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Der Ri:Newsleisure

Liebe Leserinnen und Leser,

diese Woche ist es glücklicherweise doch noch nicht zum Untergang der digitalen Welt gekommen. Die gefühlt vier apokalyptischen Reiter der Digitalisierung, Facebook, Instagram, WhatsApp und beA, sorgten jedoch für einigen Gesprächsstoff. Wir haben ihn kurz und knapp aufbereitet.

Viel Spass beim Lesen!

News in a nutshell

1. "Did you try to turn it on and off again?"

Die KW40 war ereignisreich rund um das Thema Platformen.

Den Aufschlag machte die ehemalige Facobook Product Managerin und nun Whistleblowerin Frances Haugen, die auf bestehende Rumore aufsetzte und Facebook unter Vorhaltung interner Forschungsergebnisse Demokratiegefährdung und moralischen Bankrott vorwarf. Ob der Bankrott sich nun moralisch beweisen wird und vielleicht sogar in einem wirtschaftlichen Bankrott endet, wird sich zeigen. Hoch kochte in diesem Zusammenhang jedenfalls auch die laufende Diskussion um die monopolähnliche Marktmacht und eine etwaige Zerschlagung (Öffnet in neuem Fenster) des Konzerns, der neben der Plattform Facebook noch weitere weltweit wichtige soziale Netzwerke unterhält: Instagram (seit 2012) sowie WhatsApp (seit 2014). Eine praktische Erfahrung in Bezug auf dieses Klumpenrisiko reicher sind die rund 3,5 Milliarden User (und die Mitarbeitenden von Facebook (Öffnet in neuem Fenster)) seit der 6-stündigen Downtime von Facebook, Instagram und WhatsApp an diesem Montag, den 4. Oktober 2021.

Zur Frage, wie Facebook, Instagram und WhatsApp einfach verschwinden konnten, z.B. https://blog.cloudflare.com/october-2021-facebook-outage/ (Öffnet in neuem Fenster)

Facebook Whistleblower Frances Haugen, The 60 Minutes Interview: https://www.youtube.com/watch?v=_Lx5VmAdZSI (Öffnet in neuem Fenster)

2. beA: Die Angst übermittelt immer mit.

Das besondere elektronische Anwaltspostfach ("beA"), ein Mailingsystem für Anwaltspersonen, gilt als sicherer Übermittlungsweg, u.a. von der Anwaltsperson zum Gericht. Das Problem ist nur: Immer mal wieder klappt das Übersenden von Schriftsätzen (in PDF-Form) nicht wie es soll. Z.B. kommen die Dateien beschädigt und damit nicht zu öffnen an. Viele Kanzleien schicken mangels Vertrauen in beA zusätzlich Telefaxe und Briefe. Sicher ist sicher. Mindestens eine der Sendungen muss bei Gericht eingehen. Schließlich sagt der BGH (Öffnet in neuem Fenster), sinngemäß: Kannst du Anwaltsperson nicht nachweisen, dass die Übersendung mit beA fristgerecht geklappt hat, your problem (Öffnet in neuem Fenster). Der Nachweis des fristgerechten Zugangs von Schriftsätzen ist daher wichtig - nicht nur für die vertretene Mandantschaft, sondern auch für die haftende Anwaltsperson. 

Am 29. September 2021 wurde ein neues beA-Update veröffentlicht. Die verantwortliche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) schreibt zum Release: Zukünftig entfällt der signierte Zeitstempel, welcher für den Export der beA-Nachricht erstellt wird. (Öffnet in neuem Fenster) Die Anwaltschaft ist (zumindest in Teilen) erbost über den damit verbundenen Wegfall des versprochenen rechtssicheren Nachweises des fristgerechten Zugangs eines per beA-Nachricht versandten Schriftsatzdokuments. Oder genauer gesagt: Sie ist erbost darüber, dass die Signatur entgegen der BRAK-Angaben nie einem rechtssicheren Nachweis diente. (Öffnet in neuem Fenster) Zwar ergibt sich aus der exportierbaren beA-Nachricht, dass eine beA-Nachricht zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgreich an das System des Gerichts (den „Intermediär“) übermittelt wurde. Nicht jedoch, ob die anliegenden Dateien, der Schriftsatz und ggf. seine Anlagen, erfolgreich übermittelt wurden. Zudem kann die Übermittlungsinformation, die automatisierte Eingangsbestätigung („export.html“), verändert, d.h. manipuliert werden.

Aus Gerichtssicht besteht kein Grund zur Panik (Öffnet in neuem Fenster).  Vor allem bedürfe es schon einer gewissen kriminellen Energie eines Organs der Rechtspflege wie der Anwaltsperson, die Übermittlungsinformationen zu manipulieren. Auffallen würde es mit hoher Wahrscheinlichkeit, schließlich erfolgte eine Übermittlung, deren Daten mit den von der Anwaltsperson vorgelegten Informationen abgeglichen werden kann.

§ 130a Abs. 5 S. 1 ZPO sagt: 

Ein elektronisches Dokument ist eingegangen, sobald es auf der für den Empfang bestimmten Einrichtung des Gerichts gespeichert ist. 

Das, tatsächlich, ergibt sich nicht aus der Eingangsbestätigung. Sie ist lediglich ein Indiz für den Zugang der an die beA-Nachricht angehängten Schriftsatz-Datei.
§ 130a Abs. 6 ZPO besagt jedoch auch: 

Ist ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet, ist dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und auf die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen. Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

Auch im digitalen Zeitalter muss also miteinander geredet werden. Ob erst nach einem Wiedereinsetzungsantrag oder gar in der nächsten Instanz geredet wird, das bleibt allerdings die offene Frage, die weiterhin zulasten der Anwaltschaft geht. 

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Sache weiterentwickelt und was die Petition (Öffnet in neuem Fenster) bewirkt. Vielleicht muss beA ja doch noch in Quarantäne, wie es sich Mitherausgeber Sebastian Feiler schon in der Ri 01/2020 fragte (Öffnet in neuem Fenster) (zum Heft (Öffnet in neuem Fenster) bitte hier entlang).

TBT

Dass sog. Non-Fungible Tokens, kurz NFTs, sich hervorragend zur Geldwäsche eignen haben wir bereits im Newsleisure #2 (Öffnet in neuem Fenster) aufgezeigt. Aber was kommt danach? Unsere Mitherausgeberin Mirjam Steinfeld sieht und betrachtet die Gefahr, dass NFTs für weitere kriminelle Aktivitäten - namentlich Umsatzsteuer-Karusselle - missbraucht werden können. Warum dem so ist und wie dem vorgebeugt werden könnte, beschreibt sie hier: https://www.linkedin.com/pulse/ready-next-ride-nft-new-vehicle-vat-carousel-fraud-steinfeld-mba (Öffnet in neuem Fenster).

Lesenswert zur Sicht des misstrauischen EU-Gesetzgebers: Steinfeld in Ri-nova 2019, 27 ff. (Öffnet in neuem Fenster): A Legislator's (Hyper-)Activity - The EU and the case of anti-money laundering (Öffnet in neuem Fenster).

Fast Forward

Und wo wir schon über Compliance sprechen: Demnächst erscheint in der Ri eine Rezension des Werks von Geiger "Healthcare Compliance - Praxisleitfaden für Unternehmen und Leistungserbringer im Gesundheitswesen" (Öffnet in neuem Fenster)

Ein schönes Wochenende wünscht

Das Ri:Team