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Die Show ist vorbei, die gamescom ist eröffnet

Das war in der Opening Night Live (Öffnet in neuem Fenster) mal ein schöner Auftakt für Starfield, als lediglich Musik zwischen den Sternenbildern zu hören war. In diesen Momenten konnte man sich in der ebenso galaktischen wie diffusen Ferne vielleicht sogar etwas von der "Tiefgründigkeit" und "Philosophie" vorstellen, die laut dem Komponisten Inon Zur bald auf Entdecker wartet. Der Israeli war übrigens schon für Baldur's Gate II (Öffnet in neuem Fenster) aktiv und hat den orchestralen Rahmen von Dragon Age: Origins konzipiert.

Das sind also keine schlechten Vorzeichen für ein Rollenspiel, das sich in astrale Sphären begibt. Aber schon kurz nach den Klavierklängen sorgten die Spielszenen aus Starfield erstmal für gewöhnliche Bodenhaftung. Und Todd Howard konnte leider nichts von dem in Worte fassen oder zumindest skizzieren, was da Großartiges am 6. September passieren wird. Natürlich ist das nicht so einfach! Aber es wäre den Versuch wert gewesen, denn schließlich handelt sich um Bethesdas selbst ernanntes Traumspiel.

Ich werde das auch nicht als Phrase abtun, denn dafür hat dieses Studio einfach zu viel geleistet. Ich habe alle Fallouts und Elder Scrolls sehr gerne gespielt und bin gespannt, inwiefern sich das Spieldesign und Storytelling acht Jahre nach Fallout 4 entwickelt haben. Trotzdem habe ich mich entschieden, mit Baldur's Gate 3 auf der PS5 anzufangen - zwei Epen dieser Art kann ich einfach nicht parallel betrachten. Die Sterne sind also noch weit weg für mich, die Schwertküste rückt hingegen näher.

Dort haben die Larian Studios ja fast spielhistorisch auf dem PC vorgelegt. Für einige haben sie anscheinend den Gipfel des klassischen Computer-Rollenspiels (CRPG) erklommen, das schon mehrmals totgesagt oder zur schwarmfinanzierten Randerscheinung schrumpfte. Doch in den letzten Jahren florierte dieses wunderbare Genre, man darf auch Pillars of Eternity nicht vergessen, und gerade im Independent-Bereich gab es einige tolle Abenteuer von The Forgotten City über Roadwarden bis Citizen Sleeper. Die Erben von Wizardy und Ultima ahmen nicht nur nach, sie werden immer vielfältiger.

https://youtu.be/CSxqwnlCi0k (Öffnet in neuem Fenster)

Dass Starfield kein CRPG, sondern ein Action-Rollenspiel (ARPG) wird, war natürlich abzusehen. Und davon gibt es eine regelrechte Schwemme. Trotzdem hätte ich erwartet, dass mich die Präsentation von Starfield stärker beeindruckt. Vielleicht hätte man etwas Party-Interaktion, charmante Roboter-Gefährten oder irgendwas abseits von Lasern, Dogfights und Alienvegetation zeigen sollen. Vielleicht habe ich auch zu viel No Man's Sky gespielt, als dass mich digitale Weite mit prozeduralen Himmelskörpern sofort rocken kann.

Den gewöhnlich anmutenden Gefechten folgten dann über zwei Stunden zig Titel in der üblichen Trailerkaskade aus Action und vor allem Awesomes. Einfach alles war awesome. Selbst das schweigende Publikum wurde erstmal für seine Existenz gefeiert. Für Geoff Keighley schienen jedenfalls nur Kandidaten für das Spiel des Jahres zu existieren. Er muss diese Euphorie natürlich spielen, schließlich ist die Show ein von Werbung und Publishern finanziertes Geschäft. Aber so wie er Ed Boon vorstellte, der seit drei Jahrzehnten ein Fighting Game ohne Finisher inszeniert, wäre Mortal Kombat tatsächlich ganz weit oben dabei. Auf jeden Fall wurde Tekken 8 weniger leidenschaftlich begrüßt.

