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Zwischenruf: Vom Anhaften des Pechs

Hach, das Leben.
Es könnte doch sein wie im Paradies – oder?
Aber irgendetwas vermasselt andauernd den Traum.
Ständig geht was daneben.
Klappt nicht.
Aber – warum nur?

Mit einem Schrei kommen wir auf die Welt.
Kein gutes Omen, oder?
Vielleicht brauchen wir die Tragik, den Schmerz, um Menschen zu sein?
Menschen zu werden?
Vielleicht würde uns ständige Harmonie in den Wahnsinn treiben?
Wer weiß das schon?

"Im Paradies braucht es keine Träume", habe ich mal geschrieben.
Und füge gerne an: "Dann ist's die Hölle".
Wie auch immer, es läuft anders.
Zeit für einen Zwischenruf zum Thema ...

Glück oder Pech – was soll das?

Natürlich erzähle ich stets von dem einen Satz, den ich vor 30 Jahren geprägt habe: „Es gibt weder Glück noch Pech. Es gibt nur Gegebenheiten. Und die Art und Weise, wie man mit ihnen umgeht.“
Klar, so ein Ausspruch bleibt an einem kleben, er verfolgt einen.
Die Motivationsgilde feiert das Statement, ist es doch Wasser auf ihre Mühlen, mit denen sie den Alltagsverlierern Glauben machen will, sie hätten ihr Schicksal selbst in der Hand.

ABER: Ich glaube nicht mehr an die ICH-Nummer.    
Ich weiß auch nicht, ob ich an einen Gott glauben soll, ob er existiert oder nicht, ich weiß es echt nicht, aber den Teufel, ja, den gibt es.
Ganz sicher.
Der steckt nicht nur im Detail, sondern in so manchem Menschen. 
Zudem glaube ich an das Pech. 
Ja, das gibt es wirklich.
ABER: Es trifft nicht jeden.

Pechvögel haben keine Flügel

Es finden sich tatsächlich Glückpilze.
Bei denen alles läuft.
Sie kriegen vom Schicksal Geschenke.
Einfach so.
Sie haben es sich nicht einmal verdient.

Und es existieren Pechvögel.
Richtige arme Schlucker, die stets den schwarzen Peter haben. 
Warum, weiß ich nicht.
Gäbe es einen Gott, müsste man fragen, wieso er die auf dem Kieker hat. 

Klar, jeder erlebt mal Mist.
Und an Katastrophen gemessen, wirkt das eigene Dasein gleich wie ein harmonisches Lustspiel.  
„Frei von Unglück ist niemand“, schreibt Sophokles. 
Und Honorè de Balzac meint: „Auf Erden ist einzig das Unglück vollkommen.“
Also kein Leben ohne Leid?
Ohne Unglück? Ohne Pech?
Ist Ungleichheit etwa ein Prinzip der Existenz?

Wir sind doch Blumen

Ungleichheit wird in einer Welt, in der es eine Norm gibt, zwangsläufig zu Ungerechtigkeit. 
Sobald wir vergleichen können, erkennen wir unseren Unterschied, am schnellsten wird uns der Mangel bewusst.
Wir sind geborene Neider, wollen stets das, was andere haben. 

Aber das kommt nicht von ungefähr: Die Menschheitsgeschichte ist geprägt von Privilegierten und Nicht-Privilegierten.
Daran hat sich nichts geändert, nur die Formen des Unterschieds sind andere geworden. 

Man könnte den Menschen doch als Blume sehen – auf die Welt gekommen, um zu wachsen, zu gedeihen und zu blühen. 
Den Traum hatte ich schon als Kind.
Und dieser als Aufsatz einmal niedergeschrieben wurde von meiner Lehrerin mit einem Wort kommentiert: „weltfremd“.
Tja. 

Heißt:
Akzeptiere, dass es eben nicht rund läuft auf der Erdkugel.

Was also tun?

Mir wird in den letzten Jahren bewusst, welcher Kleinkrieg mich in die Knie zwingen will.
Und wenn ich mein Leben so betrachte, ist eine Menge schief gelaufen. 
Das Schicksal ist tatsächlich ein mieser Verräter.
Befürchtungen treten ein, Hoffnungen nicht.
Stets war ich zur falschen Zeit am falschen Ort.
Und habe die Gabe, wenn ich es gut meine, alles zu versauen. 

Loslassen kann ich nicht, ein Stoiker werden auch nicht. 
Mir einreden, anderen geht’s genauso, macht es nicht besser.
Und das Leben als Leidensweg anzunehmen, nur um den Tod als Erlösung zu begreifen, vor dem ich keine Angst zu haben brauche, ist ein Armutszeugnis.
Alkohol hilft in Maßen, im Übermaß bekomme ich einen miesen Kater. 
Bierflaschen sind eben keine Wunderlampen. 

Sich als Opfer zu empfinden und einen Schuldigen auszumachen, ist einfach, ich weiß, aber das braucht es ab und zu. 
Denn sich selbst ständig als Angelpunkt aller Entwicklung zu sehen, pfff. 
Klar, jeder ist seines Glückes Schmied, heißt es, was das Leben aber zu einem echt heißen Eisen macht. 

Fazit: Wenig klappt

Gut, alles ist eine Frage der Bewertung.
Dennoch: Es gibt einfach Glückspilze und Pechvögel.
Schwarz-weiß-Denke, zugegeben.
Auch das braucht es eben ab und zu.

Denn stets alles zu differenzieren und nach der Erkenntnis zu suchen, die einem bestätigt, dass es manchmal gut ist, ein Verlierer zu sein, ist ein mühsames Unterfangen.
Freilich, Glück ist eine Haltung, eine Einstellung.

Möchten wir aber nicht lieber das Glück als gute Fügung oder positiven Zufall erleben?
Kann nicht einmal eine Fee auftauchen, die einem Wünsche erfüllt?
Eine schöne Überraschung bietet?
Ein Happy-End?

Wenn alles für was gut ist, dann geht’s bei mir demnächst richtig bergauf.
Aber darauf vertrauen?

Manchmal habe ich den Verdacht, dass die Kunst, sich Märchen ausdenken zu können, die Realität noch bitterer erscheinen lässt.
Doch egal, was danebengeht oder nicht klappen mag, meine Träume gebe ich nicht auf.
Sie sind stärker als das Pech.

OWS

Bild: Anne Nygard/unsplash (Öffnet in neuem Fenster)

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