Was wir tun können - 14.11.2022
Vor einigen Tagen schickte mir eine Leser:in, Liz, eine Mail:
„Ich will etwas machen, ich muss etwas machen, aber was? Ich würde am liebsten nichts anderes mehr machen als für den Erhalt unserer Welt zu arbeiten, für meine 10 Nichten und Neffen, und mich, und alle anderen Lebewesen. Gibt es einen Ganztagsjob, den ich nehmen könnte? Denn ich muss auch meinen Unterhalt verdienen.“
Was ich tun kann, ist eine Frage, die ich mir auch fast täglich stelle. Privilegien haben, heißt ja, Einfluss zu besitzen, etwas tun zu können. Tun dabei auch wörtlich, also bestimmte Fähigkeiten zu haben.
Welche Fähigkeiten habe ich?
Ich kann zuhören, Freund:innen wie Interviewpartner:innen, kann große Textmengen schnell erfassen, Zusammenhänge erkennen, und das alles wieder in geordneter Form aufschreiben. Ich habe als Kind gelernt, die Bedürfnisse anderer zu erkennen und zu erfüllen, kann gut Gruppen und Teams zusammenhalten.
Was ich weniger gut kann: mich in Strukturen einfinden, im Rhythmus anderer arbeiten, repetitive Aufgaben erledigen. Ich bin ein bisschen unorganisiert, bin schlecht darin, meine Grenzen früh und klar zu kommunizieren.
Was ergibt sich daraus?
© RONJA RØVARDOTTER (Öffnet in neuem Fenster)
Freier Autor macht Sinn. Ich habe meine Freiheiten. Aber das sagt noch nicht, worüber ich schreiben sollte.
Viele, die ich kenne, denken über die Fragen nach: Was ist in der Klimakrise angemessen? Was ist strategisch klug? Das hat seine Berechtigung, prallt aber auch schnell auf Grenzen.
Die Menschheit hat noch nie in einer vergleichbaren Situation gelebt: Nie wurde es so schnell wärmer, nie schaute sie einer heißeren Zukunft entgegen. Es gab zwar Zivilisationen, die durch Entwaldung und falsche Landwirtschaft ihre eigene Lebensgrundlage zerstört haben, aber es gab noch nie die Situation, dass eine kleine Gruppe Menschen die gesamte Erde unbewohnbar machte.
Dazu kommt: Unsere Systeme sind unendlich komplex, alles ist mit allem verbunden – die Konsequenz auch der strategisch klügsten Entscheidung abzusehen, ist unmöglich.
Was bietet mir stattdessen Orientierung?
Du, ich, wir, wir sind grundlegend sozial. Menschen wollen, dass es ihren Mitmenschen gut geht. Ich habe Rutger Bregmans Im Grunde gut noch nicht gelesen, aber so weit ich’s überblicken kann, wird der Beweis da geführt.
Ich glaube die Fragen müssen also lauten: Welche Fähigkeiten habe ich? Und was bringen sie mir angesichts der Klimakrise?
Ich kann schreiben. Und ich habe Angst vor dem, was da kommt. Über die Klimakrise schreiben, hilft mir, mit ihr umzugehen. Ich weiß nicht, wie das genau funktioniert, ob die Krise dadurch nicht mehr so überwältigend groß scheint, oder ich sie durch’s Schreiben in die Buchstaben banne – auf jeden Fall tut es mir gut. Und der Nebeneffekt: Vielleicht profitieren auch andere davon, es entsteht ein Austausch, ein sich gegenseitig stützendes Netzwerk.
Die Klimaaktivistin Ayana Elizabeth Johnson geht noch einen Schritt weiter. Sie fragt: Wie kann ich Freude finden in der Klimakrise? (Öffnet in neuem Fenster)
Um Antworten zu finden, hat sie ein Diagramm entwickelt, das jede/r in ein paar ruhigen Minuten ausfüllen kann:
Merci, RONJA RØVARDOTTER, fürs Erstellen
Die Mitte zeigt dir, was dein Beitrag in der Klimakrise sein könnte, der nicht nur Sinn macht, sondern auch befriedigend wäre. Das ist wichtig, denn dieser Kampf ist ein Marathon und kein Sprint. Ständiges Genervtsein, Burn-Out, Überforderung werden uns nicht weiterbringen.
Und egal, was das Ergebnis ist: Es bedeutet nicht automatisch, so Johnson, dass du deinen Job kündigen musst. Vielleicht ist die Position in deiner Firma, Agentur, Schule oder als Freelancer genau die richtige, weil du da den größten Einfluss auf ein System hast. Denn darauf kommt es letztlich an: Nicht auf unseren individuellen CO2-Fußabdruck, sondern darauf viele Millionen Systeme klimagerecht zu machen.
Ich habe das Diagramm auch noch mal ausgefüllt, und es hat bestätigt, was ich schon gespürt habe:
Ich will weniger klassischen Journalismus machen, weil sich das schon länger nicht mehr angemessen anfühlt in der Klimakrise – zu beengt.
Ich will mehr Zeit auf diesen Newsletter verwenden und darauf eine Community aufzubauen, und vielleicht hilft das ja dabei, gemeinsam ein paar Schritte voranzukommen.