#56 🚦 Ankaufsrecht bei Baugruppen und in der WEG
Gruppen, die zunächst gemeinschaftlich planen und bauen wollen, um später privates Eigentum - meist in Form von Wohnungseigentum - zu erwerben, werden als "Baugruppen" oder "Baugemeinschaften" bezeichnet.
Die rechtlichen Abläufe und Beurkundungen sind komplex und werden in diesem Beitrag nicht behandelt. Hier geht es um die Frage, ob und wie der Verkauf der Wohnungen (als Sondereigentum in einer WEG) gesteuert werden kann.
Hintergrund dieser Fragestellung ist einerseits die Vermeidung von Spekulation (1) und andererseits der Wunsch der Gruppe, einen geeigneten Nachfolger oder eine geeignete Nachfolgerin zu finden (2).
1. Hinsichtlich der Spekulation empfehle ich als Einstieg die Ausführung von Dorothea Heintze in ihrem Blog “wohnLage” (Öffnet in neuem Fenster).
Die Verantwortung zur Vermeidung von Spekulation liegt zunächst bei den Kommunen. Viele Kommunen vergeben Grundstücke im Rahmen von Konzeptverfahren nicht mehr an Baugruppen, sondern ausschließlich an Genossenschaften oder Miethäuser-Syndikats-Projekte.
Andere Kommunen verkaufen Grundstücke nur für Selbstnutzung der Käufer und sichern dies durch rechtlich bindende Vereinbarungen ab.
Hierzu habe ich bereits einiges zusammengetragen:
2. Vielfach möchten die Mitglieder der Baugruppe selber Einfluss auf die Auswahl der Miteigentümer / Mitbewohner haben. Vorrangig geht es darum, dass der/die Neue am gemeinschaftlichen Miteinander interessiert ist.
Wie können die Mitglieder in diesen Veräußerungsprozess eingebunden werden?
Veräußerungsbeschränkung in der Teilungserklärung nach WEG
In vielen älteren Teilungserklärung findet sich die „Zustimmungspflicht des Verwalters bei Veräußerungen“. Die nach § 12 WEG (Öffnet in neuem Fenster) vereinbarte - Veräußerungsbeschränkung - hat jedoch nur wenig praktische Bedeutung. Der Schutz des Eigentums (freie Veräußerung) ist ein hohes Gut. Die Zustimmung zu einer Veräußerung kann nur aus wichtigem Grunde verweigert werden.
Hierzu gehört nicht die Frage, ob jemand von der Gruppe „passt“.
Als Beispiele für einen wichtigen Grund sind anerkannt
beabsichtigte Nutzung der Wohnung als Bordell bei einem reinen Wohngebäude
Erwerber war früher bereits Mieter im Objekt und hatte Mietschulden
Erwerber verfügt über kein Einkommen oder Vermögen
Der veräußerungswillige Sondereigentümer kann andernfalls mit Erfolg auf die Erteilung der Zustimmung klagen. In neueren Teilungserklärungen wird deshalb auf Veräußerungsbeschränkung verzichtet.
Vorkaufsrecht in der Teilungserklärung nach WEG
Im BGB gibt es gesetzliche Vorkaufsrechte (Mieter bei Umwandlung in die WEG) (Öffnet in neuem Fenster) und das frei vereinbarte Vorkaufsrechte nach §§ 463 ff BGB.
Das Vorkaufsrecht kann nur ausgeübt werden, wenn bereits der Verpflichtete mit dem Dritten einen (notariellen) Kaufvertrag über das Sondereigentum abgeschlossen hat. Durch eine schriftliche Erklärung (muss nicht notariell sein), kann der Berechtigte bzw. der Bevollmächtigte das Vorkaufsrecht ausüben. Mit der Ausübung kommt sofort der Kaufvertrag zwischen Berechtigtem und Verpflichteten zu den Bedingungen zustande, die mit dem Dritten beurkundet wurde. Der vereinbarte Kaufpreis ist gemäß der vereinbarten Fälligkeit an den Verkäufer zu zahlen. Das Vorkaufsrecht kann bei Immobilien nur bis zum Ablauf von zwei Monaten ausgeübt werden. Steht das Vorkaufsrecht mehreren gemeinschaftlich zu, so kann es nur im Ganzen ausgeübt werden.
Für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte in der Teilungserklärung der Verwalter zur Ausübung bevollmächtigt werden. Intern muss der tatsächlichen Ausübung - entsprechend den Formalitäten des WEG-Rechtes bzw. der Teilungserklärung - eine allstimmige Beschlussfassung vorausgehen, da ja die Finanzierung des (mit dem Dritten bereits vereinbarten) Kaufpreises nebst aller Nebenkosten (Notar, Grundbuch, Grunderwerbsteuer) gesichert sein muss. Die Finanzierung könnte allenfalls in Form von Sonderumlagen in Höhe der jeweiligen Miteigentumsanteile erfolgen. Allstimmigkeit und Finanzierung sind nur selten innerhalb der Ausübungsfrist von 2 Monaten zu schaffen.
