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Was bist du wert? Beispiel Medieninsider

Du möchtest Communitys besser verstehen? Du würdest gern mehr Abos oder Mitgliedschaften verkaufen? Mein Community-Marketing-Newsletter „Blaupause“ macht dir dabei Mut. Diese Woche: eine Medieninsider-Preiserhöhungs-Analyse.

Die Medieninsider-Gründer Matthias Bannert (links) und Marvin Schade.
Foto: Steven Siebert

Hallo!

In der vergangenen Blaupause habe ich Tipps zum Preise Erhöhen gegeben. Auslöser war – ihr erinnert euch vielleicht –, dass Marvin Schade, Gründer des Branchendienstes Medieninsider (Öffnet in neuem Fenster), gefragt (Öffnet in neuem Fenster) hatte, wie man Preiserhöhungen am besten kommuniziert. 

Jedenfalls hat sich Marvin nochmal gemeldet, nachdem die Blaupause erschienen war. Mit einem verlockenden Angebot: 

Ja, darauf habe ich Lust. Denn ich glaube, dass es allen hilft, wenn man sich etwas weniger selbst abfeiert und eigenlobt – wie in der Medienbranche weit verbreitet (wie wahrscheinlich in allen anderen Branchen auch)–, sondern häufiger öffentlich reflektiert, was man gelernt hat. Die Blaupause gibt es genau zu diesem Zweck.  

Wer und was ist Medieninsider?

Medieninsider ist eine Webseite + Newsletter + Social Media für Medienjournalismus. Heißt: Wenn man bei Zeitungen, Magazinen, Radio oder Fernsehen arbeitet, erfährt man hier die aktuellen News aus Verlagen und Sendern, oft mit einem kritischen Dreh und exklusivem Zugang von Marvin, der seit Jahren als Medienjournalist arbeitet, viele vertrauensvolle Kontakte pflegt und als Rechercheur respektiert wird. Immer wieder gelingt es ihm, Branchen-Scoops zu landen. Hier ein Überblick über die beachtlichen publizistischen Erfolge der vergangenen beiden Jahre. (Öffnet in neuem Fenster) Inbesondere die Presse-Manager:innen ärgern sich, wenn ihre internen Statements mal wieder nach wenigen Minuten handwarm bei Medieninsider stehen. Natürlich gehen sie trotzdem ans Telefon, wenn Marvin anruft.

Ich habe darum Respekt vor dem, was er und sein Mitgründer Matthias Bannert in nur zwei Jahren aufgebaut haben. Wir hatten vor der Gründung mal telefoniert, und ich muss zu geben, dass sich nicht sehr optimistisch war, ob es wirklich noch einen weiteren Branchendienst braucht. Denn selbst wenn man es schafft, mit viel Fleiß gute Geschichten auszubuddeln, braucht es immer noch genug Menschen, die dafür zahlen wollen, hinter eine Paywall gucken zu dürfen. M&M sind damit aber schon sehr weit gekommen. Das ist selten.

Was ist (wahrscheinlich) das Problem?

Ich habe keine Informationen zur wirtschaftlichen Entwicklung von Medieninsider und habe auch nicht nachgefragt, sondern spekuliere hier lieber wild. Aber ich stelle es mir nicht leicht vor, zwei Jahre nach der Gründung eine schwarze Zahl bei auskömmlichen Gehältern sicherzustellen. Bei einem Durchschnittspreis von 10 Euro bräuchte es halt 1.000 zahlende Abonnenten, um auf 10.000 Euro Brutto-Monatsumsatz zu kommen, und das bei einem begrenzten Potenzial an Menschen.

Der total addressable market (TAM) ist recht klein und tendenziell schrumpfend. Der Medien-Newsletter Turi2 zum Beispiel spricht (Öffnet in neuem Fenster) von einer Zielgruppe von 20.000 Menschen (die dafür nichts zahlen); der Branchendienst Meedia gibt 46.000 Newsletter-Abonnent:innen (Öffnet in neuem Fenster) an – wobei jeweils auch Leute aus Werbung und Vermarktung dazugehören. Die beiden Gründer haben es sich also vorgenommen, einen recht großen Teil dieser Zielgruppe zu zahlenden Abonnent:innen zu machen.

