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#64 Wie organisieren sich Gruppen in einem Wohnprojekt auf Mietbasis?

Um innerhalb der Gruppe Verbindlichkeit zu erzielen und Verträge mit Vermietern oder Kooperationspartnern abzuschließen, müssen sich Einzelpersonen zu einem übergeordneten Rechtssubjekt zusammenschließen. Dafür ist eine passende Rechtsform nötig, meist ein „eingetragener Verein“ (e.V.) oder eine „Gesellschaft des bürgerlichen Rechts“ (GbR). 

Anmerkung: Denkbar ist auch eine Genossenschaft, die ganze Bestandsgebäude pachtet (falls Erbbaurecht nicht möglich ist).

Der Zweck des Zusammenschlusses bestimmt die Rechtsform. Daher ist es entscheidend, diesen Zweck langfristig festzulegen. Zweck und Finanzierung stehen zudem in enger Abhängigkeit.

A. Eingetragener Verein

Ein Verein, der nicht auf wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb abzielt, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung ins Vereinsregister beim zuständigen Amtsgericht (§ 21 BGB). Ein „ideeller Zweck“ liegt vor, wenn der Verein nicht unternehmerisch gegenüber Dritten oder gegenüber seinen Mitgliedern auftritt, sondern sich auf soziale oder kulturelle Ziele konzentriert. Vermögensverwaltung und eine untergeordnete wirtschaftliche Betätigung sind möglich. Der Einzelfall entscheidet.

Möchte der Zusammenschluss einen Generalmietvertrag abschließen und an Mitglieder weitervermieten, erfordert dies einen Geschäftsbetrieb mit Buchführung, Rücklagenbildung und finanzielle Organisation. Das soziale Miteinander kann leicht zum Nebenzweck des Zusammenschlusses werden, so dass der Verein vielleicht nicht die “richtige” Rechtsform ist.

Unterstützt der Verein hingegen das soziale Miteinander seiner Mitglieder (als Einzelmieter), so handelt es sich um einen nicht-wirtschaftlicher Verein, oft als „Bewohnerverein“ bekannt.

Das Registergericht prüft nur die abstrakte Zweckformulierung der vorgelegten Satzung, nicht das tatsächliche Konzept. Es ist jedoch riskant, einen ideellen Zweck nur für die Registereintragung zu formulieren und dann unternehmerisch zu handeln. Der Vorstand agiert dann außerhalb der durch den Satzungszweck abgedeckten Tätigkeit und haftet somit uneingeschränkt mit seinem Privatvermögen.

Der abstrakte Satzungszweck muss mit der tatsächlichen Tätigkeit des Zusammenschlusses übereinstimmen. Andernfalls sollte man eine andere Rechtsform, wie die GbR, wählen.

Manche Gruppen wählen die Rechtsform nur nach den vermuteten Folgen, nicht nach dem Zweck. Der eingetragene Verein wird gewählt, damit kein Mitglied Ansprüche an das Vereinsvermögen stellen kann und um die persönliche Haftung auszuschließen. Andererseits wird vergessen, dass jeder aus einem Verein ohne Angabe von Gründen ausscheiden kann. In der Praxis können die Mitglieder nach Abschluss ihres Einzelmietvertrages zur Vermeidung der finanziellen Beteiligung oder wegen Nichterfüllung ihrer Erwartungen leicht austreten - ohne dass dies mietrechtliche Konsequenzen hat. So sind schon viele Projekte eingeschlafen oder gescheitert.

Gemeinnützigkeit

Ein eingetragener Verein hat eine besondere Bedeutung, wenn er gemeinnützig im Sinne von § 52 AO ist. Die Mustersatzung des Bundesjustizministeriums (Öffnet in neuem Fenster)oder der Länderministerien sollte verwendet werden. Eine Abstimmung mit dem Finanzamt zur Gemeinnützigkeit sollte vor der Eintragung erfolgen.

