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Wir sind die Demokratie

Ihr Lieben,

diese Woche spukte mir dieser Text im Kopf herum, ich habe ihn aufgeschrieben und möchte ihn gerne mit euch teilen. Er ist nicht ganz typisch für diesen Newsletter. Nächste Woche melde ich mich dann wieder im alten Stil zurück – wobei es auch da etwas Neues geben wird.


Wir sind die Demokratie
Millionen von Menschen auf den Straßen, in ganz Deutschland. Und überall recken sie ihre Handys in den Nachthimmel und singen: „Wehrt euch, leistet Widerstand gegen den Faschismus hier im Land.“ Unsere demokratische Gesellschaft sie scheint gerade zu erwachen. Es scheint, als sei die Correctiv-Recherche, die Enthüllungen rund um die Deportationspläne der AfD, wie ein kollektiver Stolperstein gewesen, die überall in unserem Land in den Bürgersteigen liegen.

Deportation – in dem Wort steckt der ganze Schrecken der Hitler-Zeit. Erst werden Menschen verbal abgewertet. Dann schränken Politiker ihre Freiheit ein, vermeintlich, um die öffentliche Sicherheit zu schützen. Und wenn die Zeit reif scheint, kommt die gewaltsame Vertreibung.

Natürlich hetzt die AfD gegen Muslime, Juden, Sinti und Roma. Doch viele merken jetzt, dass es nicht nur diese Menschen betrifft, dass es uns alle angeht. Man merkt es bei Gesprächen im Umfeld: Freunde, die sich gegen Rechts engagieren, haben Angst: Was passiert, wenn die tatsächlich an die Macht kommen sollten?

Schon 2015 rief der AfD-Politiker Markus Frohnmaier auf einer Rede in Erfurt: „Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und zwar nur für das Volk gemacht – denn wir sind das Volk, liebe Freunde!“

Bei Frohnmaier gibt es Verbindungen zur German Defense League, die unter anderem Anders Breivik inspirierte. Breivik erschoss auf der norwegischen Insel Utøya 67 Teilnehmer eines sozialdemokratischen Zeltlagers.

Viele hatten gehofft, dass sich die Partei mäßigen würde, wenn sie in die Parlamente kommt. Das Gegenteil ist der Fall.

Björn Höcke, Landeschef der AfD Thüringen, hat seitdem seine Macht ausgebaut. Und er hat ein Buch darüber geschrieben, was er will. Für seine Vertreibungsträume, schreibt er, würde er nicht vor „wohltemperierter Grausamkeit“ zurückschrecken. Dabei geht es ihm nicht nur um ethnische Einheitlichkeit – er spricht da auch von „brandigen Gliedern“, um die man sich kümmern müsse.

Ihm geht es um Schwule, Lesben und queere Menschen, eigentlich alle, die nicht so lieben, wie es lange als normal galt. Dazu all die „linksgrün-versifften“, also die Millionen von Umweltschützern, Gewerkschaftern und Mitglieder demokratischer Parteien. Ebenso will er gegen Journalisten, progressive Universitätsdozenten und Autorinnen vorgehen, gegen schlichtweg alle, die der Idee der AfD widersprechen.  

Und ihre Idee heißt im Kern: Es gibt wertvolle Menschen und es gibt wertlose Menschen. Für die AfD ist die Würde des Menschen antastbar. Die AfD ist die große Spalterin: Sie zieht Grenzen durch unsere Gesellschaft, sie unterteilt, klassifiziert.

Es ist Gedankengut aus dem Giftschrank des vergangenen Jahrhunderts, der ganze Sozialdarwinismus, der damals in die Köpfe geschüttet wurde, als vermeintliche Wissenschaft, die sich heute als tief, tief ideologisch rausgestellt hat, und trotzdem noch so wirkmächtig ist.

Das, was die AfD da will, geht gegen die Demokratie. Das heißt, es geht gegen uns, denn: Wir sind die Demokratie.

