Redensarten Nr. 7 - Kann die Muffe müffeln?
Liebe Redensarten-Freundinnen und Freunde,
willkommen zu meinem siebten Newsletter.
Kürzlich erhielt ich einen Neuvorschlag: etwas wegmuffeln (Öffnet in neuem Fenster) in der Bedeutung "(mit Genuss) essen". Mir war bis dahin dieses Wort nicht bekannt und so begann ich zu recherchieren.
Dass das Ganze 2 Wochen in Anspruch nehmen würde, hätte ich nicht erwartet, denn da tat sich auf einmal eine ganze Wortfamilie auf, die ich bisher noch nicht richtig bearbeitet hatte, in der deutschen Umgangssprache aber sehr geläufig ist und sich im Verb "muffeln" überschneidet. Um dieses Wort rankt sich ein ganzer Haufen ähnlich klingender Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen und auch unterschiedlichen Ursprüngen, sodass ich eine Weile gebraucht habe, mir einen Überblick zu verschaffen. Anlass genug, heute einmal das Thema in einem eigenen Newsletter zu behandeln.
Grob gesagt haben wir es mit 3 Bedeutungsebenen zu tun:
schlecht riechen, stinken
nörgeln, mürrisch reden, sich unwirsch äußern
essen, kauen
Schlecht riechen, stinken
Das ist die bekannteste Bedeutung von muffeln und im Deutschen sehr verbreitet. Man kann das Wort für alle Arten des Gestanks anführen, besonders aber, wenn etwas nicht mehr so ganz frisch ist.
Quelle: depositphotos.com (Öffnet in neuem Fenster)
So können getragene Socken muffeln (Öffnet in neuem Fenster) oder der feuchte Keller, der länger nicht gelüftet wurde.
Verwandte Wörter wären müffeln, muffen und müffen (Öffnet in neuem Fenster) (Nordostdeutschland) sowie miefen (Öffnet in neuem Fenster), das eher im Norden Deutschlands verbreitet ist. Entsprechende Adjektive sind muffig, mufflig und miefig, und der schlechte Geruch ist der Muff oder Mief.
Die Herkunft ist nicht vollständig klar, erste Belege gibt es aus dem 17. Jahrhundert. Ähnliche Wörter in anderen Sprachen sind schon älter, so gibt es im Niederländischen "muf" schon im 15. Jahrhundert in der Bedeutung "Schimmel", und früher sagte man auch in Italien "muffare" (heute ammuffire) für "schimmeln".
Die Wortgruppe kann man auch im übertragenen Sinn verwenden für etwas, das nicht mehr neu, also veraltet ist. Es hat einen negativen Beiklang und lässt sich für alles gebrauchen, was man als altbacken, überholt und nicht mehr zeitgemäß charakterisieren möchte. Ein berühmt gewordener Spruch stammt aus der 1968er-Studentenbewegung, mit dem die Studierenden ihren Protest gegen überholte, undemokratische Strukturen in den Universitäten zum Ausdruck brachten: "Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren".
https://de.wikipedia.org/wiki/Unter_den_Talaren_%E2%80%93_Muff_von_1000_Jahren (Öffnet in neuem Fenster)Ein Talar ist eine Amtstracht, das u. a. von Professoren bei besonderen Anlässen getragen wird. Der Spruch spielte gleichzeitig auf die unrühmliche Rolle der Universitäten während der Zeit der Nazi-Diktatur und ihre fehlende Aufarbeitung an (das Dritte Reich nannte sich ja auch "1000-jähriges Reich").
2. Nörgeln, mürrisch reden, sich unwirsch äußern
Das Wort muffeln oder muffen in dieser Bedeutung (Öffnet in neuem Fenster) versteht in Deutschland jeder, auch wenn es nicht so oft verwendet wird. Es ist in der Bedeutung "mürrisch sein" schon im 15. Jahrhundert belegt. Es konnte aber auch "bellen" bedeuten, noch heute ist "muff" neben "wauwau" ein lautmalendes Wort für den bellenden Hund. Letztlich zurückgehen soll die Wortgruppe vom germanischen "mup", das "Grimassen schneiden" bedeutete.
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Wesentlich häufiger ist das entsprechende Substantiv Muffel (Öffnet in neuem Fenster), das einen mürrischen, schlecht gelaunten Menschen bezeichnet. Früher bezog sich das Wort auch auf das hängende Maul eines Hundes und wurde oft auf den Mops angewendet.
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Übrigens tut man den Tieren damit unrecht, denn der Mops ist trotz seines unförmigen Aussehens eine durchaus lebhafte und fröhliche Hunderasse. Daher kommt auch der alte Spruch “Lebe glücklich, lebe froh / wie der Mops im Paletot (Öffnet in neuem Fenster)“.
Heute kennen wir den Muffel in zusammengesetzten Wörtern für jemanden, der etwas nicht gerne tut oder einer Sache ablehnend gegenübersteht. So ist ein “Arbeitsmuffel (Öffnet in neuem Fenster)“ jemand, der nicht gerne arbeitet, oder der “Faschingsmuffel (Öffnet in neuem Fenster)“ jemand, der mit der einprogrammierten Fröhlichkeit des Karnevals nicht viel anfangen kann. Das erste Wort dieser Art ist der “Krawattenmuffel (Öffnet in neuem Fenster)“, der in der Werbesprache der 1960er Jahre entstanden ist und anfangs eher scherzhaft gemeint war. In den 1960er Jahren gab es Teile der Jugend, die die Krawatte als “spießig“ und “bürgerlich“ ablehnten. Das spiegelt sich auch in einem (heute kaum noch verständlichen) Witz wider, das 1969 in diversen Zeitungen erschien (Öffnet in neuem Fenster) und auch auf die langen Haare der Hippies anspielte, die vorher nur den Frauen und Mädchen vorbehalten waren.
3. Essen, kauen
Muffeln oder (häufiger) müffeln ist in dieser Bedeutung (Öffnet in neuem Fenster) nur in einem Teil von Deutschland geläufig, nämlich im Mittel- und Nordwesten. Die Herkunft ist nicht ganz klar. Man kann sie als lautmalerische Nachahmung der Geräusche beim Kauen verstehen. Oder man kann sie in die Nähe des schlecht gelaunten Muffels stellen, wenn man an das Verziehen des Mundes beim Kauen denkt.
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Möglicherweise hat sie aber auch einen ganz eigenen Ursprung: Im Niederrhein gab es schon im 16. Jahrhundert den "Mümpfel" (kleiner Bissen), und noch heute sagt man hier "Müffelchen" zu kleinen, mundgerecht geschnittenen, belegten Brothäppchen.
So, das wars für heute.
Ach, und übrigens: Mit der "Muffe" hat das alles überhaupt nichts zu tun. Das ist die Bezeichnung für ein kleines Rohrstück zum Verbinden zweier aneinanderstoßender Rohre und stammt ursprünglich aus dem alten Niederländischen "moffel, muffel" (Quelle (Öffnet in neuem Fenster)), einer Art Pelzhandschuh, der ähnlich geformt ist und in den man beidseitig die Hände stecken konnte, um sie zu wärmen. Die Redensart “jemandem geht die Muffe (Öffnet in neuem Fenster)“ hat hier ihren Ursprung. Wie es dazu kam, erfährt ihr in meinem Wörterbucheintrag (Öffnet in neuem Fenster).
Euer Peter vom Redensarten-Index.
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