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Hanns Heinz Ewers - Eine Fahrt durch Estremadura

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

heute begleiten wir Hanns Heinz Ewers eine Bahnfahrt durch die spanische Estremadura in einem leider unbekannten Jahr vor dem ersten Weltkrieg.

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Freilich, in dem Blitzzug St. Petersburg-Sevilla fährt man auf der spanischen Strecke gerade so gut, wie auf der deutschen oder französischen. Ein wenig teuer freilich – – doch den kleinen Schmerz hat man ja überwunden, wenn man die Fahrkarte bezahlt hat.

Aber, Fremdling, ich rate dir: weiche keinen Finger breit von dieser schönen Linie ab!

Ich hatte das zweifelhafte, doch um so dauerhaftere Vergnügen, von Lissabon nach Sevilla zu fahren – vornehm, erster Klasse! Man steckte uns in ein Halbcoupé, das den stolzen Namen » Berlina« führt, wofür man natürlich im Zuge einen erheblichen Aufschlag zahlen muss. Es war abends, und tüchtig kalt nach einem überheissen Tag, wir waren daher sehr froh, als man uns ein langes, eisernes Wärmekissen hineinschob. Vergnügt stellten wir die Füsse darauf, in der Hoffnung, sie ein wenig zu erwärmen, machten aber bald die traurige Erfahrung, dass sie da noch kälter wurden: man hatte augenscheinlich die Röhre mit kaltem, statt mit heissem Wasser gefüllt. Wir schimpften, aber das erwärmt nur mässig. Eingehüllt in unsere Decken, zu vieren eng aneinandergepresst in dem schmalen Raum, versuchten wir energisch, zu schlafen.

Mir wenigstens gelang das auf eine Viertelstunde. Ich träumte, ich wäre auf der Entenjagd; das war ganz nett, nur stand ich im Fluss und in die hohen Stiefel drang immer mehr Wasser. Wenn mir nur nicht die Füsse an die Sohlen frieren, dachte ich.

– »Himmel, ich bin ja ganz nass an den Füssen!« rief meine Nachbarin. Davon erwachte ich.

Wir waren alle nass, krochen auf dem Boden herum und stellten fest, dass bei der Kälteröhre – Verzeihung der Wärmeröhre – sich der Verschluss gelöst hatte. Wir sassen in einer Ueberschwemmung. Wir wollten die nächste Station abwarten, bisher hatten wir alle fünf Minuten gehalten. Aber diesmal kam keine nächste Station, natürlich! Wir warteten eine Viertelstunde, eine Halbestunde –

Schliesslich zog jemand die Notleine. Der Zug hielt nicht; aber als dann doch schliesslich die nächste Station kam, musste er dreissig Franken Strafe zahlen. – Wir riefen den Stationsvorsteher, verlangten, dass die Kälteröhre herausgenommen werden solle. Er meinte, das ginge nicht, die Röhre dürfe vorschriftsmässig erst am anderen Morgen gewechselt werden. Wir verlangten, dass das Wasser aufgenommen würde. Er meinte, das ginge nicht, da die Reinmachefrau schon zu Bett sei. Wir verlangten ein anderes Coupé, er erklärte uns aber, dass alles besetzt sei.

So fuhren wir weiter in unserer Ueberschwemmung. Wir sassen wie Türken mit untergeschlagenen Knien auf der Bank. Zum Glück war ein Handlungsreisender dabei, der Witze erzählte; dadurch überfiel uns trotz der unbequemen Stellung sehr bald wieder die Schlafsucht. Er lachte immer selbst über seine Geschichten und besonders dieses Lachen wirkte wundervoll einschläfernd. Ich nickte gerade, als der Zug wieder hielt. Die Schaffner kamen und erklärten, dass wir an der Grenze seien, wir müssten alle heraus zur Zollrevision. Jeder ergriff die Gepäckstücke, die am nächsten standen.

Es war stockfinster, weil Mondnacht war.