Demokratie, das sind Wahlen, Parteien und Parlamente. Und noch viel mehr als das. Demokratie ist der Glaube an die Gemeinschaft. Die Überzeugung, dass wir alle die selben Rechte haben und uns gemeinsam regieren können. Demokratie ist die Freude an der Unterschiedlichkeit, das Wissen darum, dass eine Vielzahl von Perspektiven eine Bereicherung sind, weil sie dabei helfen, die Probleme unserer Zeit zu lösen. Es ist die Erfahrung, dass das Ganze größer ist, als die Summe seiner Teile.

Demokratie, das sind alle, die sich für das Wohlergehen von Schwächeren einsetzen, also: die vielen Menschen, die in den Tafeln arbeiten, im Behindertensport, in der Geflüchtetenhilfe. Es sind die Menschen, die sich um ein Baumbeet in der Stadt kümmern, einen ehrenamtlichen Fahrdienst auf dem Dorf organisieren, die in den Hospizen sitzen und Sterbenden Gesellschaft leisten, damit sie nicht allein sind auf ihrem letzten Weg.

Und Demokratie sind auch die Schwächeren, also die Menschen mit Behinderung, die Geflüchteten und Kranken, denn ihre Bedürfnisse sind Einladungen, die eigene Menschlichkeit zu leben.

Demokratie, das ist nicht Du und Ich, sondern, das ist das feine Netz, das sich zwischen uns spinnt. Die Demokratie ist das Wir.

Wir sind die Demokratie.  

Und jetzt sind wir da draußen auf der Straße. Den Aufruf am 3. Februar eine menschliche Brandmauer rund um dem Bundestag zu bilden, haben über 500 Organisationen unterschrieben ­– Fridays for Future, der Chaos Computer Club, die AWO. Feministische, soziale und kirchliche Gruppen. Sportvereine, Nachbarschaftsgruppen, Mütterverbände. Darunter sind Fahrradfahrer, Autofahrer, Veganer und Fleischesser, BILD-Leser und ZEIT-Feuilletonisten. Denn das ist jetzt klar: Deutschland unterteilt sich in jene, die Menschenfeindlichkeit predigen, und die, die auf der Seite des Grundgesetz stehen.

Und für alle, die es immer bloß für eine gute Tat hielten, sich zu solidarisieren mit Menschen mit Migrationsgeschichte: mittlerweile ist das nicht mehr einfach moralisch richtig – sondern auch strategisch geboten. Anders werden wir die AfD nicht stoppen können, als mit breiter Kooperation.

Wo steht die Unternehmerelite dieses Landes? Die AfD hat ein neoliberales Wahlprogramm. Weniger Regulierung, niedrigere Steuern – damit konnte man die Wirtschaft schon immer locken. Hitler war auch möglich, weil die Konzernchefs von damals ihn stützten. Heute müssen sie auf der Seite der Demokratie stehen. Das gleiche gilt für die Merzens, Aiwangers und Söders, die so gerne mit rechter Politik punkten wollen. Sie müssen verstehen, dass sie da nichts gewinnen können, das rechte Parolen nur die Rechten stärken.

Und wir alle anderen: Müssen in den nächsten Wochen weiter auf die Straße gehen. Aber damit ist es nicht getan. Unsere Demokratie lebt von Vertrauen. Das gilt natürlich für den öffentlichen Diskurs: Wo die Lüge herrscht, kann es keinen vernünftigen Austausch geben.

Doch das gilt auch fürs Tun. Nur wenn wir uns gegenseitig vertrauen, können wir gemeinsam handeln, die Krisen unserer Zeit bewältigen, eine lebenswerte Gesellschaft, einen gesunden Planeten für die zukünftigen Generationen sichern.

Ein guter Schritt ist auf der nächsten Demo miteinander zu sprechen. Ein noch besserer sich nach der Demo mit ein paar Leuten aus der Nachbarschaft, dem Betrieb oder Sportverein auf ein Treffen verabreden, und darüber austauschen: Was ist uns eigentlich wichtig? Worauf können wir uns einigen? Und wie können wir dafür in unserem Umfeld sorgen? In diesen Momenten, in solchen Treffen, im gemeinsamen Austausch und Handeln passiert der Zauber der Demokratie, denn:

Wir sind die Demokratie – und nie wieder ist jetzt.

Ich liebe es, Aktivist zu sein. Geld bringt es leider nicht ein. Wenn ihr mich deshalb unterstützen mögt, gerne:

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