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Newsletter 03/24 * Bildung für nachhaltige Entwicklung 🌷🌷

Lieber Leserschaft,

über die Osterfeiertage gibt es thematisch einiges zu lesen 😉. In Zeiten, in denen einfache Lösungen gesucht werden, möchte ich den Blick auf komplexe Zusammenhänge werfen. Ich schlage einen Bogen von der „Nachhaltigen Ökonomie“, über “gemeinwohlorientierte Unternehmen” zu den „Alternativen Wohnformen“ als Teil der “Sharing - Ökonomie”. Ich freue mich, wenn Sie mir dabei folgen.

“Die Wirtschaft ist schuld an der Klimamisere".

Dieser Satz ist in vielfacher Hinsicht falsch:

  • ein qualitatives Wirtschaftswachstum ist notwendig, um Investitionen in die nachhaltige Transformation finanzieren zu können;

  • zur Wirtschaft gehören auch wir Bürger:innen, die mit ihren Kaufentscheidungen oder alltäglichen Handlungen die Unternehmen beeinflussen;

  • eine nachhaltige Ökonomie hilft nicht nur dem Klima, sondern jedem einzelnen und der Menschheit.

Schon vor Jahrzehnten hat sich die Wirtschaftswissenschaft von der Idee des grenzenlosen Wachstums entfernt. Wenn jeder das Optimum für sich erstrebt, so hat die Gesellschaft insgesamt ein Problem, dass sich langfristig auch beim Unternehmer zeigt. Ein gutes Beispiel ist die Überfischung.

Die wirtschaftstheoretischen Denkschulen definieren ökonomische Nachhaltigkeit oder nachhaltige Ökonomie vielmehr über folgende Kriterien, die sich wechselseitig beeinflussen:

  • langfristige wirtschaftliche Stabilität

  • Ressourcenschutz und Suffizienz

  • Effizienz

  • Umweltstandards und

  • soziale Standards

Für alle, denen dies zu abstrakt erscheint, könnte ich auch formulieren:
Was kann die Ökonomie beitragen, ...

  • um die Würde des Menschen zu gewährleisten;

  • um den Planeten zu schützen;

  • um Frieden und Wohlstand für alle

  • und damit globale Partnerschaft herzustellen?

Um sicherzustellen, dass der wirtschaftstheoretische Ansatz auch in der Praxis bei Unternehmen Anklang findet, besteht der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (Öffnet in neuem Fenster)schon seit mehr als 30 Jahren.

Neben den Unternehmen spielen der Staat und die einzelnen Wirtschaftsbürger gleichermaßen wichtige Rollen.

Blick auf den Staat

Die Bundesregierung hat eine „Nationale Strategie für Soziale Innovation und Gemeinwohlorientierte Unternehmen” (Öffnet in neuem Fenster)aufgelegt. Diese Nationale Strategie führt keine eigene Definition ein, sondern greift auf die Definition der Europäischen Union zurück. Diese orientiert sich nicht an Rechtsformen, sondern setzt inhaltliche Rahmenbedingungen für diejenigen, die sich als Teil der „Gemeinwohlorientierten Unternehmen“ verstehen.

Gemeinwohlorientierte Unternehmen - im Sinne der nationalen Strategie und im Einklang mit der Definition der Europäischen Kommission - sind solche Unternehmen,

  • für die soziale oder ökologische, gemeinwohlorientierte Ziele* Sinn und Zweck ihrer Geschäftstätigkeit darstellt;

  • deren Gewinne größtenteils wieder investiert werden, um dieses Ziel zu erreichen und

  • deren Organisationsstruktur oder Eigentumsverhältnisse dieses Ziel widerspiegeln, da sie auf Prinzipien der Mitbestimmung oder Mitarbeiterbeteiligung basieren oder auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet sind.

*Diese sozialen, ökologischen und gemeinwohlorientierten Ziele werden nicht weiter benannt, es wird vielmehr ausdrücklich Bezug auf die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung genommen, die im Jahr 2015 von den Vereinten Nationen mit der „Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung“ verabschiedet wurde (Sustainable Development Goals, SDGs).