Ja, wirklich: weil Mondnacht war! Denn in den Nächten, für die Vollmond im Kalender steht, brennen aus ökonomischen Gründen auf spanischen Stationen keine Laternen. Um solche Kleinigkeiten, wie die, dass in solchen Nächten manchmal dicke Wolken am Himmel stehen können, kümmert sich die Verwaltung nicht.

Mit Hilfe von vielen Streichhölzern tappten wir uns in die Halle; da war eine Reihe von Beamten um ein kleines Talglichtchen versammelt. Wir mussten Queue bilden und kamen einzeln vor die uniformierten Herren.

– »Zollpflichtiges?« fragte man mich.

– »Gar nichts,« rief ich. »Nur Kleider, Bücher, Papier, Schreibfedern.«

– »Aufmachen!« sagte der Herr.

Ich bemerkte nun erst, dass ich den Koffer meiner Nachbarin hatte.

– »Entschuldigen Sie,« stammelte ich, »ich habe keinen Schlüssel. Der Koffer gehört ...«

– »Wir kennen das!« fuhr der Herr auf mich los. Er sah mich durchbohrend an und zog einen Dietrich aus der Tasche.

Mit einiger Mühe öffnete er das Schloss und zog triumphierend ein Paar seidene Strumpfbänder heraus.

– »Sind das Schreibfedern?« höhnte er.

Dann erwischte er eine Flasche Eau de Cologne.

– »Das ist wohl Papier?« brüllte er.

– »Entschuldigen Sie ...« wimmerte ich, aber der Herr liess mich nicht zu Worte kommen. Er schwenkte ein Korsett in der Luft herum und heulte:

– »So sehen wohl Ihre Bücher aus?«

Jemand, der neben mir stand, hatte Mitleid mit mir.

– »Geben Sie ihm schnell einen Duro!« riet er mir.

Ich griff in die Tasche und hielt dem Herrn Beamten das Geldstück hin. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, nahm er es mir aus der Hand und sagte mitleidig:

– »Für diesmal wollen wir von einer Strafe absehen, da ein Irrtum – – nicht ganz ausgeschlossen ist! Aber hüten Sie sich wieder zu schmuggeln!« Dann schob er den ganzen Koffer auf eine Wage, warf einen Blick auf den Zeiger und erklärte:

– »Sie haben zweiundzwanzigtausenddreihundertundvierundsiebzig Reis Zoll zu bezahlen!«

Eine Sekunde lang war ich starr vor Schrecken. Dann aber erinnerte ich mich, dass ich ja schon in Lissabon mit den Tausenden nur so um mich geworfen hatte; ich zahlte also und war froh, so billig abgekommen zu sein.

Als wir wieder als Türken auf unserer Coupébank sassen, bat ich den Handlungsreisenden, doch noch einige Witze zu erzählen. Der menschenfreundliche Herr liess sich nicht lange nötigen, und ich hoffte nun endlich ein Stündchen schlafen zu können. Aber die Eisenbahnverwaltung hat in den Coupés erster Klasse stets eine ganze Reihe Angestellter, deren Pflicht es ist, auch den müdesten Reisenden wach zu halten. Das ist eine geradezu rührende Vorsicht dieser ausgezeichneten Behörde; auf diese Weise ist jeder, wenn ein Unglück passieren sollte, stets wach und munter. Die kleinen Angestellten in brauner Uniform sind sich ihrer schweren Pflicht durchaus bewusst, sie hupfen von dem einen Reisenden zum anderen und scheuchen durch ein energisches Beissen den Schlaf von seinen Lidern. Undankbar, wie wir waren, knackten und knickten wir Dutzende, aber die aufopfernden Tierchen kamen in immer neuen Scharen aus den Ritzen, und es gelang ihnen glänzend, uns wach zu halten.

Halb erfroren, mit nassen Füssen, steifen Beinen, schwarzen Gesichtern und zerbissenen Leibern fuhren wir in Estremadura hinein.