Ich gehe davon aus, dass Medieninsider inzwischen auf dem sogenannten Plateau angekommen ist. Bedeutet: Nach einem steilen Ramp-up am Anfang und einer Zeit des niedrigen, aber kontinuierlichen Zuwachses, dürfte die Wachstumsrate inzwischen horizontal verlaufen. Warum? Weil alle infrage kommenden Kund:innen das Angebot kennengelernt und sich dafür oder dagegen entschieden haben. Wenn keine neuen Leute dazukommen – aus anderen Branchen, wegen anderer Inhalte, für neue Themen oder Formate – ist daran wenig zu ändern. Gleichzeitig frisst der Churn das Wachstum auf: Je mehr Abonnent:innen man hat, desto mehr neue Abos muss ich verkaufen, um die Kündigungsrate auszugleichen – möglicherweise irgendwas zwischen zwei und sechs Prozent im Monat.

Wenn mich nicht alles täuscht, befindet sich Medieninsider vor der Kluft – jener frustrierenden Phase, während der sich nichts bewegt, und über die ich in einer früheren Blaupause geschrieben habe (Öffnet in neuem Fenster).

Warum es richtig ist, die Preise zu erhöhen

Wer jung ist und nicht mehr wächst, bekommt Probleme. Kleine Veränderungen, zum Beispiel eine etwas höhere Churn-Rate wegen Inflation, tunken dann so ein Projekt schnell ins Minus. Neue Investoren sind schwer zu finden. Es wird frustrierend.

Darum ist eine Preiserhöhung erstmal eine gute Idee. Höhere Umsätze mit bestehenden Kund:innen sind die wirtschaftlich wirkungsvollste Maßnahme überhaupt. Sollte sich der Durchschnittsumsatz pro Medieninsider-Abo von irgendwas um die 10 Euro auf irgendwas um die 15 Euro steigern lassen, steigt der Umsatz um ein Drittel, ohne dass neue Kund:innen gefunden werden müssen. Logo.

Die entscheidende Frage ist, ob die Zahlungsbereitschaft der bestehenden Kund:innen hoch genug ist. Eine wertbasierte Preisgestaltung (im Unterschied zur traditionellen Vorgehensweise: Herstellungskosten+Gewinnmarge=Preis) ist besser, besonders bei digitalen Angeboten. Anders formuliert: Welchen Wert messen Abonnent:innen dem Produkt Medieninsider zu? 

Um das rauszufinden, bietet sich eine Umfrage an, zum Beispiel nach dem Van Westendorp's Price Sensitivity Meter (Öffnet in neuem Fenster). Ohne zu tief einzusteigen: Man findet dadurch die Preisspanne heraus, die die Kund:innen akzeptieren. Also ein Preisbereich zwischen zu niedrig und zu hoch. Bei Krautreporter haben wir das vor der letzten Preiserhöhung gemacht, und gleichzeitig errechnet, bei welchen Preise in dieser Spanne der Gesamtumsatz am höchsten sein würde. Das kam heraus:

Die Zahlungsbereitschaft lag also zwischen 7 und 10 Euro. Bei einem höheren Preis wäre unser Umsatz durch zu viele Kündigungen gesunken. Also haben wir die niedrigsten Jahresmitgliedschaften von 5 auf 7 Euro erhöht.   

https://twitter.com/medieninsider/status/1572211725725798402 (Öffnet in neuem Fenster)

Medieninsider erhöht gleich von 9,90 Euro auf 17 Euro. Ein ziemlicher Whopper. Es kann gut sein, dass die Medieninsider-Leser:innen bereit sind, ein Drittel (oder gar zwei Drittel bei den "Junior"-Paketen) mehr zu bezahlen, denn es handelt sich ja um eine Fachpublikation. Ein Abo lässt sich also als berufliche Ausgabe rechtfertigen, von der Steuer absetzen, und möglicherweise zahlt sogar der Arbeitgeber. Hier stellt sich mir noch die Frage, ob es dann nicht noch weiter nach oben gehen sollte. Allerdings fände ich es sinnvoll, schrittweise vorzugehen, falls noch höhere Preise durchsetzbar wären.