In unserem Zusammenhang sind insbesondere
SDG 1: keine Armut
SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
SDG 12: Nachhaltige/r Konsum und Produktion
von Bedeutung.

https://17ziele.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

Die Nationale Stadtentwicklungspolitik hat mit der “Neuen Leipzig Charta” (2020) (Öffnet in neuem Fenster) ebenfalls die Stärkung des Gemeinwohls in Städte und Gemeinden im Blick.
Gleichzeitig geraten die Kommunen mit den vielen Anforderungen und Zielkonflikten aber immer mehr unter Druck. Eine interessante Handreichung gibt hilfreiche Impulse:

https://www.uni-flensburg.de/nec/nec-news/news/handreichung-genug-stadt-krisen (Öffnet in neuem Fenster)

Diese Ansätze funktionieren nur unter Beteiligung der Bürger:innen.

Blick auf uns Bürger:innen

Von zentraler Bedeutung ist die Erkenntnis, dass die Perspektiven aller Interessensgruppen in der aktuellen Situation und in der künftigen Weltgesellschaft gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Weniger im Bewusstsein ist, dass Konflikte immer dazugehören. Bessere Löhne oder höhere Umweltstandards führen zur Verteuerung von Produkten. Preiswerte Lebensmittel kann es ohne staatliche Subventionen nicht geben, wenn Lohndumping oder geringer Anforderung an das Tierwohl verhindert werden sollen. In einem reichen Staat können die Konflikte durch Subventionen oder Fördermittel kompensiert werden. Muss der Staat sparen, so brechen die Konflikte offen aus.

Die Preise für Produkte oder Dienstleistungen entsprechen häufig nicht den realen Kosten. Berufsgruppen, die von Subventionen abhängen sind (z.B. Landwirte) oder die durch Preisvorgaben gedeckelt werden (Gesundheits- und Pflegeberufe) erhalten keine faire Vergütung für die tatsächlich erbrachten Leistungen. Langfristig müssen wir als Gesellschaft in den Dialog eintreten, wie viel uns welche Leistungen wert sind und an welchen Stellen auch Verzicht geübt werden muss.

Wir alle sind gefordert, mit Empathie und Respekt diese Zielkonflikte zu benennen, auszuloten und zu lösen. Hierfür müssen Kompetenzen entwickelt werden, die auch Teil der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Öffnet in neuem Fenster) sind.

Viele Jahre / Jahrzehnte wurden wir Bürger:innen zu schweigenden Konsument:innen erzogen - jetzt müssen wir die notwendigen Veränderungen auch als Chance zur Mitwirkung und Gestaltung verstehen.

Dummerweise verführt unser Gehirn uns zu einer Weltsicht, die mitnichten der Realität entspricht, wie der geniale Statistiker und Wissenschaftler Hans Rosling in seinem Buch “Factfulness” erklärt (Öffnet in neuem Fenster).
Ich lade Sie herzlich zu einem kleinen SDG-Test ein, ob die eigene Vorstellung wirklich den Fakten entspricht » Gapminder (Öffnet in neuem Fenster)

“Wir brauchen insgesamt eine offene, neugierige und entspannte Geisteshaltung, in der wir nur noch Ansichten teilen und Urteile fällen, die auf soliden Fakten basieren.”

Diese Kompetenz ist gleichermaßen wichtig für unsere Demokratie.
Lebenslange Bildung ist der beste Schutz vor rückwärtsgewendete „Lösungen“ extremistischer Parteien und Gruppierungen, die bewusst mit den Ängsten der Menschen spielen.

“Weniger ist Mehr” oder “Genug für alle”

Der Denkansatz von Suffizienz und Sharing (SDG 12 Nachhaltige/r Konsum und Produktion) wird auch in der oben genannten Handreichung (Öffnet in neuem Fenster) beschrieben.

Hier kann jeder Einzelne etwas bewirken. Individueller Verzicht ist aber emotional negativ besetzt. Autos, Maschinen, Räume gemeinsam zu nutzen, kann jedoch auch ein Gewinn sein. Neben der Kostenteilung wird der Einzelne von der Eigenverantwortung entlastet, kann soziale Bindungen aufbauen und erfährt seine Selbstwirksamkeit. Es lohnt sich nachzudenken, worin Lebensqualität besteht.

Gerade für den Bereich Gebäudenutzung gibt es ein riesiges Potenzial für Suffizienz, wenn

  • unsichtbaren Wohnraum genutzt wird; (Öffnet in neuem Fenster)

  • Bestandsobjekte nicht abgerissen, sondern umgebaut / umgenutzt werden;

  • Baulücken und Flachdächer genutzt werden und

  • Neubauten zukunftsfähig und flexibel konzipiert werden.

Zu jedem Denkansatz gibt es eine Vielzahl von Akteuren, die kreative Lösungen entwickeln und entsprechende Projekte realisiert haben.

