Schöne Aussicht: Wind in den Weiden von Michel Plessix
Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die mit ihren Zeichnungen, Illustrationen und Malereien die Fantasie anregen und damit manchmal erst die Tore öffnen, durch die Storywriter, Programmierer und viele andere gehen, um eine ganze Welt daraus zu formen. Manchmal schaut man ein Bild an und sieht schon ein Abenteuer vor sich - oder wünscht sich eines.
Aber wie ist das, wenn man mit einem Buch aufwächst und seine Helden quasi schon vor sich sieht? Wenn man eine bestimmte Vorstellung davon hat, wie Ratte, Maulwurf, Dachs und Kröterich zusammen am Fluss schwatzen?
Der Franzose Michel Plessix (1959-2017) hatte die schwierige Aufgabe, aus einem weltweit gefeierten Klassiker der Literatur einen Comic zu machen: Der Wind in den Weiden (Öffnet in neuem Fenster) von Kenneth Grahame aus dem Jahr 1908.
Ich sprach ja kürzlich im Podcast (Öffnet in neuem Fenster) mit Christian Endres über diese aus der Tradition der Fabel entstandene Tier-Fantasy, die beim Lesen eine ganz spezielle Stimmung verbreitet, gemütlich und idyllisch, freundlich und abenteuerlich. Es sollte übrigens bis 1931 dauern, ehe dieser Roman von E. H. Shepard erstmals illustriert wurde, der auch Winnie-the-Pooh zeichnete. Plessix orientierte sich ein wenig daran, aber inszenierte die Abenteuer des Maulwurfs wesentlich detaillierter und malerischer.
Plessix, der zuvor u.a. Die Göttin mit den Jadeaugen oder Julian B. im frankobelgischen Stil zeichnete, entwickelte sich für diese Aufgabe auf künstlerischer Ebene enorm weiter. Mit dem Einsatz von Aquarellfarben konnte er diese spezielle Stimmung einer liebevollen Naturidylle einfangen und hatte dabei einen wunderbaren Blick für Kleinigkeiten in der Landschaft sowie im Aussehen sowie Verhalten der Tiere:
Michel Plessix wurde um die Jahrtausendwende mehrfach für diese Arbeit ausgezeichnet. Er benötigte allerdings über sechs Jahre für die vier Bände. Sie erschienen von 1996 bis 2001 auf Deutsch bei Carlsen, waren lange Zeit ausverkauft und wurden 2013 bei Splitter (Öffnet in neuem Fenster) in einem Band als Hardcover über 128 Seiten neu aufgelegt.
Es gibt bereits einige "Schöne Aussichten" im Archiv, ich werde versuchen sie alle zwei Wochen anzubieten.
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