Ob der Verein auch gemeinnützig im Sinne der AO werden soll, bedarf einer separaten Betrachtung:

Schließen sich die Bewohner:innen als eingetragenen gemeinnützigen Verein zur Förderung der Altenhilfe § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO oder zur Förderung der Hilfe für Flüchtlinge oder Behinderte § 52 Abs. 2 Nr. 10 AO zusammen, so ist die „sorgende Gemeinschaft“ auf diese Zielgruppe fokussiert und muss entsprechendes Engagement für die Allgemeinheit (mehr als Selbsthilfe) nachweisen.

Wird ein Verein zur Förderung der Erziehung, Volksbildung § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO oder die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO gegründet, so muss sich der Gemeinschaftsraum aktiv ins Quartier öffnen und steht nicht nur den Bewohner:innen zur Verfügung.

Der gemeinnützige eingetragene Verein kann ein guter zusätzlicher Baustein sein, um beim Prozess der Gruppenbildung (einer bestimmten Zielgruppe) unterstützt zu werden.

Ein schönes Beispiel finden Sie unter …

https://alltagsheldinnen.org/foerderprogramm-gutes-wohnen-alleinerziehende/ (Öffnet in neuem Fenster)

Auch im laufenden Betrieb kann es Fördermittel geben, um Tätigkeiten oder Projekten im Sinne der Abgabenordnung durchzuführen - wenn dies zum Konzept der Gruppe passt.

Als gemeinnützige Organisation locken Fördermittel (z.B. durch Stiftungen), steuerliche Vorteile und die Möglichkeit, Spenden einzuwerben. Fördermittelgeber müssen jedoch die Spielregeln des Gemeinnützigkeitsrechtes beachten. Hilfreich kann folgender Leitfaden sein.

https://www.stiftungen.org/fileadmin/stiftungen_org/Verband/Was_wir_tun/Veranstaltungen/AK-Foerderstiftungen/Leitfaden-Stiftungs-Fundraising.pdf (Öffnet in neuem Fenster)

 

B. Verein ohne Rechtspersönlichkeit

Solange der Verein jedoch noch nicht im Vereinsregister eingetragen ist, handelt es sich um einen „Verein ohne Rechtspersönlichkeit“ (§ 54 BGB).

§ 54 BGB Vereine ohne Rechtspersönlichkeit

(1) Für Vereine, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch Eintragung in das Vereinsregister Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften der §§ 24 bis 53 BGB entsprechend anzuwenden.
Für Vereine, deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und die nicht durch staatliche Verleihung Rechtspersönlichkeit erlangt haben, sind die Vorschriften über die Gesellschaft entsprechend anzuwenden.

(2) Aus einem Rechtsgeschäft, das im Namen eines Vereins ohne Rechtspersönlichkeit einem Dritten gegenüber vorgenommen wird, haftet der Handelnde persönlich; handeln mehrere, haften sie als Gesamtschuldner.

In diesem Fall haften alle Handelnden persönlich und gesamtschuldnerisch. Ein Gruppenkonto kann nicht eröffnet werden, und der “Zusammenschluss” ist nicht legitimiert, Verträge verbindlich für alle abzuschließen.

In manchen Fällen ist der Vermieter dennoch bereit, die “unorganisierten” Bewohner:innen bei manchen Entscheidungen zu beteiligen. Dies erfolgt meist über das Quartiersmanagement. Von einem “Wohnprojekt” sollte nicht gesprochen werden.

C. Gesellschaft des bürgerlichen Rechts

Der Zweck einer GbR kann ideell, unternehmerisch, künstlerisch, vermögensverwaltend oder sozial sein. Alles, was der Verein darf, kann auch die GbR machen … und mehr.

Für die Generalanmietung und Weitervermietung sowie die Anmietung und Organisation von Gemeinschaftsräumen ist die GbR rechtssicher und flexibel.

Die GbR ist in §§ 705 ff BGB geregelt. Viele gesetzliche Vorschriften können durch den Gesellschaftsvertrag verändert werden. So kann die Gesellschaft vereinsähnlich gestaltet werden.

Die Gesellschaft ist ein eigenes Rechtssubjekt und hat ein eigenes Vermögen. Verträge können unter eigenem Namen abgeschlossen werden. 