Das Vorkaufsrecht ist leicht zu unterlaufen, wenn der Verwalter von dem Verkauf der Eigentumswohnung erst nach Grundbucheintragung des Erwerbers davon erfährt.
Das Vorkaufsrecht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte über Auflassungsvormerkungen in jedem Wohnungsgrundbuchblatt dinglich abgesichert sein. Dies ist kostenaufwendig und kann bei der eigenen Finanzierung von Nachteil sein.
Ankaufsrecht im Gesellschaftsvertrag
Das Miteinander der Baugruppe wird im Gesellschaftsvertrag geregelt.
Dieses Miteinander kann seit der “Modernisierung des Personengesellschaftsrechtes” auch auf ein dauerhaftes Miteinander ausgerichtet sein. Die Gesellschaft selbst ist rechtsfähig. Vor dem 01.01.24 hätte jeder Gesellschafter jedem Gesellschaft ein Ankaufsrecht einräumen müssen. Nunmehr räumt jeder Gesellschafter DER Gesellschaft das Ankaufsrecht ein. Zur Ausübung eines Ankaufsrechts muss die Gesellschaft zwingend im Gesellschaftsregister eingetragen sein. Insofern spreche ich nachfolgend immer von eGbR.
Ein Ankaufsrecht ist eine Option, d . h . ein rechtlich bindendes Angebot, das innerhalb bestimmter Frist angenommen werden kann. Die Vereinbarung bedarf, soweit sie ein Grundstück betrifft, der notariellen Form und kann durch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert werden.
So kann notariell vereinbart werden, dass für den Fall, dass ein Eigentümer seine Wohnung verkaufen will, die eGbR innerhalb einer festgelegten Frist das Recht haben, den Anteil zu einem festgelegten Preis bzw. gemäß einer bestimmten Berechnungsart anzukaufen.
Der Anwendungsbereich ist deutlich größer als beim Vorkaufsrecht.
Auch die Gestaltungs- und Finanzierungsfreiheiten sind im Gesellschaftsrecht größer als im WEG-Recht:
eGbR kann selbst das Ankaufsrecht ausüben
das Ankaufsrecht kann durch einen - von der eGbR benannten - Dritten ausgeübt werden
eGbR kann auf die Ausübung des Ankaufsrechtes verzichten, wenn - ein vom Verkäufer benannter - Dritter Mitglied der eGbR wird
Die Gesellschaft kann im Innenverhältnis die Finanzierung frei beschließen. Denkbar ist eine anteilige Kostenbeteiligung aller über die Beteiligungsquote oder eine „Vorfinanzierung“ durch finanzstarke Gesellschafter bis zum Verkauf an einen geeigneten Nachfolger.
Das Ankaufsrecht greift schon vor der tatsächlichen Veräußerung. Es kann dauerhaft gelten oder zeitlich befristet sein für die Bauphase. Letztes ist sehr wichtig, wenn einzelne Gesellschafter / Bauherren wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht mehr zahlungsfähig sind. Ein schnelles Zugriffsrecht der Gesellschaft - zu festen Bedingungen - ist für die Realisierung des Gesamtprojekt äußerst hilfreich.
mein unverbindliches beurkundungspflichtiges Muster
- Auszug aus Gesellschaftsvertrag -
1. Jeder Bruchteilseigentümer / jeder Sondereigentümer verpflichtet sich, eine beabsichtigte Veräußerung seiner Immobilie an Dritte der Gesellschaft schriftlich mit Zugangsnachweis anzukündigen, damit diese von ihrem Ankaufsrecht Gebrauch machen kann. Als Veräußerung gilt nicht die lebzeitige Übertragung an Ehepartner oder nahe Familienangehörige.
2. Das Ankaufsrecht gilt zeitlich unbefristet / zeitlich begrenzt bis 5 Jahre nach Fertigstellung und Abnahme von Sonder- und Gemeinschaftseigentum.
3. Für jede Pflichtverletzung wird eine pauschale Vertragsstrafe von 50.000 € pro Verstoß zugunsten der Gesellschaft vereinbart. Diese ist verwirkt, wenn die Veräußerung schuldhaft ohne Mitteilung vollzogen wird.
4. Jeder Bruchteilseigentümer / jeder Sondereigentümer verpflichtet sich, Kaufinteressierte darauf hinzuweisen, dass die Immobilie nur gleichzeitig mit der Übertragung der Geschäftsanteile an der Gesellschaft veräußert werden darf. Der Gesellschaftsvertrag darf zur Einsichtnahme - ohne personenbezogene Daten und Anlagen - dem Interessierten vorgelegt werden.
