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Kommentar: Was aus einem Sandwich zu lernen war

Das bekannt gewordene Foto, auf dem Greta Thunberg lächelnd ein Sandwich von den IDF bekommt. Mit der Bildbeschriftung "U.M. Bild des Jahres".

Ich wurde gebeten, meinen heutigen Kommentar von der Facebook Fanpage und X hier nochmal barrierefrei bereitzustellen.

Der große Spielplatz auf der anderen Straßenseite konnte es nicht sein. Der, auf dem wir zwar nicht spielten, aber neben dem wir auf dem Dach der ewig nach Pisse stinkenden Tiefgarage Fußball zockten. Er war viel zu offen.
Der kleine Spielplatz hinter dem einen Haus unserer Straße, auf dem nie ein Kind gespielt hatte, halb überwuchert und außerhalb unserer Straße gänzlich unbekannt, erschien uns verwegen und verschwörerisch genug. Dort wollten wir unseren Club gründen.

Nun, eigentlich keinen Club, sondern eine Bande. Eine gefährliche Bande. Aber sie als Club zu bezeichnen hatte dieses gewisse Understatement.
Der Straßenname plus einen Spitznamen waren immer gut. Berliner Bomber oder Langford Loser, das waren gefährliche Namen von gefährlichen Banden. Dummerweise gab eine Straße, die nach dem Forschungsreisenden Alexander von Humboldt benannt war, irgendwie wenig Gefährliches her. Das war einzusehen.
Außerdem wussten wir instinktiv, dass Spitznamen, die man sich selber gab, irgendwie aufgesetzt wirkten. Aber darüber sprach niemand laut.

Wir brauchten eine Bande. Die Kinder anderer Straßenzüge hatten auch eine. Dachten wir. Dachten die sicher auch von uns.
Natürlich kannte jeder von uns die drei Fragezeichen, TKKG und John Sinclair. Nicht, dass wir gedacht hätten, jemals Kriminalfälle zu lösen. Es waren gute Orientierungspunkte. Die meisten kannten auch Enid Blytons Fünf Freunde. Aber die hatten ja nicht einmal einen gefährlichen Namen.

Nun sitz ich hier, bin etabliert, und schreib auf teurem Papier. Jahrzehnte später.
Irgendwie ist das mit der Bande im Sand verlaufen. Vermutlich hat es einfach am Sinn gefehlt.
Denn, seien wir ehrlich, man braucht keine gefährliche Bande um Risiko oder mit kleinen Soldaten zu spielen. In einem unausgesprochenen Einvernehmen deckten wir den Mantel des Schweigens über den Versuch.

Kinder müssen so etwas tun. Es dient der Lernerfahrung und Sozialisation. Dinge wie soziale Gruppen, Hierarchien, Handlung und Konsequenz, Konfliktlösungsstrategien, Selbstwirksamkeitserwartung und sozial akzeptierte Aggression müssen geübt werden. Und die Erkenntnis, dass Alexander von Humboldt nun wirklich so gar nichts Gefährliches hatte.
Es gehört zum Erwachsenwerden jedes Rudeltieres.

Daran fühlte ich mich erinnert, als ich in der Nacht das Video der Crew der Marleen sah.
Ich sah einen Haufen von Kindern, die spielen.

Die wild durcheinanderreden, völlig planlos und heillos überfordert. Die allen Ernstes ihre Handys ins Wasser werfen, ohne darüber nachzudenken, dass Mossad und Shin Bet längst alles Interessante darauf haben könnten, wenn es Interessantes gäbe. Ohne Hierarchien, ohne einen, der Anweisungen gibt. Eine kramt noch in ihren Taschen, einer filmt, einer nimmt die Hände hoch und wieder runter, bis andere die Hände hochnehmen.

Mir kann keiner erzählen, dass diese Dudes jemals ernsthaft glaubten, in Gefahr zu sein.

Die gefährlichen Selfie-Segler, die sich allen Ernstes eingeredet haben, einen Staat in einem Krieg herausfordern zu können. Einen Staat, der seit seinem Bestehen existentiell bedroht ist. Einen Staat, der selbst der parteiischen UN den Mittelfinger zeigt. Einen Staat, der den Bildern der Demonstrationen von friedensverwahrlosten Kindern weltweit standhalten muss, ausgestattet mit der kulturangeeigneten Kufiya. Einen Staat, der sich alleine gelassen fühlen muss, weil ausreichend Menschen die Rechte der Angreifer wichtiger sind, als seine Sicherheit.

Einen Staat, der gar nicht anders kann. Weil es der einzige Ort auf der Welt für viele ist, sich die Hoffnung erhalten zu können, jemals in Frieden leben zu können.
Israel ist kein Staat. Es ist ein Versprechen auf Hoffnung.

Ein Club von unreifen Kindern, die sich niemals an den harten Realitäten des Lebens messen mussten, die diesen pädagogischen Prozess nie durchlaufen haben, weil sie nie existentiell bedroht waren. Die Erfolg mit Instagram-Followern verwechseln und Widerstand mit einer ideologischen, engagierten aber nicht allzu gefährlichen Freizeitbeschäftigung. Die sich in Ermangelung einer realistischen Selbstwirksamkeitserwartung eingeredet haben, einen Staat mit einem Pfund Mehl und ein Paar Tampons auf einer Nuckelpinne zum Einlenken zwingen zu können. Die nie erlernt haben zu scheitern.
Existentielle Bedrohung in homöopathischen Dosen, hypererregter Elendstourismus mit Zeitgeist-Vollpension.

Und dann traf sie die Realität. Wie eine Ohrfeige, so hart, dass die Froschmütze sich um 360°dreht.
Noch nie hat ein einzelnes Foto eine PR-Aktion derart demaskiert. Noch nie hat ein Sandwich eine solche, kommunikative Wirkmacht entwickelt.

Israel hat nichts anderes getan, als die selbsternannten Retter mit stoischer Gelassenheit aufs Töpfchen zu setzen. Der Hinweis der Marine-Offizierin, sie könnten ihre Hilfsgüter gerne über die üblichen Wege in den Gazastreifen bringen lassen, ist das Äquivalent zu „Zähne putzen, ab ins Bett“.

Und nach einem Tag Social Media bin ich mir sicher, nur zwei Personengruppen feiern sie dafür ab und faseln weiterhin etwas von „Entführung“ und „illegal“. Diejenigen, für die diese Menschen nützliche Idioten sind, und diejenigen, die ebenfalls nie mit der harten Realität konfrontiert wurden, die sich Leben nennt.

Wenn es noch einen Beweis gebraucht hätte, dass Social Media die Menschen verdummt, dann liegt er jetzt 200km vor der Küste Gazas im Meer.
Ein Kind, das auf eine heiße Herdplatte fasst, hat einen Erfahrungsgewinn. Ein Kind, das eine Herdplatte auf TikTok sieht, nicht.

Deutsche sollten vorsichtig sein damit, Israel Ratschläge zu geben. In diesem Fall will ich es wagen:
Die Füße hochlegen und die entlarvende Wirkung dieser Nummer für sich selber arbeiten lassen.

Und noch ein paar Sandwiches vorbereiten.
Es sind genug Vollidioten da draußen.

Kategorie Medien und Politik

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