirkt diese Neuauflage rein technologisch nicht spektakulär und spielmechanisch zunächst etwas spröde - vor allem, wenn man wie ich noch das wunderbare Prey in Erinnerung hat. Aber das damals von Warren Spector produzierte Spiel versprüht mit jedem Implantat und Audiolog seinen alten Charme, die Nightdive Studios haben auf dieser mehr als sechsjährigen Reise auch viel Zeit gehabt, den richtigen Ton zu treffen. Für mich ist das ohnehin eine interessante historische Rückkehr, weil so viele heutzutage etablierte Story- und Spielmechaniken dort auftauchen. Ich bin zwar skeptisch, dass ich wieder in diesen faszinierenden Bann von Shodan geraten könnte, der mich 1994 nicht mehr losließ. Aber diese Demo sollte man sich nicht entgehen lassen. System Shock soll im März für PC, PS4/5 und XBS erscheinen.

https://youtu.be/n2b1zQkYsyM (Öffnet in neuem Fenster)

The Last Starship (Öffnet in neuem Fenster): Raumschiff-Strategie

Last but not least: Ein kleines, aber feines Aufbauspiel. Ich hatte die Demo schon in der Vorschau auf Februar erwähnt. Und ich kann das Reinzocken empfehlen, auch wenn hier einiges noch nach Alpha und Konzeptphase aussieht. Aber die von mir hoch geschätzten Briten von Introversion Software (Darwinia, Defcon, Prison Architect) demonstrieren bereits, in welch interessante Richtung es gehen wird: eine Art Dwarf Fortress im Weltraum mit FTL-Flair. Also nicht wundern, wenn sich die Hinweise auf den Bau von Reaktoren, Luftfiltern oder das Verlegen von Kabeln und Rohren in Grenzen halten. Hier muss man ein wenig experimentieren. Das ist wie gesagt eine recht frühe Version, aber mir hat das Ausrüsten des Forschungsraumschiffs samt erster Aufträge mit Passagieren und Erkundungen schon Spaß gemacht. Es gibt so einiges zum Probieren und Scheitern: Leider habe ich beim Transport von Aliens die Sicherheitshinweise vergessen und sie wurden nach dem Raumsprung geröstet. Auch mein erstes Gefecht war mit der mickrigen Railgun eine Katastrophe. In der Demo kann man aber auch mit friedlichen Taxifahrten recht schnell Geld machen, wenn man auf Wasser, Luft, Energie & Co achtet, und recht flott weitere Ausrüstung kaufen, für die man allerdings Raum braucht - gerade die wichtigen Lagerzonen erinnern sofort an Dwarf Fortress. Und kaum denkt man, man ist in einem Flow, bemerkt man den Müll auf dem Raumschiff und muss sich um Abwasser und Recycling kümmern. Ich vermisse allerdings im Vergleich zu FTL den persönlichen Bezug, denn die Crew bleibt bisher komplett anonym. Mal sehen, wie sich The Last Starship entwickelt, es wird ja noch einige Jahre im Early Access bleiben.

https://youtu.be/9Q6-Xh6OuSY (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Erkundung

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