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Techno-Orgel

Maxime Denuc: Nachthorn (2022)

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Menschen liegen auf Teppichen in der Église du Gésu in Toulouse, bei der Aufführung von "Solarium" von Maxime Denuc (Öffnet in neuem Fenster)

Eine Aufführung von Maxime Denucs “Solarium” in der Église du Gésu in Toulouse (Foto: Julien Chazeaubénit)

Der belgische Komponist Maxime Denuc macht so etwas wie elektronische Tanzmusik, aber ohne elektronische Effekte. Der Strom wird nur gebraucht, um das Windwerk, also das Gebläse, einer Orgel anzutreiben – und den Computer, mit dem Denuc die Orgel steuert.

Tatsächlich gibt es Kirchenorgeln, die sich über Computer steuern lassen – die erste ihrer Art steht in der Düsseldorfer St.-Antonius-Kirche. Nicht nur die Manuale (so heißen die Klaviaturen der Orgel), sondern Tonhöhen, die man gar nicht mit den Manualen erreicht, die Register und das Pedal (das ist die Klaviatur, die man mit den Füßen tritt) lassen sich ansteuern. Ein Register ist ein Set an Orgelpfeifen mit der gleichen Klangfarbe. Man schaltet sie bei den meisten Orgeln ein, indem man einen Knauf herauszieht (daher auch die Formulierung “alle Register ziehen”). Eines dieser Register in St. Antonius heißt “Nachthorn” und ist namensgebend für das 2022 erschienene Album von Denuc.

Der Komponist kommt aus der elektronischen Musik, wollte aber immer eine Platte nur mit Orgel aufnehmen. In St. Antonius konnte er nun erstmals eine gesamte Orgel mit seinem Laptop steuern.

In dem folgenden Beitrag erklärt Denuc seine Idee und steuert eine Gulliver-Orgel mit dem Computer. Die Gulliver-Orgel ist eine modulare Orgel, die man wie einzelne Instrumente auf eine Bühne stellt. Das Setup ist bizarr und merkwürdig, aber der Sound ist neu und hat ganz schön Bums, vor allem, wenn man Lautsprecher mit ordentlich Bass zur Verfügung hat:

https://www.youtube.com/watch?v=JtFoSfTnYGY (Öffnet in neuem Fenster)

Wie man in dem Video sehen kann, ist Denucs Performance der von DJs ähnlich, die sich zu einer Musik bewegen, für die sie zwar verantwortlich sind, die sie aber nur sehr indirekt herstellen. Zumindest mir kommt das immer merkwürdig vor, aber man muss ja nicht hingucken.

Ein beispielhaftes Stück aus dem Album “Nachthorn” ist “Infinite End”, elektronische Tanzmusik für Orgel:

https://www.youtube.com/watch?v=rmw_Q1XWb1M (Öffnet in neuem Fenster)

Und hier findet ihr das Stück im Streaming (Öffnet in neuem Fenster).

Falls euch die MIDI-gesteuerte Orgel abholt, sieht es gut aus für euch. Denn es gibt mittlerweile Festivals für dieses Instrument, das auch “Hyper-Orgel” genannt wird und von denen es immer mehr gibt. Hier ein Video des Aggregate-Festivals 2022, in dem in zwei Berliner Kirchen, der Gedächtniskirche und der Kapelle der Versöhnung, Musik für hyperorgan zur Aufführung kam:

https://www.youtube.com/watch?v=9-yWGidfqZs (Öffnet in neuem Fenster)

Mein Freund sagt gerade, das klingt ja nicht gerade nach Versöhnung, und das stimmt, aber nach Kirchenmusik klingt es auch nicht.

Schöne Grüße aus Berlin
Gabriel

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