Vertiefung: Zurück nach Morrowind
So viele Spiele aus alten Zeiten kehren zurück. Man startet sie voller Erinnerungen an durchzockte Nächte, freut sich auf die Helden und Abenteuer von damals. Aber manchmal stellt man früher als einem lieb ist fest, dass sich etwas mehr verändert hat als nur die Technik. Was bleibt, ist ein wehmütiges Seufzen.
Man kann diesen besonderen Ort nicht mehr erreichen, er wirkt trotz der Modernisierungen wie ein versiegelter Lost Place: Man beschreitet dieselben Pfade, erkennt aber keine Zugänge, man schaut sich überall um, aber findet einfach nicht mehr diese früher so offensichtliche Tür hinein.
Man fühlt sich vielleicht wie James in Silent Hill 2, der vom Brief seiner verstorbenen Frau nochmal in diese Kleinstadt gerufen wird, in der man einen Urlaub verbrachte. Genauso wie er kann man nicht widerstehen. Also kehrt man zurück, obwohl man weiß, dass die schöne Zeit vorbei ist, obwohl man ahnt, dass dies ein Wiedersehen mit untoten Nebenwirkungen werden könnte. Ich bin gespannt, wie es sich anfühlt.
Das unvollendete Rollenspiel
In dieser Vertiefung soll es allerdings um einen anderen Lost Place gehen, um ein Rollenspiel aus alten Zeiten, zu dem ich mir ein Remake wünsche. Und das, obwohl mir die Spätfaszination in diesem Genre bisher nur sehr selten begegnet ist, weder in The Bard's Tale noch kürzlich auf der PS5 in Wizardry: Proving Grounds of the Mad Overlord. Natürlich haben es Abenteuer aus der Pionierzeit der 80er besonders schwer.
Doch selbst das erste Baldur's Gate, der große Meilenstein von BioWare aus dem Jahr 1999, wirkte nicht erst im Schatten von Baldur's Gate 3 (Öffnet in neuem Fenster) so viel kleiner. Als ich 2019 in der Enhanced Edition auf der PlayStation 4 wieder losziehen wollte, verlor ich nach wenigen Stunden die Lust. Und mein Ich aus der Vergangenheit war entsetzt über die gefühlte Distanz - mehr dazu in der biografischen Vertiefung (Öffnet in neuem Fenster). Aber es wäre ohnehin das falsche Spiel für ein Remake.
Jetzt wird es vielleicht ein wenig pathetisch und naiv: Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass irgendwann ein Rollenspiel aus alten Zeiten zurückkehren und all die bösen Geister des Alters und des Zeitgeistes mit kreativer Macht vertreiben kann. Und zwar so beeindruckend, dass man nicht wie z.B. beim Comeback des sehr guten System Shock sagt "Hey, vorbildliches Remake! (Öffnet in neuem Fenster)", sondern dass man voller Erstaunen feststellt:
Hurra, ich bin tatsächlich wieder da!
Nicht alle Spiele eignen sich dafür, auch nicht jene, die damals fast perfekt waren. Aber hinter den sieben Bergen der Videospielgeschichte gibt es einige unvollendete Gipfel, deren Präsenz bis heute nachhallt. Sie müssen für mich gewisse zeitliche Voraussetzungen erfüllen: Es darf nichts aus der zu nahen Vergangenheit des letzten Jahrzehnts sein, wie etwa ein The Witcher 3. Und es darf nichts aus der zu fernen Vergangenheit sein, wie die erwähnten Klassiker.
Außerdem sollte es, irgendwo in dieser chronologischen Mitte, einen so starken Eindruck hinerlassen haben, ein Gefühl von Vorortsein und Abenteuer, dass ich es bis heute vermisse - obwohl ich die Schwächen kenne. Doch gerade weil ich diese in der Rückschau noch deutlicher wahrnehme, gibt es bis heute diese Sehnsucht der späten Vollendung. Ich habe lange überlegt, welches Rollenspiel das sein könnte.
Jeder hat in seiner Vita diese besonderen Jahre des intensiven Spielens, die bei mir um die Jahrtausendwende durch den gerade ergriffenen Beruf als Redakteur prägend waren. Recht klar wurde, dass es um Spiele aus dieser Zeit (Öffnet in neuem Fenster) gehen würde, also um Arcanum, Baldur's Gate 2, Gothic 2, Neverwinter Nights, Planescape Torment, Dark Age of Camelot, Star Wars: Knights of the Old Republic, Vampire: The Masquerade – Bloodlines etc. So einiges davon ist ja als Remake in Arbeit, nur leider nicht Arcanum.
Zurück nach Morrowind
Aber dann hab ich kürzlich im Rahmen meiner Recherche für Double XP#7 (Öffnet in neuem Fenster), die Rollenspielgeschichte mit Jochen Gebauer, zum ersten Mal nach fast zwanzig Jahren wieder ein Lied gehört. Es war "Nerevar Rising" - und das war wie ein Ruf aus alter Zeit ... wow! Plötzlich waren sie da, all die Erinnerungen an The Elder Scrolls III: Morrowind, an seine violetten Hügel und bizarren Konflikte. Die Melodien von Jeremy Soule haben mich innerhalb weniger Akkorde an meinen Schreibtisch des Jahres 2002 zurückgebeamt.
https://youtu.be/C9xch8D--gc (Öffnet in neuem Fenster)Auch wenn es damals hier und da Kritik an seinem Soundtrack sowie den gefühlt endlosen Schleifen im Spiel gab, ist seine Musik so stark, dass sie dieses Tor öffnen kann. Ich hörte jedenfalls meinen Pentium III rattern, sah meine Töchter zocken, in Sitzsäcken vor dem GameCube, unterwegs in einem verrückten Taxi von Sega. Und ich saß gebeugt über einem 19-Zoll-Monitor, eine Karte von Vvardenfell an der Wand, ein Notizbuch auf dem Schoß - und war mal wieder kaum ansprechbar.
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