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Hasardeure, gescheiterte Wahlen und verräterische Worte

Von Hasnain Kazim - Kanzler und Papst / Üble Zitate / Margot Friedländer / Frau Dr. Bohne

Liebe Leserin, lieber Leser,

nachdem ich diese Woche mit meinem Vorhaben gescheitert bin, Bundeskanzler oder Papst zu werden (ich bin ja noch jung, vielleicht wird das noch was), freue ich mich auf ein ruhiges Wochenende.

Aber im Ernst: Was war das für eine Woche! Erst scheitert Friedrich Merz bei der Wahl zum Kanzler im ersten Durchgang, was noch nie in Deutschland passiert ist. Nun ist es das Recht der Abgeordneten, frei und geheim zu wählen, aber es ist mein Recht zu sagen: Was für Hasardeure! Wie leichtfertig und ohne Rücksicht auf Verluste kann man Demokratie beschädigen, wie sehr seiner Verantwortung nicht gerecht werden? Wenn man etwas gegen diese Regierung, gegen diesen Kanzler oder auch gegen den Vizekanzler hat, hätte man das ja in den Koalitionsverhandlungen auf den Tisch legen können. Oder wenigstens bei der Probeabstimmung. Aber so?

Dann: die Papstwahl. Ich bin zwar evangelisch sozialisierter Konfessionsloser mit schiitischen Wurzeln, der durchaus an einen Gott glaubt, aber die Papstwahl finde ich jedes Mal bewegend. Ich freue mich immer mit den Gläubigen und kann das Faszinierende an dem Ganzen nachempfinden. Es ist nicht die Show allein, ich finde, davon geht schon noch sehr viel mehr aus. Dass die ersten Worte des neuen Papstes an die Weltöffentlichkeit “Friede sei mit euch!” waren, also: “Asalam Aleikum!”, das finde ich gut.

Leo XIV. ist der sechste Papst zu meinen Lebzeiten. Von Papst Paul VI. habe ich nichts mitbekommen, ich war vier, als er starb. Papst Johannes Paul I. war ja nur 33 Tage im Amt und starb dann, angeblich an einem Herzinfarkt, es ranken sich aber verschiedene (Verschwörungs-)Theorien um seinen Tod. Papst Johannes Paul II. war für mich das als Papst, was Helmut Kohl als Bundeskanzler war: ewig im Amt, meine ganze Kindheit und Jugend. Anschließend Benedikt XVI., kennen wir ja alle, da waren “wir” Papst, darauf Franziskus, nun Leo XIV.

Den finde ich auf den ersten Blick sympathisch. Dass er lobende Worte aus allen Richtungen bekommt, von Konservativen wie von Progressiven innerhalb der Kirche ebenso wie von Trump und von Trump-Gegnern, und dass er irgendwie im Sinne Franziskus’ weitermacht und sich modemäßig, wenn man denn hier von Catholic Fashion sprechen kann, äußerlich doch eher an Benedikt XVI. orientiert, das ist ganz vielversprechend: versöhnen statt spalten.

Zuschriften zum “AfD”-Verbot

Zum möglichen “AfD”-Verbot habe ich diese Woche von Ihnen sehr viele Zuschriften bekommen, in unterschiedliche Richtungen argumentierend. Vielen Dank dafür! Meine Argumentation und - etwas indifferente - Haltung habe ich vergangene Woche schon beschrieben, Sie können sie hier nachlesen (Öffnet in neuem Fenster). Als Nachtrag möchte ich nur noch einige Aussagen zitieren.

Der “AfD”-Bundestagsabgeordnete Enrico Komning sagte einmal: “Parlamentarischer Staat oder wie auch immer diese Demokratie heißt, die wollen wir ja aber gar nicht. Die wollen wir doch abschaffen.” (Öffnet in neuem Fenster) Später versuchte er, sich da herauszureden. Seine Rede sei ohne sein Wissen mitgeschnitten worden, außerdem sei das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen, und er habe es doch ganz anders gemeint. Aha.

“Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.” Und: “Ich bin so voller Hass. Die Belästigungen werden auch immer mehr. Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet.” Das sagte Marcel Grauf, ehemaliger Mitarbeiter der früheren baden-württembergischen “AfD”-Landtags- und heutigen Bundestagsabgeordneten Christina Baum.

“Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns gegebenenfalls anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren, aber wenn wir endlich so weit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand… Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.” Das ist eine Äußerung von Holger Arppe, viele Jahre führender “AfD”-Politiker in Mecklenburg-Vorpommern. Immerhin wurde er, nach diversen Ausfällen, aus der Partei ausgeschlossen.

Ich verzichte auf Zitate von Björn Höcke, der in seinem Buch “Nie zweimal in denselben Fluss” genau beschreibt, wie er sich seine ach so deutsche Zukunft vorstellt.

Adolf Hitler soll mal gesagt haben: “Ich habe die Demokratie mit ihren eigenen Regeln zur Strecke gebracht.“ Und Joseph Goebbels kündigte am 30. April 1928 im “Völkischen Beobachter” an: “Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichtstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen Unterstützung lahmzulegen. (…) Wenn es uns gelingt, bei diesen Wahlen sechzig oder siebzig Agitatoren unserer Partei in die verschiedenen Parlamente hineinzustecken, so wird der Staat selbst in Zukunft unseren Kampfapparat ausstatten und besolden. Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir!”

Tja, Höcke sprach auch mal von Wolf und Schaf. (Öffnet in neuem Fenster) Hatte der Geschichtslehrer da - mal wieder - völlig vergessen, auf wessen Formulierungen und Parolen er da zurückgriff?

Am 4. April 1940 schrieb Goebbels jedenfalls: “Bis jetzt ist es uns gelungen, den Gegner über die eigentlichen Ziele Deutschlands im Unklaren zu lassen, genauso wie unsere innenpolitischen Gegner bis 1932 gar nicht gemerkt haben, wohin wir steuerten, dass der Schwur auf die Legalität nur ein Kunstgriff war. (…) Man hat uns gelassen, man hat uns durch die Risikozone ungehindert durchgehen lassen, und wir konnten alle gefährlichen Klippen umschiffen.”

Seien wir wachsam und wehrhaft. Lassen wir uns nicht von Feinden der Demokratie an der Nase herumführen, wer auch immer sie sind. Und seien wir demokratisch, aber nicht naiv.

Bewundernswerte Frau Friedländer

Am Freitag und an diesem Wochenende sah ich im Netz und in den Nachrichten niemanden öfter als Margot Friedländer - zu Recht. Am 9. Mai 2025 ist diese bewundernswerte, starke Frau im Alter von 103 Jahren gestorben. Ausgerechnet am jenem Tag, an dem ihr das Große Verdienstkreuz von Bundespräsident Steinmeier überreicht werden sollte, das er ihr zuvor schon verliehen hatte.

Zu Friedländer ist viel gesagt und geschrieben worden. Ich möchte aber noch einmal sie selbst zitieren, mit Worten, die zeigen, warum diese Frau so groß und großartig war, nämlich eine Frau, die alles, wirklich alles verloren hatte durch die Hand der Nationalsozialisten, ihre gesamte Familie, ihr Hab und Gut, ihr bisheriges Leben. Sie war die einzige in ihrere Familie, die überlebt hatte. Und dann kommt sie nach vielen, vielen Jahren in den USA zurück nach Deutschland, ohne Bitterkeit, ohne Wut, ohne Hass, und redet. Sie redet mit allen, vor allem aber mit jungen Menschen - und ist ein Vorbild in Sachen Versöhnung und Vergebung und Menschlichkeit.

Vergangenes Jahr sagte sie: “Ihr müsst Menschen respektieren. Ihr könnt nicht alle Menschen lieben. Aber respektieren heißt, sie kommen auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Sie haben dasselbe Blut wie wir alle. Es gibt kein christliches, kein jüdisches, kein muslimisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut. Lasst euch nicht etwas anderes einreden und vormachen. Menschen sind verschieden. Es kommt auch darauf an, wie sie, wie die Eltern und wie ihre Erziehung ist. Aber sie sind Menschen.”

Und immer wieder: “Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dafür, dass es nicht wieder geschieht.”