Wie stark Videospiel-Ästhetiken sowie Spieldesign mittlerweile ineinander fließen, und wie stark die Soulsreihe immer noch beeinflusst, zeigt sich in Action-Rollenspielen, die immer mehr wie ein Patchwork aus Altbekanntem anmuten. In Black Myth: Wukong aus China, aber vor allem in Crimson Desert aus Südkorea wurde das deutlich: Das könnte als The Legend of Assassin's Witcher Kingdom Creed durchgehen. Das soll nicht despektierlich klingen, vielleicht wird es sogar gut, aber es wirkte wie das Fantasy-Mosaik einer bemühten KI, die kürzlich noch Daten aus Zelda integrierte.

Noch langweiliger war Call of Duty, das zwar wie immer filmreif aussah, aber rein spielmechanisch und taktisch in der Infiltration der Insel wie ein Metal Gear für Arme wirkte. Wie kann man so viele militärische Ungereimtheiten zulassen? Der Boss von Sledgehammer Games mag ja Stealth-Action, aber glaubwürdig inszenieren können sie das nicht. Trotzdem kann man sich als Spieler des Jahres 2023 sicher nicht beschweren. Meine Liste an potenziell interessanten Titeln? Ist viel zu lang.

Die Fülle ist enorm, die Produktionsqualität steigt, auch wenn an der technischen Spitze auf den ersten Blick alles immer ähnlicher aussieht. Apropos: Cyberpunk 2077 wird jetzt endgültig fertig und bekanntlich um einen Spionage-Thriller erweitert. Und falls noch jemand Lust auf Soulslikes hat, bevor From Software irgendwann Elden Ring 2 ankündigt, ist da natürlich noch Lords of the Fallen. Ich habe während des Spielens von Lies of P eine gewisse Müdigkeit verspürt, Remnant II konnte mich mit seiner Puzzle-Kreativität ein wenig wachküssen und ich lass mich gerne überraschen.

Es lohnt sich aber nicht, auf jedes Spiel einzugehen, denn es gab keinerlei großartige Ankündigung, wenn man mal vom charmanten Little Nightmares 3 absieht. Die Gamescom war schon immer eher ein Schaufenster für das Weihnachtsgeschäft, aber keine Bühne für die ganz großen Premieren. Sony holt nach all den Jahren exklusiver Blockbuster erstmal Luft zwischen den Häuserschluchten von Marvel's Spider-Man 2 und ist gar nicht erst in Köln dabei. Nintendo ist zwar mit einer Bühne vor Ort, aber weder die neue Konsole noch Metroid Prime 4 sind ein Thema - es geht um Mario in 2D und als RPG. Diese gamescom dominiert in erster Linie Microsoft, die sich gerade Activision Blizzard einverleiben und Wolken-Kuchen an Ubisoft verteilen. Täuschte das oder hat Phil Spencer ein wenig zugenommen?

Wie auch immer: Es gab für mich nur drei Brüche in der flüssig moderierten Show. Einmal die Flitzer, die gerne etwas früher GTA VI spielen würden, was der sichtlich genervte Geoff gar nicht lustig fand. Dann die seltsame Distanz zwischen Moderator und Ko-Moderatorin, die mit ihren Hinweisen zum restlichen Programm der gamescom fast wie ein künstlicher Satellit wirkte. Und schließlich den knallharten Übergang von der dämonischen Blutoper eines Lords of the Fallen hin zur farbenfrohen Hüpfgemeinschaft eines Sonic Superstars. Da musste ich richtig schmunzeln.

Last but not least, war mein klarer Favorit der Show nicht Armored Core VI, das ich gerade intensiv spiele, oder Alan Wake II, das ich auf Platz 2 gewählt hätte, sondern Under the Waves, das am 29. August für PC, PS4/5 und XBS erscheint. Ín diesem narrativen Abenteuer geht es um die Nordsee, ein U-Boot und maritime Geheimnisse, die mich neugieriger machen als das verwandte Fort Solis. Der retrofuturistische Stil der 70er ist sehr ansprechend und die Story um einen einsamen Taucher, der einen Verlust verarbeitet und in der Tiefsee ein Mysterium entdeckt, verspricht eine nachdenkliche Reise für Abenteurer und Schatzjäger.

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Kategorie Erkundung

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