Vorsätze.
Über die Frage, warum man einfach nicht ganz um sie herumkommt, wie wir achtsam mit ihnen umgehen können und wie das Schreiben wieder leicht werden kann.
Dieser Beitrag erscheint am letzten Tag des Jahres 2023 und ich wäre fast der Versuchung erlegen, diese Tatsache zu ignorieren und kein Wort über den Jahreswechsel zu verlieren. Weil mir die ganze Aufregung um Silvester und Neujahr viel zu viel ist und ich mich schon jetzt darauf freue, diese Zeit fernab des Trubels zu genießen, und zwar hier im 11. Stock mitten in Berlin, während nebenan am Brandenburger Tor die absolute Riesenfete steigt. Die Geräuschkulisse aus in die Luft schießenden Raketen, illegalen Böllern und Polizei- und Krankenwagensirenen fühlt sich von hier oben irgendwie ganz heimelig an, in meinem Gemütlichkeitsmeer aus Duftkerzen und Lichterketten. Auch wenn es mir zwischendurch eiskalt den Rücken hinunterläuft und ich denke, dass jegliches Feuerwerk ausschließlich in professionelle Hände gehört. Oder einfach ganz abgeschafft. Das ist aber eine andere Diskussion und ich wünsche mir einfach, dass wir alle achtsam mit Menschen, Tieren und Umwelt umgehen. Ich verbringe diesen Abend jedenfalls nur mit mir, schreibend, reflektierend und zufrieden zu Hause. Noch vor wenigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, diesen Abend alleine zu verbringen, die Angst etwas zu verpassen und plötzlich ins Grübeln zu geraten, was in diesem Jahr alles nicht so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte, war zu groß. Nun sitze ich hier und freue mich genau darauf: Zeit mit mir, bewusste Momente und ein sanfter Start in ein neues Jahr voller Möglichkeiten. Und wieder einmal komme ich nicht umhin, mich darüber zu wundern, welche Erwartungen mit dem Jahreswechsel einhergehen und wie man ihn „normschön“ verbringen sollte.
Ein großes Thema, über das ich erst gestern mit einer lieben Freundin sprach, sind Vorsätze. Wie viele hast du dir überlegt? Was möchtest du im nächsten Jahr alles besser machen, erreichen und etablieren, damit du die nächsten 365 Tage bestmöglich nutzen kannst? Das liest sich etwas spöttisch, aber im Grunde geht es doch bei vielen Vorsätzen genau darum, noch mehr zu erreichen, mehr zu schaffen, zu erleben, zu sehen, mehr zu können. Ziele zu haben, finde ich nicht verkehrt, ich selbst habe auch welche und arbeite daran, sie zu erreichen. Dennoch frage ich mich: Was ist denn mit uns? Ich meine, sollten wir uns nicht auch vornehmen, ein zufriedenes und glückliches Leben zu führen? Und reicht das nicht völlig aus als Vorsatz? Ich habe das Gefühl, selbst bei Wünschen, die wir für uns selbst ans Universum senden, geht es um Leistung und Produktivität, deren Ergebnisse uns irgendwann einmal glücklich machen sollen. Ob wir uns auf dem Weg dorthin gut fühlen oder nicht ist dabei ganz egal, manchmal muss man eben die Zähne zusammenbeißen. Muss man das? Ich für meinen Teil möchte mich nicht das ganze Jahr lang durchkämpfen für einen Moment des vermeintlichen Glücks, wenn der gewünschte Erfolg dann eintritt und mir dann wieder das nächste Projekt suchen, für das es sich „lohnt, Abstriche zu machen“. Denn wenn ich eines gelernt habe, dann, dass Dinge, die sich schon unterwegs nicht gut anfühlen, mich auch später nicht glücklich machen, ganz gleich wie viel Anerkennung von Außen der Erfolg auch bedeuten mag.
Für mich als Schriftstellerin bedeutet das, dass ich das Schreiben wieder mehr als etwas betrachten möchte, das ich einfach gerne tue. Es mit Leichtigkeit zu nehmen und spielerisch anzugehen. Denn ich glaube, dass viele kreative Menschen diesen natürlichen Impuls, etwas zu erschaffen und sich mit ihrer Kunst auszudrücken, unterwegs aus den Augen verlieren und unter Druck geraten, auf einmal etwas leisten und einem bestimmten Bild entsprechen zu müssen. Man muss nicht den großen Roman schreiben, um Schriftsteller:in zu sein. Jede einzelne Zeile, jedes Gedicht, jede Kurzgeschichte ist Kunst. Ich selbst habe zu Beginn meiner Schreibreise versucht Ordnung und Struktur in mein Schreiben zu bringen, damit ich es regelmäßig und richtig tue und am Ende die Lorbeeren meiner Arbeit ernten kann, was in meiner Vorstellung ein Autor:innenvertrag mit einem renommierten Verlag war. Dieser Vorsatz ging so richtig daneben und statt auf der Zielgeraden meines ersten Romans zu sein, schreibe ich weiter meine Kurzgeschichten, die nun bald ein zweites Büchlein füllen. Bin ich froh darüber! Diese kleinen Geschichten schreiben sich wie von selbst, zu jeder möglichen Tageszeit, manchmal auch spätabends und an Tagen, an denen ich eigentlich dachte überhaupt keine Zeit zum Schreiben zu haben. Diese unscheinbaren und gar nicht „großer-Roman-mäßigen“ Zeilen haben das Schreiben wieder zu meinem Zuhause gemacht. Weil ich ganz einfach jegliche Struktur über Bord geworfen und wieder meinem natürlichen Impuls vertraut habe.
