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Männergold und Frauengold!

Von Hasnain Kazim - Rückschritte / Buchhandlung / Küchen der Welt / Lesetipp

Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Woche schrieb mir eine Leserin, ob ich denn gar nichts “zum politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Rückschritt zu sagen” hätte, “den wir auf der ganzen Welt erleben”.

Hm. Ein paar unzusammenhängende Gedanken dazu:

Ich habe, ebenfalls diese Woche, eine Fernsehwerbung aus den Fünfzigerjahren entdeckt: für “Frauengold”, ein in Deutschland damals und bis in die Siebziger hinein beliebtes Tonikum, Zielgruppe: Frauen in den Wechseljahren. Es wurde als beruhigendes, stimmungsaufhellendes Mittel “gegen Wechseljahresbeschwerden, Reizbarkeit oder Nervosität” beworben, habe ich gelesen. Es bestand aus rund 15 Prozent - die Angaben schwanken zwischen 14,5 und 17 Prozent - Alkohol, außerdem Auszüge aus diversen Kräutern, darunter Baldrian.

In der Werbung erlebt man zwei Frauen, die sich ziemlich gekünstelt aufregen, und dann sagt eine Frauen Stimme aus dem Off: “Hallo! Frauengold nehmen!” In einem dritten Fall bittet eine Frau, die zuvor offensichtlich einen großen Schluck aus der Flasche genommen hat, ihren Chef, den “Herrn Direktor”, untertänigst um Entschuldigung. “Es war mein Fehler”, sagt sie. “Ja, Frauengold nehmen - und man kann über den Dingen stehen und objektiver urteilen!”, sagt zuvor eine Männerstimme.

https://youtu.be/rgYMu6MyF6s?si=AHAecGVm9CU28MC1 (Öffnet in neuem Fenster)

Also, wenn ich das sehe, finde ich, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten einiges besser geworden ist.

Aber im Ernst: Klar, es gibt einige politische Entwicklungen, die ich heute als Rückschritt kritisieren würde. Allerdings sehe ich nicht “den großen Rückschritt” in allen Bereichen.

Nehmen wir die USA, die immer wieder als Beispiel genannt werden. Die Schikane und die Festnahme von Journalisten, die kritisch über Trump oder die aus Sicht Trumps falsche Sicht zum Thema Israel/Palästina schreiben, finde ich höchst bedenklich. Die Abschiebung von Menschen, die sich rechtmäßig in den USA aufhalten. Die mittlerweile nicht mehr vorbildliche Unabhängigkeit des Supreme Courts ebenso. Und das Missachten von Urteilen. Auch, dass Freiheiten vor allem dann geltend gemacht werden, wenn es um die Freiheit Trumps und seiner Buddys geht, Geschäfte zu machen.

Aber dennoch bin ich überzeugt, dass die Demokratie in den USA stark genug ist, auch mit diesem Typen fertig zu werden. Es wird Zeit kosten und weitere Leidensfähigkeit erfordern, aber ich sehe nicht “die Demokratie in Gefahr”. Jemand sagte mir diese Woche, die USA seien “keine Demokratie mehr”; ich halte diese Aussage, bei aller berechtigten Kritik an der jetzigen US-Regierung, für Unsinn.

Und, man muss es leider sagen, in manchen Dingen hat er ja recht, schießt aber weit übers Ziel hinaus. Nehmen wir Harvard und das Vorgehen gegen diese Universität: Trump hasst Eliteuniversitäten. Er macht nun ausländischen Studenten das Leben schwer (die der Uni Geld bringen), er erschwert die Arbeit der Universität, er streicht Fördergelder. Die Begründung lautet, die Universität nenne nicht die Namen derer, die an “pro-palästinensischen Demonstrationen” teilgenommen hätten.

Ich finde das Vorgehen der Regierung völlig überzogen. Mein Eindruck ist, dass es ihm nicht um das Ziel geht, das Problem zu lösen, sondern dass er systematisch diese Universität (und andere) fertigmachen will. Was die Problemlösung angeht, wird jedenfalls, wie das Sprichwort heißt, “das Kind mit dem Bade ausgeschüttet”. (Das kommt übrigens aus einer Zeit, als mehrere Leute hintereinander in derselben Zink- oder Holzwanne badeten, weil warmes Wasser kostbar war; am Ende war das Wasser so schmutzig, dass man leicht etwas übersehen konnte, eben auch ein Kind, das man dann aus Versehen mitausschüttete; aber das nur am Rande.)

Die Kritik an der Uni aber - Verharmlosung von Antisemitismus - teile ich inhaltlich. So wie ich auch die Kritik an diversen - vor allem: Berliner - Universitäten in Deutschland teile, wo Gewaltaufrufe und Mordfantasien im Kleide des “Protests” daherkommen und dann auch noch allen Ernstes “Meinungsfreiheit” und “Wissenschaftsfreiheit” dafür eingefordert wird. “Keine Toleranz für Intoleranz”, eine Formulierung, die ich regelmäßig bemühe, gilt natürlich nicht nur in eine politische Richtung.