Und, ein drittes Zitat, noch vor drei Tagen las sie auf der Bühne: “Ich hatte überlebt, aber nichts war mehr so wie vorher. Hinter mir lag meine Vergangenheit, von der mir nur ein paar Fotos, ein paar Kleider, ein kleines Adressbuch und eine Bernsteinkette verblieben waren. Vor mir lag das Nichts. So ging es allen. Wir waren die Übriggebliebenen für euch. Bitte seid Mensch. Das, was ich euch bitte zu tun, seid Mensch. Danke.”

Möge Margot Friedländer in Frieden ruhen und mögen ihre Worte in uns weiterleben und wirken.

Die Arbeit mit Frau Dr. Bohne

In Vergangenheit haben mir einige Menschen geschrieben, dass die Bilder und die Nachrichten von Frau Dr. Bohne in den sozialen Medien sie dazu gebracht hätten, darüber nachzudenken, sich ebenfalls einen Hund zuzulegen. Ob das viel Arbeit sei, so ein Tier, werde ich oft gefragt. Und ob es viel koste.

Also, Frau Dr. Bohne lebt seit bald drei Jahren bei uns. Als sie zu uns kam, war sie schätzungsweise ein Jahr alt, jemand hatte diesen ausgesetzten Hund gefunden und ins TierQuartier Wien, das Wiener Tierheim, gebracht. Dort stießen wir auf sie, und alles Weitere ist eine große Liebesgeschichte.

Die Mitarbeiterinnen des Tierheims hatten sie jedenfalls Bohne genannt, wir behielten den Namen bei, aber da man in Österreich im Allgemeinen und in Wien im Besonderen auf Titel großen Wert legt, bekam sie eben einen Doktortitel dazu: Frau Dr. Bohne.

Frau Dr. Bohne: "Schenkung der Stadt Wien" - und Geschenk des Himmels.

Ich hatte mir schon immer einen Hund gewünscht, aber meine Eltern erlaubten es nicht (aus durchaus nachvollziehbaren Gründen; die Arbeit bleibt schon an den Erwachsenen hängen, auch wenn das Kind noch so oft verspricht, es werde sich kümmern), und später passte es aus beruflichen Gründen nicht, weil ich viel zu oft unterwegs war. Gleichwohl kannte ich immer und überall die Angebote der örtlichen Tierheime und Züchter, ob in Heilbronn, Hamburg, Islamabad oder Istanbul. Aber erst in Wien passte es.

In Corona-Zeiten, als plötzlich sehr viele Menschen einen Hund haben wollten, schossen die Preise in die Höhe. Manche Züchter verlangen 2000 Euro für einen Welpen, andere sogar 3000 und noch mehr. Hundezucht ist gewiss teuer, das Futter, die tierärztliche Betreuung, die Erstausstattung. Aber manche Preise sind schon absurd. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, ob er bereit ist, so viel Geld auszugeben.

Im Tierheim oder auch bei diversen Vereinen, viele seriös, manche nicht, zahlt man eher eine symbolische Gebühr für Futter und Tierarztkosten. Ich habe für Böhnchen 250 Euro gezahlt. Offiziell ist sie eine “Schenkung der Stadt Wien” an mich. Allein dafür werde ich Wien immer lieben!

Am Anfang ist es, wie bei vielem, teuer, weil es diverser Investitionen bedarf: Leine(n), Halsband, Hundegeschirr, Näpfe, Bettchen, davon vielleicht auch zwei oder drei, je nach dem, wo der Hund sich tagsüber aufhalten soll, und Hunde schlafen viel!, Bürste, Trimmer, das eine oder andere Spielzeug. Futter natürlich. Und Tierarztkosten für erste Impfungen und Untersuchungen. Hundesteuer. Wien verlangt eine “Hundeabgabe” in Höhe von 70 Euro jährlich, dafür gibt es tolle Hundezonen und überall in der Stadt Spender mit “Sackerl fürs Gackerl”, so heißt es hier wirklich.

Laufende Kosten sind dann eigentlich vor allem Hundefutter, da kann man von sehr billig bis sehr teuer alles haben. Wir mussten ein wenig herumexperimentieren, da Böhnchen zwar sehr gerne alles frisst, aber nicht alles verträgt. Sie bekommt eine Mischung aus Nass- und Trockenfutter, wir kommen da auf etwa 45 Euro im Monat und kaufen mittelpreisig ein. Klar ist natürlich auch: Kleine Hunde, kleine Portionen, große Hunde, große Portionen… Tierarztkosten sind hoch, aber - bei uns: zum Glück! - selten. Einmal im Jahr zur Untersuchung, Impfung et cetera.