Bereits zwei Personen können eine GbR gründen, ohne Eintragung in ein Register. Ein (mündlicher) Gesellschaftsvertrag und ein einstimmiger Beschluss genügen, um im Rechtsverkehr unter dem neuen Namen der Gesellschaft aufzutreten. Ein Kooperationsvertrag kann so schnell rechtsverbindlich abgeschlossen werden. Im Vertrag kann inhaltlich eine flexible Anpassung im Zuge der Projektentwicklung vereinbart werden. 

Im Gegensatz zum Verein kann eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen oder auf wichtige Gründe beschränkt werden. Solange jemand in einem Projekt wohnt, kann eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen werden. Eine außerordentliche Kündigung oder ein Ausschluss bleiben jedoch möglich. 

Ein Gesellschafter kann keine Ansprüche auf das Gesellschaftsvermögen geltend machen, solange er beteiligt ist. Bei Auflösung der Gesellschaft oder Ausscheiden eines Gesellschafters können Zahlungsansprüche entstehen. Diese Regelung ist dispositiv, solange sie nicht sittenwidrig ist. Mehrleistungen der Gründer können in der Gesellschaft durch Einlagen und Abfindungen von der nächsten Generation ausgeglichen werden, um Instandsetzungen oder neue Projekte zu finanzieren.  

Die Gesellschaft ist primär für die Erfüllung der Vertragspflichten, insbesondere der Zahlungspflichten verantwortlich. Sie muss durch Eintrittsgelder, Einlagen und laufende Beiträge liquide bleiben. Die Finanzierung ist abhängig von der beabsichtigten Tätigkeit der Gesellschaft. Neben der Kostenumlage müssen mitunter Rücklagen für Instandhaltung, Leerstand oder Zahlungsrückstand einzelner Gesellschafter kalkuliert werden. Auch Mitwirkungs- und Arbeitsleistungen können vereinbart werden. Die GbR bietet deutlich mehr Gestaltungsspielraum als das Vereinsrecht: so müssen nicht alle Gesellschafter gleich behandelt werden.

Aufgrund der Gesetzesänderung seit dem 1.1.2024 ist die Durchgriffshaftung eines Gläubigers der GbR auf einen Gesellschafter ausgeschlossen. Ein Urteil oder die Androhung der Zwangsvollstreckung gegen die GbR wirkt nicht gegen die einzelnen Gesellschafter. Die persönliche Haftung der Gesellschafter bleibt nachrangig möglich - hat aber keine praktische Auswirkung, solange die Gesellschaft zahlungsfähig bleibt. Zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit ist eine Nachschusspflicht denkbar. Der Gesellschaftervertrag sollte Handlungsoptionen im worst-case-Fall vorsehen. Eine (drohende) Insolvenz eines Mitgesellschafters ist ungefährlich, wenn ein Ausschluss aus der Gesellschaft vereinbart wurde.

Die Gestaltung der Versammlungen, die Wahl der Geschäftsführungs- und Vertretungsberechtigten und die Beschlussfassung können die Gesellschafter selbst bestimmen. Man kann sich ans Vereinsrecht anlehnen oder alternative Methoden verankern.

Im Internet gibt es noch keine Gesellschaftsverträge auf aktueller Gesetzesbasis. Ich berate gerne.

Gruppenbildung

Neben der richtigen Rechtsform muss sich die Gruppe auf der persönlichen Ebene finden. Die Beteiligten verbindet in der Regel der abstrakte Wunsch nach einer aktiven Nachbarschaft mit verlässlichen sozialen Kontakten, gemeinsamen Freizeitoptionen und gegenseitiger Unterstützung im Alltag.

Für die praktische Umsetzung und Konfliktlösung gibt es unterschiedliche Methoden, die Sie nachlesen können:

https://win.fgw-ev.de/lernbereich/materialsammlung/#kw8 (Öffnet in neuem Fenster)

Auch eine professionelle Gruppenbegleitung kann sehr hilfreich sein.

https://www.wohnprojekte-portal.de/beraterinnen/uebersicht/sonstige-begleitung/#berater (Öffnet in neuem Fenster)

Sie finden mich beim Wohnprojekte-Portal unter Rechtsanwält:innen.

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (Öffnet in neuem Fenster)

 

Kategorie juristische Fachthemen

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