Dann kam die Sonne – – und welche Sonne! Sie glühte vom Himmel herunter, als wollte sie alle Eisberge der Welt zerschmelzen. Gegen elf Uhr morgens hielten wir irgendwo, da nahm man die ausgelaufene Wärmeröhre hinaus und schob dafür zwei neue hinein. – Wir protestierten; es sei nun warm genug, meinten wir. Aber wir irrten uns, die Bahnvorschrift sagt, dass es im März noch nicht warm genug ist. Wir wollten uns mit einer Wärmeröhre begnügen, aber unsere Bescheidenheit wurde nicht anerkannt; stolz erklärte uns der Schaffner, dass es in Spanien für erste Klasse zwei gäbe; nicht bloss eine, wie in Portugal!

Und diesmal waren sie wirklich warm, die Wärmeröhren! Warm? – Heiss, glühend, sie dampften, dass es eine Freude war! Im Nu waren unsere Stiefelsohlen verbrannt, ein brenzliger Geruch erfüllte den engen Raum. Es war unmöglich, die Füsse auf dem Boden zu lassen, wir mussten wieder auf die Bank klettern. Es war nicht auszuhalten!

Da wir nun bisher mit all unseren Protesten einen so schlechten Erfolg gehabt, beschlossen wir diesmal zur Selbsthilfe zu schreiten. Der Handlungsreisende und ich umwickelten uns die Hände mit dicken Reisetüchern, warteten einen Moment ab, als der Zug gerade nicht auf einer Station hielt – – das kam zuweilen vor – – und warfen die grässlichen Wärmeflaschen zum Fenster hinaus. – Die Decken waren zwar hin, auch die Finger hatten wir uns tüchtig verbrannt. Aber, obwohl wir diesmal nicht die Notleine gezogen hatten, hielt doch sofort der Zug. Wir sassen ganz still, um keine Aufmerksamkeit auf uns zu lenken. Der Zugführer und der Schaffner stiegen ab und ergriffen mit eisernen Zangen die Marterinstrumente.

Ohne sich zu besinnen schritten sie mit ihrer Last auf unser Abteil zu. Der Schaffner riss die Türe auf, warf einen forschenden Blick hinein und rief:

– »Ich dachte mir's doch, dass es das Querulantencoupé sei!«

Man schob uns die elenden Dinger wieder hinein; dann begann ein hochnotpeinliches Verhör. Wir wollten Staatseigentum stehlen, hiess es, wir würden den Gerichten überliefert usw. Und plötzlich standen auch schon zwei Gendarmen mit ihren Karabinern da.

Die fahren in jedem Zuge in Spanien im letzten Coupé mit, wahrscheinlich um solche Querulanten, wie wir es waren, in Schach zu halten!

Doch muss ich ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen: als wir ihnen und den Bahnbeamten jedem einen Duro gaben, liessen sie uns noch »für diesmal« laufen. Nur rösten mussten wir zur Strafe, und zwar gründlich, gründlich!

Manchmal eine halbe Stunde lang hintereinander, denn es kam vor, dass wir so lange fuhren, ohne anzuhalten. Wir zählten die Telegraphenstangen und stellten mit der Uhr in der Hand fest, dass wir mit einer mittleren Geschwindigkeit von sechs und einem halben Kilometer in der Stunde daher rasten. Ja, wenn es den Berg herunter ging, machten wir gar sieben dreiviertel Kilometer.

Einmal versuchte es ein altes Stachelschwein, mit uns wettzulaufen. Es kam in kurzen Sprüngen hinter dem Zuge her, passierte ihn und lief ein paarmal vor der Lokomotive von einer Seite zur anderen. Dann fand es eine Artischocke, setzte sich auf die Hinterbeine und verzehrte sie. So kamen wir wieder vor. Als das Tier fertig war, rannte es wieder nach, aber wir sausten daher, dass es uns trotz aller Anstrengung nicht mehr einholen konnte.

Freilich musste sich nach solchen Kraftleistungen die Lokomotive etwas ausruhen; deshalb hielten wir auf jeder Station wenigstens fünfzehn Minuten. Wir klopften unserem braven Zugtiere den Rücken und betrachteten es mit Bewunderung. Es hiess »Esmeralda«, stammte aus einer Lütticher Fabrik und war 1848 erbaut. Wir gratulierten ihm zum sechzigsten Geburtstage und wünschten ihm noch weitere sechzig Jahre Gesundheit und Tätigkeit.