Es kann natürlich passieren, dass hinterher durch weniger, aber teurere Abos weniger Geld übrig bleibt. Medieninsider geht hier ein ziemliches Risiko ein – und ich finde, man merkt der Kommunikation dieser Preisänderung darum eine gewisse Nervosität an.

Wie man höhere Preise besser nicht kommuniziert

Ich fasse mal die Änderungen zusammen: 

Statt drei Paketen (4,90/9,90/14,90) gibt es ab Oktober nur noch eines (17 Euro). Bestehende Kunden zahlen in sechs Monaten dann 15 Euro (13 Prozent Beschwichtigungsrabatt). 

Das wäre eigentlich alles.

Und das hier ist der Artikel, mit dem Medieninsider die Preiserhöhung ankündigt (Öffnet in neuem Fenster)und begründet.

Ich habe mal gelesen, wie ein britischer Zuschauer einen "Tatort" beschrieben hat. Man hätte ihm Adrenalin in den Augapfel injizieren müssen, um ein Einschlafen zu verhindern, meinte der. So ähnlich geht es mit mir dieser Ankündigung. Sie ist sehr lang! Es steht sehr viel drin!! Und ich verstehe Bahnhof!!!

Es würde mich wundern, wenn viele Leute unten auf der Seite angekommen sind, ohne vorher aufzugeben. Zum Text auf der Seite kommt noch eine ähnlich lange  E-Mail (Öffnet in neuem Fenster) und eine Social-Media-Kampagne auf Linkedin (Öffnet in neuem Fenster), Linkedin (Öffnet in neuem Fenster) und Twitter (Öffnet in neuem Fenster), Twitter (Öffnet in neuem Fenster), Twitter (Öffnet in neuem Fenster). Mich interessiert aber gar nicht, wie die Diskussion über höhere Preise verlief, ich arbeite nicht bei Medieninsider. Ich will nur verstehen, was Sache ist. Und das tue ich nicht.

Äh?

Ich unterstelle keine Absicht – nach dem Motto: "bestätigen sie hier, dass sie die AGB gelesen haben". Es wirkt auf mich eher, als ob Medieninsider ein verdächtig schlechtes Gewissen hat und mit Ärger rechnet. So defensiv kommuniziert jemand, der denkt, etwas überteuert zu verkaufen. Das macht mich misstrauisch.

Wie man die höheren Preise besser kommunizieren könnte

Ich sehe keinen Grund, die Änderung öffentlich zu kommunizieren.

  • Wer sich für ein Medieninsider-Abo interessiert, geht auf die Abo-Seite und sieht ein 17-Euro-Paket. Sehr wahrscheinlich kann sich die Person nicht erinnern, wie die Preise früher mal waren. Falls doch, wird sie schulterzuckend überlegen, ob ihr ein Abo diesen Preis wert ist und dann entscheiden. Der alte Preis ist egal. So jemanden auf höhere Preise aufmerksam zu machen, ist unnötig und wahrscheinlich schädlich.

  • Wer bereits Medieninsider-Abonnent:in ist, möchte darüber persönlich und transparent informiert werden, also in einer E-Mail. Was ändert sich? Wie komme ich raus? Was sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen?Bei Twitter, Linkedin und auf der Webseite fühle ich mich gar nicht angesprochen, das wirkt eher wie eine Pressemitteilung an mir vorbei. Das ist eine Einladung an alle Abonnenten zu einem Shitstorm – oder zum Kündigen.

  • Bleibt ein drittes Segment, und das scheint mir der eigentliche Adressat der Medieninsider-Kommunikation zu sein: Leute, die überlegen, ein Abo abzuschließen, aber noch einen letzten Schubs brauchen. Schnäppchenjäger also. Die sollen dazu gebracht werden, sich jetzt noch schnell ein Jahresabo zum alten Preis zu kaufen. Das ist aber so, als ob man mit einer Schrotflinte mit verbundenen Augen in die Luft schießen würde, um Enten zu jagen. Besser wäre es gewesen, auch dieses Angebot nur per E-Mail zu verschicken. Denn die öffentliche Kommunikation alarmiert die beiden anderen – sehr viel wichtigeren – Segmente. 