Was Harvard angeht, habe ich nicht vergessen, dass die ehemalige Universitätspräsidentin Claudine Gay, inzwischen zurückgetreten (Öffnet in neuem Fenster), auf die Frage, ob Studenten auf dem Campus zum “Völkermord an Juden” aufriefen (denn ja, das taten sie), gegen die Verhaltensregeln der Universität verstießen: “Es hängt vom Kontext ab.” Die Frage hatte eine ziemlich rechte republikanische Abgeordnete bei einer Anhörung gestellt; das macht diese Frage aber nicht weniger berechtigt und die Antwort nicht weniger empörend.

Mir fallen noch Dutzende Sachen ein, auch in Deutschland, zu Sprache, zum Umgang miteinander, zu politischen Entscheidungen, die ich zum Teil drüber, zum Teil gut finde, denn menschliche Entwicklungen verlaufen ja nie geradlinig, sondern oft in einer Pendelbewegung. Manches mag zu schnell vorangeschritten sein, das pendelt sich nun wieder etwas weiter in der Mitte ein.

Also kurze Antwort zum Thema “Rückschritte”: Es gibt Entwicklungen, die ich als solche bezeichnen würde. Anderes würde ich eher als Kurskorrekturen bezeichnen, die ich gut finde. In das allgemeine Klagen über einen großen Rückschritt stimme ich nicht mit ein, weil ich ihn nicht sehe. Was aber nicht heißt, dass mir manche Dinge Sorge bereiten und man wachsam bleiben muss.

So, und nun: Männergold trinken!

Schöne, alte Buchhandlung

In einem alten Buch, das mir diese Woche in die Hände fiel, steckte dieses Lesezeichen von der “M. Mora Salzburg Buch- Kunst- und Musikalienhandlung”. Auf der Rückseite steht: “Suchen Sie uns bitte unverbindlich auf und informieren Sie sich zwanglos. Aus reichem Vorrat, bei guter Beratung, findet sich leicht das richtige Buch.”

Wunderbar!

Die Buchhandlung “M. Mora”, habe ich herausgefunden, existiert leider nicht mehr. Sie wurde 1908 gegründet und galt über Jahrzehnte als traditionsreiches Geschäft in der Salzburger Altstadt. 2010 schloss die Buchhandlung, leider.

Tipp: Unverbindlich eine Buchhandlung aufsuchen, sich zwanglos informieren und bei reichem Vorrat und guter Beratung das richtige Buch für die nächsten Tage finden!

Küchen der Welt

Mein Sohn fragt mich: “Wenn du nur noch Essen aus einem Land bekommen könntest, welches wäre das? Und was sind deine zehn Lieblingsküchen?” Wir haben festgestellt, dass wir, was das Kulinarische angeht, teils sehr unterschiedliche Geschmäcker haben.

Hier meine Antwort:

  1. China (Ich weiß, das Land ist riesig, die Küchen sehr unterschiedlich, ich meine vor allem die Sichuan-Küche)

  2. Thailand

  3. Indien/Pakistan (Das ist bei uns, aus gegebenen Gründen, Standardküche, auch wenn ich in Österreich lebe; und ich meine die nordindische Küche, nicht diesen südindischen Idli-Dhosa-Kram.)

  4. Japan

  5. Korea

  6. Griechenland

  7. Frankreich

  8. Italien

  9. Iran

  10. Österreich

Natürlich schwankt das hin und wieder, gibt es Änderungen und Neuzugänge. Aber im Großen und Ganzen passt das so. Bei meinem Sohn ist Italien viel weiter vorne, außerdem finden sich auf seiner Liste Länder, die bei mir nicht unter den Top Ten auftauchen. USA, Mexiko und Vietnam zum Beispiel.

Ich habe mir vorgenommen, in der nächsten Zeit mal Küchen von Ländern zu kosten, die ich noch nicht kenne. Äthiopische Küche habe ich neulich probiert, das war schon vielversprechend.

P. S.: Die Möglichkeit zu haben, Essen aus unterschiedlichen Ländern probieren zu können, sogar ohne den eigenen Wohnort verlassen zu müssen, ist ein großer Luxus, den ich sehr zu schätzen weiß.

Lesetipp

Das Buch gibt es schon ein paar Wochen und es stand auch schon ganz oben in der Bestsellerliste. Wer sich für den Konflikt Russland-Ukraine interessiert, dieses Buch aber noch nicht gelesen hat, dem lege ich “Wenn Russland gewinnt” ans Herz.

Der Politikwissenschaftler Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München hat ein Szenario geschrieben, in dem er beschreibt, wie Russland diesen seit mehr als drei Jahren andauernden Krieg gewinnt. Er springt dabei in die Zukunft, logisch. Natürlich kann man das als “unwissenschaftlich” kritisieren und den Vorwurf anbringen, es werde doch alles ganz anders kommen. Klar. Aber ein Szenario dient ja dazu, einen Sachverhalt zu durchdenken und damit sein Bild zu schärfen. Es ist ein Gedankenspiel, und ich finde, es ist eine lohnende Lektüre und zudem verständlich auch für Menschen, die mit Politikwissenschaft nichts am Hut haben.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme erste Juniwoche!

Herzliche Grüße aus Wien, Servus und Baba,

Ihr Hasnain Kazim

P. S.: Um die “Erbaulichen Unterredungen” zu schreiben, halte ich mir die Zeit dafür von anderen Aufträgen frei. Ich freue mich, wenn Sie das durch eine Mitgliedschaft weiterhin möglich machen!

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