5.1. Jeder Bruchteilseigentümer / jeder Sondereigentümer räumt der Gesellschaft ein
Ankaufsrecht
im Falle einer beabsichtigten Veräußerung durch einen Gesellschafter
nach einer Kündigungserklärung und
bei Ausschluss eines Gesellschafters
mit nachstehendem Inhalt ein:
5.2. Das Ankaufsrecht berechtigt die Gesellschaft durch einseitige, notariell zu beurkundende Erklärung einen Kaufvertrag über jeden Miteigentumsanteil in Bruchteilen über jedes Sondereigentum in der Wohnungseigentümergemeinschaft (nebst Übertragung des Gesellschaftsanteils) herbei zu führen, und zwar
zum Erwerb durch die Gesellschaft oder
zum Erwerb durch einen von der Gesellschaft zu benennenden Dritten.
5.3. Die Beurkundung des Ankaufsrechtes hat innerhalb von 6 Wochen nach Klärung des Ankaufspreises zu erfolgen.
Unterbleibt die Beurkundung auch nach schriftlicher Fristsetzung durch den Verpflichteten, so gilt dies als Verzicht auf Ausübung. Eine freie Veräußerung des Immobilieneigentums nebst Übertragung der Gesellschaftsanteile an den Erwerber ist möglich. Die Zustimmung darf nur noch aus wichtigem Grund verweigert werden.
5.4. Der Inhalt des Kaufvertrages wird von der Gesellschaft nach billigem Ermessen gemäß § 315 BGB bestimmt. Der Ankaufspreis wird in erster Linie durch Einigung der Parteien bestimmt unter Maßgabe folgender Vereinbarung:
5.4.1. Durch den Ankaufspreis darf kein Spekulationsgewinn entstehen. Anhaltspunkt für einen Spekulationsgewinn ist die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Immobilie und den Erstellungs- bzw. Erwerbskosten andererseits.
5.4.2. Der Wert der Beteiligung an der Gesellschaft ist zu schätzen. Ein Spekulationsgewinn darf nicht realisiert werden. Das Vermögen der Gesellschaft, insbesondere auch Rücklagen und Erhaltungsrückstellungen, ist nicht auseinanderzusetzen und auch nicht anteilig auszahlbar.
5.4.3. Die Freistellung von fälligen und künftigen Zahlungsverpflichtungen und eine interne Haftungsfreistellung sind als geldwerte Leistungen zu berücksichtigen.
5.5. Können sich die Parteien innerhalb von 6 Wochen ab Ankündigung auf keinen Ankaufspreis zu einigen, benennt jede Partei einen öffentlich bestellten Gutachter zur Immobilienbewertung. Die Parteien können einen Gutachter gemeinsam benennen und bestellen. Die Kosten der Wertfeststellung tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.
Erfolgt keine gemeinsame Benennung und Bestellung, so ist jede Partei berechtigt und verpflichtet einen eigenen Gutachter binnen 4 Wochen nach Aufforderung zu bestellen. Bei Unterschieden in der Wertfeststellung ist der Mittelwert beider Gutachten verbindlich. Jede Partei trägt die Kosten des eigenen Gutachters.
5.6. Der beurkundete Ankaufspreis ist nach Mitteilung des Notars über den grundbuchrechtlichen Vollzug innerhalb von 3 Wochen zur Zahlung an den Verpflichteten fällig.
Die Kosten der Beurkundung und des Vollzugs trägt der Ankaufs-berechtigte bzw. der als Käufer benannte Dritte.
5.7. Die Gesellschaft als Ankaufsberechtigte kann jederzeit schriftlich auf die Ausübung des Ankaufsrechtes verzichten. Dies gilt insbesondere, wenn der Dritte die Beitrittserklärung gemäß § 14 unterzeichnet hat und die erforderliche Zustimmung in der Gesellschaftsversammlung erteilt wurde.
5.8. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Übertragung des Eigentums an den jeweiligen Ankaufsberechtigten aus den vorstehenden Vereinbarungen wird die Eintragung einer
Vormerkung gemäß § 883 BGB
an jedem Bruchteilseigentum der Fl.Nr. xx / an jedem Sondereigentum der WEG xx zugunsten der Gesellschaft im Grundbuch bewilligt.
Die Eintragung dieser Vormerkungen wird vorerst nicht beantragt. Die Gesellschaft ist jedoch berechtigt, jederzeit die Eintragung der Vormerkung an nächstoffener Rangstelle zu beantragen.
- Auszug aus Gesellschaftsvertrag -
Über das Ankaufsrecht kann die eGbR die Rolle eines “Bewahrers” der ursprünglichen Idee des Miteinanders auch beim Wechsel der Eigentümer übernehmen.
Herzliche Grüße
Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin und Projektberaterin