An dieser Stelle nur ein paar Gedanken:

Alternative Wohnformen setzen auf eine Kombination von individuellen Flächen und Gemeinschaftsräumen für die nicht tägliche Nutzung (Familienfeier, Besuch von Gästen, Werkstatt, Musikzimmer, Hauswirtschaft ect). Studien haben bewiesen, dass mehr als 30 m² individuelle Wohnfläche pro Person keine Steigerung der Lebensqualität bringen. Einfamilienhausqualität lässt sich auch in kompakten Mehrfamilienhäusern realisieren. Kreative Architektur schafft gleichermaßen Privatheit, individuelle Gestaltungsmöglichkeit und ein Erlebnis von drinnen und draußen.

Auch Clusterwohnen erfreut sich steigender Beliebtheit, da Räume bei Bedarf abgetrennt oder dazu genommen werden können (erwachsene Kinder ziehen aus, die pflegebedürftige Mutter wird aufgenommen). Die Vielfalt des Miteinander-Wohnens ist groß.

Viele Wohnprojekte entwickeln auch gemeinsame Mobilitätskonzepte oder teilen sich Werkzeug. Dabei entsteht viel Wissen über Gruppendynamik, Umgang mit Konflikten und Entscheidungsfindung.

Die Förderung einer Kultur des Teilens (Sharing) ist wichtig für die Transformation der Gesellschaft, da das Teilen von Ressourcen, Wissen und Verantwortung angesichts steigender Ressourcenknappheit und vermehrter Krisen von entscheidender Bedeutung ist.

Eine neue Konsum- und Bewusstseinskultur, die das Teilen und Pflegen statt Besitzen in den Fokus rückt, senkt den Ressourcenverbrauch und trägt zu einem gemeinschaftlichen und solidarischen Miteinander bei. Gerade in ländlichen Regionen war das Teilen von jeher in der Gesellschaft verankert. Nun sollte diese Kultur verstärkt re-etabliert und ein niedrigschwelliger Zugang zu geteilten Gütern und Dienstleistungen ermöglicht werden, was zugleich der Chancengleichheit und Daseinsvorsorge nützt.

Zentraler Lernraum ist immer die Kommune, die als Impulsgeber und Vorbild wirken kann. Meine Heimatstadt Schwabach hat sich mit der Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg gemacht:

https://www.schwabach.de/de/zuhause-in-schwabach/nachhaltigkeit.html (Öffnet in neuem Fenster)

Während der Einzelne nur seine persönliche Umweltbilanz verbessert, kann eine strukturverändernde kommunale Strategie - gemeinsam mit der Zivilgesellschaft - eine ganz andere Hebelwirkung entwickeln: nachhaltiges Verhalten fällt so vielen Menschen leichter, wird preiswerter und vielleicht so zum Standard.

Dieser vielversprechender Ansatz wird als “Handabdruck” bezeichnet - in Ergänzung zum ökologischen Fußabdruck.

Inzwischen wissen Viele, was sie persönlich tun können, um etwas nachhaltiger zu leben. Dafür bietet der ökologische Fußabdruck  eine gute Orientierung. Aber die Bemühung um einen nachhaltigen Lebensstil frustriert immer dann, wenn nachhaltige Optionen kompliziert, teuer oder gar nicht verfügbar sind. Hinzu kommt, dass nur ein Teil der Gesellschaft sich überhaupt aktiv um einen fairen Fußabdruck bemüht. Hier kommt der Handabdruck ins Spiel. Handabdruck-Aktionen verändern die Rahmenbedingungen so, dass nachhaltiges Verhalten leichter, naheliegender, preiswerter oder zum Standard wird. Während man beim Fußabdruck nur seine persönliche Umweltbilanz verbessert, beeinflusst eine Handabdruck-Aktion die Situation für mehrere Menschen. (Öffnet in neuem Fenster)

Ich hoffe, mein heutiger “Bildungsausflug” 📚 hat Ihnen gefallen.
Auch wenn ich “nur” Wohnprojekte berate, so möchte ich deren Bedeutung in den passenden Kontext einbinden und gleichwohl Projekte anregen, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

Ich wünsche Ihnen ein wunderschönes Osterfest 🌷🌷🌷

Der nächste Newsletter 04/24 kommt schon bald.
Dann gibt es viele Veranstaltungs- Lese-, und Hörtipps …

Ihre
Angelika Majchrzak-Rummel

https://wonderl.ink/@angelika.maj_rml (Öffnet in neuem Fenster)

Gerne mehr …

Kategorie Neuigkeiten

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