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Der Ri:Newsleisure

Liebe Leserinnen und Leser,

am 26. Oktober 2021 tritt der neue Bundestag zusammen. Ausgehend vom Sondierungspapier (Öffnet in neuem Fenster) der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP wird die Digitalisierung in den kommenden Jahren eines seiner Kernthemen werden. Doch auch die digitalpolitische Strategie der Bundesregierung soll neu aufgesetzt werden, ausdrücklich die KI-Strategie, die Datenstrategie und die Blockchain-Strategie. Der moderne Staat soll kommen. Doch hat Deutschland überhaupt die Grundlagen für digital(politisch)e Modernität? Und was passiert sonst so in der Welt des Digitalen?

Wir haben da mal was vorbereitet.

Herzliche Grüße und viel Spass mit dem 6. Newsleisure

das Ri-Team

News in a nutshell

1. Die Prüfer:innen der BaFin sind schon digital(er)

Während in Berlin noch von der Modernisierung des Staates und der Verwaltung gesprochen wird, sind bei der BaFin in Frankfurt (Öffnet in neuem Fenster) bereits Taten zu sehen. So hat die BaFin jetzt nicht nur eine neue Taskforce als "schnelle Eingreiftruppe" im Bereich komplexer oder innovativer Geschäftsmodelle, um kurzfristig investigativ Prüfungen durchzuführen, sondern auch eine "Data Intelligence Unit (DIU)", eine zentrale Analytics-Einheit. Mit dem neuen Tool "Aufseher-Cockpit", welches zum Ende des Jahres in Betrieb genommen werden soll, sollen die Aufseher:innen alle für sie relevanten Daten erhalten und aufbereitet bekommen. Außerdem will die BaFin u.a. Kryptoverwahrer mit einer neuen IT-Aufsichtsgruppe beaufsichtigen, die sich zudem mit Cyberkrisenprävention und der Überwachung vernetzter IT-Auslagerungsunternehmen befasst. Die IT-Expertise der BaFin soll künftig weiter aufgebaut werden. Doch auch die Branche soll geschult werden in Sachen neue Technologien: Die BaFin baut zu diesem Zweck ihr Schulungsprogramm, u.a. zu Cloud-Computing, Cybersicherheit im Finanzsektor und Distributed Ledger Technologie und Blockchain, aus.

2. Beginnt am 1. Januar 2022 die digitale eBO-lution?

Während das besondere elektronische Anwaltspostsfach (beA) weiterhin die Gemüter und Tastaturen erhitzt (Öffnet in neuem Fenster), ist ein wenig untergegangen, dass ab dem 1. Januar 2022 nicht nur die beA-Nutzung für die Anwaltschaft verpflichtend wird, sondern auch ein neues besonderes elektro­nisches Bürger- und Organi­sa­tio­nen­postfach (eBO) bereitstehen soll. Natürlichen Personen, juristischen Personen sowie sonstigen Vereinigungen wird damit ab dem 1. Januar 2022 die Möglichkeit eingeräumt, ebenfalls am elektro­nischen Rechts­verkehr teilzu­nehmen. Zwar war deren Teilnahme auch schon vorher möglich, etwa per De-Mail. Doch wie wir alle wissen, war diese Lösung nicht sonderlich erfolgreich: Die Telekom schaltet De-Mail „aufgrund fehlender Wirtschaftlichkeit“ zum September 2022 ab (Öffnet in neuem Fenster). Auf ein Neues also!

Die rechtliche Grundlage des eBO ist das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (Öffnet in neuem Fenster), welches in Artikel 6 die entsprechende Änderung der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) vorsieht. Zu finden ist es im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2021 Teil I Nr. 71 vom 11. Oktober 2021 (Öffnet in neuem Fenster). In Kraft tritt das Gesetz am 1. Januar 2022.  

Ob eBO kann, was De-Mail nicht konnte, bleibt abzuwarten. Zunächst einmal muss das eBO überhaupt Realität werden. Und natürlich der Datenschutz. #TeamDatenschutz, übernehmen Sie!

3. Studie eGovernment MONITOR 2021: Digitalisierung in SloMo

Mit dem eGovernment MONITOR 2021 (Öffnet in neuem Fenster) ist nun eine repräsentative Studie der Initiative D21 und der Technischen Universität München zum Digitalisierungsstand der deutschen Verwaltung veröffentlicht worden. Der eGovernment MONITOR 2021 beleuchtet seit 2011 die Situation der digitalen Verwaltung in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sein aktuelles Ergebnis ist vernichtend:

  • Die Digitalisierung des Staates geht nur schleppend voran und bleibt weit hinter den Entwicklungen in Wirtschaft und Privatleben zurück.

