Schöne Aussicht: The Art of Returnal (Housemarque)
Ich habe großen Respekt vor Künstlern, die mit ihren Zeichnungen, Illustrationen und Malereien die Fantasie anregen. Denn damit öffnen sie manchmal erst die Tore, durch die Storywriter, Programmierer und viele andere gehen, um eine ganze Welt daraus zu formen. Manchmal schaut man ein Bild an und würde am liebsten sofort den Rucksack packen und losziehen - oder fragt sich später in der Kugelhölle, wie zum Teufel dieses coole Alien-Inferno entstanden ist.
In diesem Fall ging es für die Künstler von Housemarque auch darum, ein ganzes Team mit Skizzen und Charakterstudien auf eine unheimliche futuristische Welt einzustimmen, aus der letztlich einer der besten Shooter der letzten zehn Jahre entstehen konnte: Returnal (Öffnet in neuem Fenster).
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Wie man sich die visuelle Konzeptphase unter Leitung von Ville Kinnunen und Suvi Järvinen vorstellen kann, wird in diesem 208-seitigen, 11 mal 10 Zoll großen Artbook von Darkhorse (Öffnet in neuem Fenster) deutlich, das auf Englisch für knapp 50 Euro als Hardcover erschienen ist. Harry Krueger, der ehemalige Game Director des Studios, der noch das kürzlich angekündigte Salos (Öffnet in neuem Fenster) mit auf den Weg brachte, hat darin ein schönes Vorwort verfasst:
Wie so oft erkennt man anhand der Zeichnungen, dass sich digitale Helden und Welten aus etwas formen, das zunächst nicht mehr als eine ästhetische Anregung ist, die von der schwarzweißen Strichzeichnung bis zum farbigen Tuschebild reichen kann. Nur selten wird die erste Studie quasi direkt ins Spiel übertragen, denn durch den Austausch mit dem Team, den Storywritern sowie die verwendete Technik kann sich alles schrittweise verändern.
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Wenn man sich z.B. die Heldin Selene Vassos ansieht, erkennt man im frühen Konzept von Kinnunen zwar noch nicht das blonde Haar und einen anderen Gesichtsausdruck. Aber sie wirkt sowohl tough als auch gezeichnet und nicht mehr ganz menschlich - mit dem Tentakelarm deutet einiges auf außerirdische Symbiosen hin.
Und schon in diesem Konzept hat ihre Iris zwei unterschiedliche Farben, in einem größeren blauen und einem kleineren, blutrot vernarbten Auge. Selene leidet im Videospiel an der sehr seltenen (realen Krankheit) Iris-Heterochromie, die durch eine fehlerhafte Pigmentierung der Iris entsteht. Laut Story ist sie durch ihr Trauma entstanden.
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Von der griechischen Mythologie ist bekanntlich nahezu alles in Returnal inspiriert: Nicht nur Selene als Name der Mondgöttin und ihr Raumschiff Helios, sondern alle sechs Bosse (Phrike, Ixion, Nemesis, Hyperion, Ophion, Algos) und selbst einige Monster wie der Titanops oder die Strixera. Im Artbook gibt es dazu einige beschreibende Texte.
Neben den Monstern geht es im Artbook um die Ausrüstung sowie den Anzug von Selene, auf den sich Housemarque ja mit vielen kleinen Veränderungen im Spiel konzentriert hat, wenn er etwa schmutziger wurde, der Helm Risse bekam etc. Auch einige technische Gadgets sowie Waffen waren früh erkennbar:
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Der visuelle Star des Spiels ist diese diese knisternde Stimmung in der Landschaft, in der Horror und Science-Fiction ineinandet fließen. Es glimmt, waber und leuchtet zwar oftmals rötlich, und es gibt einige monumentale Hingucker samt Statuen. Es gibt keine Bezüge zur Hölle - oder besser: zur griechischen Unterwelt des Hades, aber wie in einem Inferno kann es von null auf Hundert von allen Seiten in Projektilfeuer eskalieren und selbige ausbrechen.
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Ach so: Es gibt auch einen 79-seitigen Comic zum Spiel, Returnal: Fallen Asteria (Öffnet in neuem Fenster), der im November 2024 erschienen ist; auch dafür hatte Housemarque mit dem US-Verlag Darkhorse zusammen gearbeitet.
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