Träume ich jetzt etwa nicht mehr davon, mit meinem Debütroman in den Regalen der hiesigen Buchhandlungen zu stehen? Oh doch, das tue ich! Und ich bin mir auch sicher, dass ich es dorthin schaffe. Vielleicht fügt sich dieser ja aus meinen kurzen Sequenzen zusammen oder er fließt innerhalb weniger Monate locker aus dem Handgelenk. Eventuell dauert es Jahre, bis er vollendet ist. Ich weiß es nicht. Aber was ich sicher weiß, ist, dass er niemals entstehen wird, wenn ich vor lauter Druck und Erwartungen die Freude am Schreiben verliere und es gar nicht mehr tue. Es heißt doch, wenn man etwas gerne tut, dann macht man es auch gut, weil man sich dann so intensiv damit beschäftigt, dass man immer mehr dazulernt und so besser und besser wird.
Für mich klingt das viel angenehmer, als mich an Tagen an den Laptop zu zwingen, an denen ich eigentlich einfach nur noch einen Spaziergang und ein gutes Buch bräuchte, um mich gut zu fühlen. Mein Vorsatz ist es, neugierig zu bleiben und meiner Kreativität einfach Raum zu schenken oder wie Julia Cameron sagt: „der Kreativität die Tür aufzumachen“. Sie ist da, wir alle haben diese Kreativität in uns. Die Kunst liegt wohl darin, sich zu erlauben, sie auch fließen zu lassen, wenn sie da ist und vor allem sie überhaupt zu spüren, was mit Netflix, Social Media und anderen Ablenkungen des Lebens oft gar nicht so leicht ist. Genau deshalb beharre ich so sehr auf meiner Zeit für mich ganz alleine, in der ich bewusst Dinge tue, die ich nur für mich tue - ich habe viele Dates mit mir selbst und finde darin sehr oft neue Inspiration, erinnere mich an einst verloren gegangene Ideen oder sammle Mut zur Einzigartigkeit. Manchmal sind diese Dates aber auch einfach unterhaltsam und das reicht völlig aus. Ich habe zwar schon immer viel ohne Begleitung gemacht, wie zum Beispiel auf Reisen oder ins Kino gehen, aber so richtig bewusst lasse ich diese Dinge stattfinden, seit ich Julia Camerons Buch „Der Weg des Künstlers“ gelesen habe, welches ich dir wärmstens ans Herz legen möchte. Ich weiß, dass man sich zu Beginn dieser „Alleinezeit“ etwas verloren fühlen kann. Es müssen auch gar nicht die großen Dinge sein, du kannst auch einfach mit einem Spaziergang starten, dem Besuch einer Ausstellung oder einem Nachmittag mit Buch im Café. Schau dich mal ein bisschen um, dann siehst du, dass du sicher nicht die einzige Person bist, die etwas ganz für sich macht. Wenn du auch in Berlin lebst, ist beispielsweise der Museumssonntag mit freiem Eintritt an jedem ersten Sonntag des Monats ideal für ein Date mit dir und deiner Kreativität.
Was wir jetzt mit den Vorsätzen machen? Naja, so ganz in die Tonne treten müssen wir sie jetzt auch nicht. Auch dem Beginn eines neuen Jahres wohnt schließlich der Zauber des Anfangs inne, und dieser hat doch immer irgendwie eine besondere Kraft. Ich wünsche mir einfach, dass wir etwas freundlicher mit uns selbst umgehen und statt langer Listen zu schreiben, die im kommenden Jahr abzuarbeiten sind, wäre es doch eine Möglichkeit, sich vorzunehmen ab und an auch mal nach innen zu horchen und uns darauf zu konzentrieren, was uns zu einem zufriedenen Menschen macht und uns wirklich Freude bereitet. Geht es nicht genau darum im Leben?
Ich wünsche dir einen wundervollen Jahreswechsel, ganz gleich wie er auch aussehen mag. Wenn du unfreiwillig alleine bist, arbeitest oder ihn in einem Umfeld verbringst, das dir nicht guttut: Fühl dich umarmt, du schaffst es auch diesmal ins neue Jahr und das ist alles, was zählt: Du bist hier und ein wertvoller Teil dieser Welt <3
Bis nächste Woche!
Alles Liebe
deine Sarah
PS: Es gibt natürlich auch positive Listen! Ich habe zum Beispiel eine Bücherliste, aus der ich mir vor jedem Bibliotheksbesuch ein oder zwei Titel aussuche. Dann gehe ich mit meinem „Einkaufszettel“ in die Bibliothek meines Vertrauens und freue mich, schon auf dem Nachhauseweg aufs Lesen. Generell sind Listen eine wunderbare Sache, solange sie nicht eine Aneinanderreihung unzähliger „DU MUSST“ enthalten. Wenn dir nach ein wenig Listenschreiben zumute ist, schreib doch einfach einmal eine mit 100 Dingen, die dich glücklich machen. Meine startet mit „Blumen“ und „Hunden“ und war schneller voll als ich gucken konnte!