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Zeit, erwachsen zu werden - 15.05.2023

Es ist eine Woche kein Protest, ich war zuhause in Bonn, hab mir den Hund meiner Schwester geschnappt. Wir sind erst am Rhein entlang und dann die Sieg hoch gelaufen. Ich liebe diese Landschaft, wahrscheinlich, weil ich in ihr aufgewachsen bin: Auen, alte Bäume, Wiesen, dazu die Sieg – groß genug, dass sie schon ein Fluss ist, aber gleichzeitig klein und vertraut.

Zurück wollte ich nicht den gleichen Weg nehmen und bin durch Geislar gegangen, das Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, es war das erste Mal, dass ich seit 20 Jahren da war. Jedes Haus, jede Straße, jede Ecke eine Kindheitserinnerung. Viel zu viel an einem Tag, an dem ich mal durchatmen wollte. Vor allem aber wirkte alles total klein.

Ich hatte vorher noch meine Schwester angerufen, ihr gesagt, ich wäre in zwei Stunden wieder bei ihr, weil ich dachte, ich würde so lange brauchen und war dann nach einer Stunde da.

Diese Erfahrung mache ich in der Klimakrise auch immer wieder. Die Welt wirkte mal endlos groß, der Himmel unbeschreiblich hoch, beides irgendwie überzeitlich, unveränderlich.

Jetzt wissen wir, dass das nicht so ist.

Dass Geislar so klein wirkt, hat natürlich was damit zu tun, dass ich jetzt größer bin, erwachsen. Und die Welt? Behandeln wir immer noch, als wären wir Kinder.

Charles Eisenstein hat mal bei einem Talk gesagt, dass wir aufhören sollten, von unserer „Mutter Erde“ zu sprechen. Wir sollten uns nicht mehr als ihre Kinder, sondern als ihre Liebhaber verstehen. Den Liebhaber-Part finde ich ein bisschen schräg, der Gedanke ist nicht ganz falsch.

Das Privileg des Kindes ist es, dass es immer und immer weiter nehmen darf, aber das kann natürlich auch kippen. Bei uns ist das gekippt. Wir nehmen, nutzen, schmeißen weg – Verschwendung.

Verantwortung, Gegenseitigkeit, Erwachsensein haben viel damit zu tun, die eigene Sterblichkeit anzuerkennen – die Klimakatastrophe führt sie uns kollektiv vor Augen. Vielleicht ist die Konfrontation damit unsere Chance, aufzuhören, Kinder zu sein.

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