  • Im erstmals vorgenommenen Bundesländervergleich zeigt sich, dass sich die Bewertung digitaler Verwaltungsleistungen deutlich zwischen den Bundesländern unterscheidet.

  • Große Infrastrukturprojekte der Verwaltung wie die Behördennummer 115 aber auch der Online-Ausweis erreichen die Bürger:innen nicht.

  • Viele Bürger:innen zeigen sich aber offen für gut funktionierende digitale Interaktion mit Behörden und für neue Technologien wie den Personalausweis auf dem Smartphone oder die elektronische Patientenakte. 

Nicht vergessen werden darf aber auch angesichts der jetzt geplanten Beschleunigung des Aufbaus einer modernen, digitalen Verwaltung, dass Digitalisierung nicht (zu) schnell und allein um ihrer selbst Willen erfolgen darf: (IT- und Informations-)Sicherheit muss oberste Priorität haben (dazu auch Kuhrau in Ri (Öffnet in neuem Fenster) 2020, 117 ff. (Öffnet in neuem Fenster)). Schulungen v.a. der Mitarbeitenden bzw. Beamt:innen sind grundwesentlich. Die aktuelle Situation in der Verwaltung, v.a. in den Kommunen ist keine gute: Zuletzt wurde die Stadt Witten durch einen Hackerangriff lahmgelegt (Öffnet in neuem Fenster). Hier darf nicht einfach etwas "Digitaleres" übergestülpt werden. Die Modernisierung muss von Grund auf erfolgen.

4. Dystopie Metaversum?

Berichten zufolge plant Facebook zur kommenden Woche eine Namensänderung (Öffnet in neuem Fenster). Hierdurch soll der Fokus auf den bereits im Sommer gegenüber Mitarbeitenden angekündigten Aufbau eines "Metaversums (Öffnet in neuem Fenster)" bestärkt werden. In diesem soll die Realität mit einer erweiterten ("augmented") und virtuellen Realität zu einer globalen virtuellen Realität verschmelzen. Eine Umgebung die über die Dienste Facebooks erreichbar sein soll. Hierdurch möchte Facebook eine neue digitale Evolutionsstufe erreichen und 10.000 neue Arbeitsplätze in Europa (Öffnet in neuem Fenster) schaffen. Abzuwarten bleibt eine konkretere Stellungnahme des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg zu diesem Thema, was möglicherweise auf der Connect-Konferenz am 28. Oktober 2021 (Öffnet in neuem Fenster) passieren könnte. 

Obschon der Gedanke dieser doch zunächst dystopisch anmutenden Idee sehr spannend klingt: Die Mitteilung kommt zu einem Zeitpunkt, in dem doch von dem Konzern weniger eine Verschmelzung als doch vielmehr eine Aufspaltung (Öffnet in neuem Fenster) gefordert wird. So wurden vor einiger Zeit Vorwürfe erhoben, der Konzern habe sich gezielt innovative Unternehmen geschnappt, die ihm im Wettbewerb gefährlich werden könnten. In Europa mehren sich Forderungen nach strukturellen Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Digital Markets Act. Und das deutsche Bundeskartellamt hat mit seiner Entscheidung vor fast drei Jahren einen ganz eigenwilligen Weg versucht zu einer Art inneren Entflechtung, die letztendlich nur den Befehl beinhaltet, Nutzer:innen vor einer Zusammenführung von Profilen im Konzern die Wahl zu lassen. 

Es liegt also nahe, dass nicht alle im neuen Facebook ein Raider im Twix-Mantel sehen, sondern auch der Ruf nach mehr Marktaufsicht lauter wird.

5. US-Senatoren wollen Facebooks Pläne zu Diem und Novi stoppen 

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 (Öffnet in neuem Fenster) haben US-Senatoren Facebook aufgefordert, das Krypto-Projekt Diem (den Stablecoin) und Novi (die Wallet) sofort einzustellen. Facebook könne (diese Verantwortung) nicht (an-)vertraut werden, denn es verhalte sich widersprüchlich:

"Despite these assurances, Facebook is once again pursuing digital currency plans on an aggressive timeline and has already launched a pilot for a payments infrastructure network, 5 even though these plans are incompatible with the actual financial regulatory landscape—not only for Diem specifically, but also for stablecoins in general."