Um unseren Wissensdurst zu befriedigen, liessen wir, der Herr Handlungsreisende und ich, uns herab, von einer Station zu einer anderen in einem Abteil zweiter Klasse zu fahren. Als wir einstiegen, begriffen wir, warum dem Stationsvorsteher heute nacht unsere Furcht vor der Ueberschwemmung der Wärmeröhre durchaus nicht einleuchten wollte. In jedem Coupé unseres Zuges war nämlich eine Ueberschwemmung, allerdings nicht von den Wasserröhren! Jeder Spanier ist selbst so eine Wasserröhre, an der der Verschluss entzwei ist, er spuckt, spuckt, spuckt, und verwandelt seine Umgebung in einen See.

Der Herr Handlungsreisende sagte:

– »Wenn die spanische Regierung nur einen Funken von Initiative hätte, könnte sie im Laufe von dreiundzwanzig Jahren, vier Monaten, sieben Tagen und dreiundvierzig Minuten die Wüste Sahara in ein schiffbares Meer verwandeln!«

– »Wieso?« fragte ich.

– »Ganz einfach,« erwiderte er, »sie brauchte nur ihre Bevölkerung dorthin zu senden! – Jeder Spanier schnitt dreimal in der Minute, also 180mal in der Stunde, 2700mal im Tage, den Tag zu 15 Spuckstunden gerechnet! Also 883,500mal im Jahre! Die spanische Nation von 18 Millionen wird also, ohne sich anzustrengen, bequem dreihundertunddreiundfünfzigtausendvierhundert Milliarden mal im Jahre spucken können. Diese Anzahl aber, rationell verwertet, genügt für die Schiffbarmachung der Sahara in dem genannten Zeitraum!«

– »Lassen Sie sich ein Patent darauf geben!« sagte ich. Unterdessen gaben sich die Herren Spanier alle Mühe, die Möglichkeit seiner Theorie durch die Tat zu erhärten. Sie betrachteten uns – nun als Umgebung; und wenn nicht bald die nächste Station gekommen wäre, so würden wir wahrscheinlich ertrunken sein.

Die Stationen zeichnen sich alle dadurch aus, dass sie einen sehr schönen Namen haben, dass aber weit und breit keine Häuser zu sehen sind. Die Ortschaften liegen immer ein paar Kilometer von ihrer Bahnstation entfernt, eine sehr weise Massregel! Sie können auf diese Weise noch durch Hunderte von Jahren sich vergrössern und ausdehnen, ihre Einwohnerzahl verzehn- und verzwanzigfachen: immer wird der Bahnhof noch höchst zweckmässig ausserhalb liegen.

Ganz reizend sind auf den Stationen die W. C. eingerichtet: zwei Bretter, darunter zwei Löcher, daneben zwei Schilder mit den Aufschriften » Caballeros« und » Señoras«. Uebrigens beachtet der Spanier diese Errungenschaften überfeiner Kultur wenig, ihm ist die ganze Welt ein grosses W. C.! Meine Nachbarin, eine englische Dame, vermochte sich leider durchaus nicht zu dieser weitherzigen, wahrhaft grossen Anschauung zu bekennen. Auf jeder Station lief sie wie ein Hühnchen herum, suchte; suchte – und fand nichts. Mit verzweifeltem Entschluss eilte sie manchmal zu »Señoras«, jedesmal fuhr sie angstbleich wieder zurück und bestieg lippenbeissend unseren Brutkasten.

Wirklich, sie litt Qualen, seelisch wie körperlich. Wir bemitleideten sie herzlich und konnten doch kaum ein Lachen unterdrücken.

Da war es, dass ich ein seltenes, ein aufopferndes Bild von Edelmut und Herzensgüte erlebte.

