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Ein opferloses Delikt und ein Todesfall

Teil 2

Die Stadt hat einen Flughafen, den zweitgrößten Europas. Er kann möglicherweise den Flughafen in London an Passagierzahlen nie überholen, aber er hat das Potential, zum größten Frachtflughafen Europas zu werden, jetzt, nachdem die amerikanische Armee, die seit Kriegsende weite Teile dort beanspruchte, sich gänzlich von dem Gelände zurückgezogen hat. Dieses Gelände kann man entwickeln, wie es in der Branchensprache heißt. Logistikhallen errichten, Frachtunternehmen ansiedeln. Der Platz ist endlich da, die Stadt beschwert ihren größten Arbeitgeber, was heißt ihren, den größten der Region, nicht mit allzu vielen Auflagen und Vorschriften. Die Demonstranten gegen den Ausbau trägt man ihm weg.

Für dieses Ausbauprojekt stellt der Flughafen einen ungemein begabten Ingenieur ein. Er soll Interessenten finden, die zu festen, vom Flughafenbetreiber ausgearbeiteten, durchaus fairen Konditionen die Logistikzentren bauen. Der Flughafenbetreiber hatte nämlich recht schnell festgestellt, dass er selber zu groß, zu unbeweglich ist, um solche Vorhaben umzusetzen und dass es für ihn zu kostspielig wäre. Und weil es außerdem mühsam ist, auch noch die zukünftigen Mieter für die errichteten Gebäude zu finden, wird auch das schnell den Bewerbern um den Bau der Hallen mit auferlegt. Allerdings müssen diese Mieter den Flughafen voranbringen, einen Mehrwert erbringen, deshalb kann der Flughafenbetreiber ablehnen, wer ihm als Nutzer nicht passt. Zu einem festen Erbbauzins mit einer festen Laufzeit mit selbst mitgebrachtem Mieter kann man einsteigen in das Geschäft, das großen Gewinn verspricht. Denn die Konditionen des Flughafens sind günstig, die Aussichten, dass der Flughafen tatsächlich das Frachtdrehkreuz Nummer Eins in Europa wird, groß. Wer es wagt zu investieren, zu bauen, kann damit rechnen, recht große Gewinne mitzunehmen, wenn er seine Halle verkauft. Ein Risikogeschäft am Anfang, dass der Flughafenbetreiber gänzlich den Investoren überlässt, aber so ist jedes Geschäft, dass große Gewinne verheißt. Also gilt es zum Zuge zu kommen.

Dem Ingenieur wird freie Hand gelassen. Er hat eine gute Hand. Sein Vorgesetzter ist ein Mitglied des Vorstands, es gibt keine umständlichen bürokratischen Zwischenstrukturen.

Der Ingenieur, begeistert von dem Vorhaben, der Freiheit, die ihm gelassen wird, wirft sich mit Verve in die Arbeit. Innerhalb kurzer Zeit ist ein Großteil der Fläche entwickelt. Der Ingenieur findet geeignete Investoren, klärt alle Formalien und unterbreitet direkt dem Vorstandsmitglied die Bewerber. Der entscheidet, nickt meistens ab. Der Flughafen ist schnell da, wo er sein wollte. Den König nennen sie den Ingenieur. Er bekommt sein Angestelltengehalt, hat Freude an der Arbeit, reist durch die Welt, kennt in der Logistikbranche bald jeden und jeder kennt ihn.

Dann kommt eine Wirtschaftskrise. Es gibt nur noch wenig freie Flächen auf dem Logistikgelände, doch für diese finden sich zwei Jahre lang keine Investoren.

Kategorie Vor Gericht

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