Zudem:

"Facebook cannot be trusted to manage a payment system or digital currency when its existing ability to manage risks and keep consumers safe has proven wholly insufficient."

Die Antwort der Diem Association folgte prompt, noch am 19. Oktober 2021 (Öffnet in neuem Fenster):

"Unfortunately, today’s letter from lawmakers to Facebook misunderstands the relationship between Diem and Facebook. Diem is not Facebook. We are an independent organization, and Facebook’s Novi is just one of more than two dozen members of the Diem Association."

Die Geschichte scheint sich zu wiederholen: Im Jahr 2019 wurde die Forderung nach einem Moratorium für Libra laut. Sie löste eine Reihe von Anhörungen im US-Kongress aus, die das Projekt vorerst zum Stillstand brachten. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Reaktion der Diem Association unbeantwortet bleibt. 

Aus Europa hatte sich Diem schon im Frühjahr 2021 zurückgezogen (Öffnet in neuem Fenster)

6. À Propos Social Media...

...die Trump Media and Technology Group geht über einen SPAC-Merger mit der Digital World Acquisition Corp (DWAC) an die Börse. Neben anderen technologiebezogenen Unternehmungen soll auch ein soziales Netzwerk namens "TRUTH Social" als Konkurrenz der bisherigen Dienste von Bigtech etabliert werden. Zu erwarten sind also neue Profile des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten, der ja im Zuge der Ereignisse im Frühjahr diesen Jahres von fast allen Plattformen verbannt worden ist.

Wer mehr über den Deal und die verschiedenen (durchaus interessanten) beteiligten Personen erfahren möchte, erfährt bei CNBC (Öffnet in neuem Fenster) mehr. 

7. Auch die NFT-Community hat einen schlechten Ruf

OpenSource-Kunstprojekte werden eingestellt, weil sich ihre Kreateure gegenüber den Rechtsverletzungen durch NFT-Anbietende machtlos fühlen. So hat sich der Entwickler von "prettymaps" entschieden, seine OpenSource Software von GitHub zu entfernen (Öffnet in neuem Fenster):

"I have closed my other generative art projects on Github and won't be sharing new ones as open source to protect me from the NFT community."

Die Begründung liefert er gleich mit:

"I am personally against NFTs for their environmental impact (Öffnet in neuem Fenster), the fact that they're a giant money-laundering pyramid scheme (Öffnet in neuem Fenster) and the structural incentives they create for theft (Öffnet in neuem Fenster) in the open source and generative art communities."

TBT

Auf den Missbrauch und seine Ermöglichung durch verbreitete Unkenntnis und Falschinformation zu NFTs (Non-Fungible Tokens) hatten wir bereits hingewiesen (Otto, Ri 2021, 31, 47 f. (Öffnet in neuem Fenster)). 

Ebenfalls interessant im Zusammenhang zu den heutigen Newsleisure-Themen:

Birnbach, Pecunia Non Olet? (Öffnet in neuem Fenster), Ri 2017, 104 ff. (Öffnet in neuem Fenster)

Muchoki, M-PESA's Impact on Kenyan Economy (Öffnet in neuem Fenster), Ri-nova 2018, 2 ff. (Öffnet in neuem Fenster)

Otto, Das sichere Kryptowertpapierregister (Öffnet in neuem Fenster), Ri 2020, 64 ff. (Öffnet in neuem Fenster)

Steinfeld, A Legislator's (Hyper)Activity (Öffnet in neuem Fenster), Ri-nova 2019, 27 ff. (Öffnet in neuem Fenster)

Goodman, Stable Coins Are so Hot Right Now (Öffnet in neuem Fenster), Ri 2019, 79 ff.  (Öffnet in neuem Fenster)

Otto, STOchastische Innovation im Finanzbereich (Öffnet in neuem Fenster), Ri 2019, 45 ff. (Öffnet in neuem Fenster)

Fast Forward

In der kommenden Woche erscheint ein Beitrag zu Blockchain und Antitrust.

Und nach all den vielen bunten Infos gibt es nur noch eine offene Frage:

Ein schönes und hoffentlich sonniges Wochenende wünscht

Das Ri:Team