Der Handlungsreisende erhob sich und nahm aus der Schachtel seinen neuen, wundervollen Zylinderhut. Er reichte ihn der Dame hin und sagte würdevoll:

– »Madame! Dies ist ein Zylinderhut! Man kann ihn auch zu anderen Zwecken benutzen. – Ich und die beiden Herren möchten jetzt schrecklich gern hier aus dem Fenster hinaus die Gegend betrachten. – Wenn in der Zwischenzeit der Zylinder aus dem anderen Fenster hinausgeworfen würde, würde ich mir das zur hohen Ehre anrechnen!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte er den Hut neben die Dame, fasste uns am Arme und drängte uns zum Fenster hin. Wir unterhielten uns laut über die schöne Gegend, die aus Sand, verbranntem Gras und Telegraphenstangen bestand. Als wir sie genug bewundert zu haben glaubten, drehten wir uns wieder um. Der Zylinderhut war verschwunden, die Engländerin sass ruhig mit glücklichem Gesicht in ihrer Ecke. Sie warf dem Handlungsreisenden einen dankbaren Blick zu.

– »Sie sind ein Gentleman!« sagte sie einfach.

– »Ja!« bekräftigte ich und drückte ihm ergriffen die Hand. »Man sollte Ihnen ein Denkmal setzen!«

– »O bitte!« sagte der Herr vornehm. Und rasch brachte er ein anderes Gesprächsthema auf, erzählte höchst ergötzliche Geschichten von Leutnants und Schwiegermüttern.

– »Welch ein Mensch!« dachte ich.

– Alles nimmt ein Ende. Und so gelang es auch schliesslich unserer braven sechzigjährigen »Esmeralda«, uns nach Sevilla hineinzuschleppen. Sie schnaufte fürchterlich und war schrecklich müde – das arme Tierchen!

Wir stiegen aus, der Handlungsreisende reichte liebenswürdig der englischen Dame ihre Gepäckstücke und ich sah, wie er die Adresse auf ihrer Reisetasche las.

– »Miss Maud Clifton, Park-Road, Sheffield!« murmelte er. – »Sheffield? – Das ist gut, da ist ja die Firma Winter Brothers!«

Er half der Dame beim Aussteigen, dann kritzelte er ein paar Worte auf eine Karte und wandte sich an mich:

– »Lieber Landsmann,« sagte er, »ich muss unserer Reisegefährtin mit dem Gepäck behilflich sein. Wollen Sie mir wohl dieses Telegramm hier aufgeben?«

Ich war froh, dem hochherzigen Manne einen kleinen Dienst erweisen zu können, und sprang schnell zum Telegraphenbureau. Die Depesche lautete:

»Winter Brothers, Sheffield.

Hat Miss Maud Clifton Sheffield, Park-Road, eigenes Vermögen? Und wieviel? Drahtantwort. Lehmann in Firma Obermeier, Berlin. Zurzeit Sevilla, Hotel Cadiz.«

Dann suchte ich mein Handgepäck zusammen und lief zum Hotelwagen, der bis zum letzten Platze besetzt war.

– »Sie müssen in ein anderes Hotel,« rief mir Herr Lehmann aus dem Fenster zu, »in diesem ist alles besetzt.«

– »Die Depesche ist besorgt; sie hat acht Peseten vierzig gekostet!« sagte ich.

– »Schon gut,« meinte Herr Lehmann. »Wenn nur die Antwort befriedigend ist!« Er beugte sich hinaus und sagte vertraulich: – »Hübsch ist sie ja, die Miss, wenn sie nun auch noch Jeld hat, können wir bald Verlobung feiern!«

– »Oh!« beteuerte ich. »Ich wünsche Ihnen von Herzen alles Glück! – Sie edler Mensch, Sie! Sie Gentleman! – Ihr neuer Zylinderhut!«

– »Reden Sie doch nicht!« sagte Herr Lehmann, »meinen Sie denn, ich würde auf so ein schwaches Risiko hin meinen eigenen Zylinderhut hergeben?! – Nicht mal die Telegrammkosten!«

Der Kutscher knallte, der Hotelwagen knatterte über das Pflaster hin.

Eine schreckliche Ahnung stieg in mir auf. – Ich öffnete meine schöne lederne Hutschachtel – – sie war leer!

O dieser Gentleman – – dieser scheussliche Gentleman!

Wenn er aber Hochzeit macht – – ich werde ihm telegraphisch meine Rechnung schicken! –