Es fehlt: ein guter Grund

Mein größtes Problem mit der Preiserhöhung ist aber, dass ich sie nicht so wirklich verstehe. Ob ich den höheren Preis gerechtfertigt finde, hängt davon ab, ob ich die Begründung nachvollziehen kann, also ob auch der Wert für mich steigt. Hierzu findet sich folgende Passage im Artikel. "Weshalb das Ganze? Die kurze Antwort lautet: Um Medieninsider noch besser zu machen."

Hm, ich bin eigentlich zufrieden, und was heißt das überhaupt? Was habe ich ganz konkret davon? Nach einigem Hin- und Her versteht man, dass künftig alle Abonnent:innen an Zoom-Calls und öffentlichen Interviews teilnehmen dürfen. Das interessiert mich aber gar nicht, denn ich bin in der stressigen Medienbranche tätig und habe ohnehin zu viele Zoom-Calls mit großkopferten Wichtigmenschen. Dafür soll ich statt 5 Euro zukünftig 17 Euro zahlen? 🤬

Hier ein paar Ideen, welche anderen oder zusätzlichen Services eine Preiserhöhung rechtfertigen könnten (dazu müsste man aber die User befragen):

  • Ein SMS-Service zu Breaking News in den Medien

  • Exklusive Recherchen 30 Minuten früher per E-Mail bekommen

  • Stellenanzeigen früher bekommen als Nicht-Abonnent:innen

  • Seminarangebote, Partnerrabatte, kostenlose Probeabos anderer Medien

Idealerweise etwas, das zum Kern-Wertversprechen, der Mission von Medieninsider passt: exklusive Branchen-News.

Ich kann mir denken, wie dieser Mangel an Klarheit und User-Perspektive zustande kommt, denn mir ist häufig schon das Gleiche passiert. Man steckt so bis zum Hals im eigenen Projekt, den vielen Herausforderungen und Gefahren, man verstrickt sich so in Hypothesen und Debatten, dass es kaum noch gelingt, von außen auf das Angebot zu blicken. Nur ist dieser Blick – der von potenziellen Kund:innen – der einzig entscheidende. 

Eine Katastrophe ist diese Preiserhöhung allerdings auch nicht. Ich denke, das viele Vertrauen und Wohlwollen, das die journalistische Arbeit von Medieninsider geschaffen hat, wird eine Trotzreaktion der Abonnent:innen verhindern. Ich persönlich finde 17 Euro nicht zu teuer für guten Medienjournalismus (hallo, Übermedien (Öffnet in neuem Fenster), wollt ihr nicht langsam mal die Preise erhöhen?).

Ich schätze aber, dass die meisten Abonnent:innen auch mit folgender E-Mail gut hätten leben können: "Leute, ganz ehrlich: Wir brauchen mehr Budget. Darum steigt unser Preis auf 17 Euro. Bitte bleibt dabei. Sonst könnt ihr hier kündigen."

Zu guter Letzt: Hier kannst du ein Medieninsider-Abo testen (Öffnet in neuem Fenster). Es ist erst eine Weile billiger, dann zwar teurer, aber nicht ganz so teuer … so irgendwie. Ich kann es jedenfalls empfehlen, also: 

Bis nächsten Montag!    
👋 Sebastian

PS:

💶 In den kommenden sechs Wochen ist der Sponsoring-Platz bei Blaupause noch frei. Interesse? Hier stehen Preise und Details. (Öffnet in neuem Fenster) 

🙏 Vielen Dank an Katrin, die neues Blaupause-Mitglied (Öffnet in neuem Fenster) geworden ist. Herzlich willkommen!

🎁 Tipp: Im "Medien-Innovationsreport 2022" der Wiener Zeitungsgruppe (Öffnet in neuem Fenster) stehen ungewöhnlich interessante Dinge drin, auch für nicht Medienmenschen. Auf Seite 58 hat der Kollege Gerhard Meszaros einen Artikel über Memberships (und mich) geschrieben, die Blaupause kommt auch vor.

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Kategorie Preise

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