Ob ein Hund viel Arbeit macht? Ach, was soll ich dazu sagen? Was man mit Vergnügen macht, empfindet man ja nicht als Arbeit, aber für jeden ist Vergnügen etwas anderes. Für meinen Vater war Gartenarbeit Entspannung. Für mich wäre das: Arbeit. Und so ist das auch mit dem Hund: Ich empfinde die meisten Dinge, die in diesem Zusammenhang zu tun sind, nicht als Arbeit, weder das Füttern (und das Einkaufen des Futters), noch die Fellpflege noch die täglichen - bei uns mal ausgedehnten, mal kurzen vier - Gassirunden. Klar, wenn es wie aus Eimern schüttet oder eisig kalt und windig ist, sage ich nicht: Juhuu, endlich wieder raus! Böhnchen mag das dann übrigens auch nicht. Aber alles in allem macht es: Freude.

Überhaupt ist für mich dieser Hund eine unglaubliche Freude, eine Bereicherung, einfach beglückend! Sie hat immer gute Laune, macht einem gute Laune, freut sich mit einem, ist eine wahre Begleiterin. Klar, manches ist schwierig: Sie muss in ihrem Vorleben schlechte Erfahrungen mit anderen Hunden gemacht haben, jedenfalls sind Begegnungen mit anderen Hunden ganz kompliziert. Impulskontrolle war lange Zeit nicht ihr Ding, das wird mit entsprechenden Übungen aber besser. Auch solche Übungen und Trainings mögen für manche Arbeit sein - mir macht das Spaß. Und noch ein Minuspunkt: Das Unterwegssein und Reisen ist jetzt natürlich etwas komplizierter.

Ich für mich kann sagen: Es ist all das wert. Aber ich kann nichts allgemeingültig raten. Für den einen mag diese Arbeit echte Arbeit sein, für die andere der reine Müßiggang. Manch eine mag mit den Einschränkungen, was Mobilität und Verreisen angeht, klarkommen, manch einer wird das als Riesenhürde sehen.

Eine gute Möglichkeit, etwas zu lernen über sich und Hundehaltung, ist, im Freundeskreis anzubieten, einen Hund zum Beispiel während der Urlaubszeit zu betreuen. Oder mal im örtlichen Tierheim eine Patenschaft zu übernehmen, manche bieten das nämlich an, da kann man dann Gassirunden übernehmen. Vielleicht entsteht auf diese Weise auch eine große Lovestory.

Es kamen noch Bitten um Büchertipps, Kochrezepte und mehr Infos zu Schreibgeräten… Werde das immer mal wieder berücksichtigen, versprochen!

Ich wünsche Ihnen eine schöne Woche!

Herzliche Grüße aus Wien,

Ihr Hasnain Kazim

P. S.: Zum Glück hat es diese Woche weder mit der Bundeskanzler- noch mit der Papstwahl geklappt, sonst hätte ich die “Erbaulichen Unterredungen” jetzt aus zeitlichen Gründen einstellen müssen. Um mir die Zeit zum Schreiben weiterhin freihalten zu können, freue ich mich, wenn Sie das mit einer Mitgliedschaft ermöglichen. Vielleicht schaffte ich es ja doch noch in ein paar Jahren, das mit dem Kanzler oder mit dem Papst, dann können Sie sagen: ‘Ich hab ihn schon damals unterstützt, als er sich noch chancenlos bemühte!’

P. P. S. (Sonntag, 11. Mai 2025): Nach der Veröffentlichung dieser Ausgabe schreibt mir eine Leserin, sie habe sich hier auch ein paar “Aussagen zum Konflikt zwischen Indien und Pakistan erhofft”. Das stimmt, dazu hätte ich natürlich auch noch etwas schreiben können. Wen meine Sicht auf dieses Thema interessiert: Hier habe ich dazu etwas geschrieben. (Öffnet in neuem Fenster))

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