Was in den Wahlprogrammen steht
Liebe Leser*innen,
in den letzten Wochen habe ich zusammen mit Mitstreiter*innen der My Brain My Choice Initiative viel Zeit mit den Wahlprogrammen verbracht. Hier ist das, wie ich es zusammenfassen würde, inhaltlich insgesamt wenig inspirierende Ergebnis:
https://mybrainmychoice.de/btw25/ (Öffnet in neuem Fenster)Wir arbeiten an einer übersichtlichen Darstellung für unsere Social Media-Kanäle. Dies ist die Vollversion.
Meine Einschätzung:
Es ist nicht alles schlecht, manches sogar ganz gut und vor allem die Zuwendung einiger aktuell kleiner Parteien zu den relevanten Fragestellungen verdient es, positiv hervorgehoben zu werden. Auch bei aktuell großen Parteien zeigt sich, dass man an gesundheitspolitischen Errungenschaften festhalten und sie ausbauen möchten. Das sind wichtige Punkte, die bei den Parteien zum Glück einen guten Stellenwert haben.
Aber in Anbetracht der aktuell wahrscheinlichen Szenarien für das Wahlergebnis, zeigt sich, dass wir an keinen Punkt angelangt sind, bei dem die gescheiterte “Drogenbekämpfung” zur Debatte steht. Im Gegenteil.
Einige Parteien stehen den Gebrauchenden illegalisierter Substanzen prinzipiell akzeptierend und entspannt gegenüber (auch wenn diese Haltung durch eine verstärkte Durchsetzung des Strafrechts torpiediert wird, solange es keine Entkriminalisierung gibt). Aber eine wichtige Frage bleibt unbeantwortet: Irgendwoher müssen die Drogen ja kommen. Die dringend angebrachte Diskussion, internationale Verantwortung für die teils grausamen, gewaltvollen Lieferketten zu nehmen (nicht zuletzt auf Wunsch von Kolumbien und Bolivien), scheint in noch weitere Ferne gerückt zu sein.
Die “Organisierte Kriminalität”, also vor allem der illegale Drogenhandel, soll mit mehr Polizei bekämpft werden. Wie kontraproduktiv und destablisierend das hauptsächlich auf Polizei setzende Vorgehen gegen “Organisierte Kriminalität” ist, könnte man inzwischen erkannt haben. (Bspw. dank diesem Bericht und den Handlungsempfehlungen von ehemaligen Regierungsmitgliedern, der Global Commission on Drug Policy, von 2020. Auch auf Deutsch verfügbar (Öffnet in neuem Fenster).) Fairerweise kann man hier natürlich nicht nur die Parteien in Verantwortung nehmen, das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem.
Wahlprüfstein 1 ist mir deshalb besonders wichtig. Er nimmt Entkriminalisierung und Kriminalisierung in einem Punkt zusammen. So wird sichtbar, dass eine progressive Cannabis-Gesetzgebung einerseits und die Intensivierung der Strafverfolgung gegen Konsumierende der übrigen illegalisierten Substanzen (solange sie nicht ebenfalls entkriminalisiert werden) sowie des gescheiterten, destabilisierenden Drogenkriegs andererseits kein politischer Widerpruch sind. Sie gehen sehr gut Hand in Hand.
Damit müssen wir nun also arbeiten. Umso mehr hoffe ich auf ein Wahlergebnis, das uns die Errungenschaften der letzten Jahre nicht komplett über den Haufen werfen wird.
Lasst mich gern wissen, welchen Eindruck ihr von den Parteien habt. Und ob wir euch damit bei der Wahlentscheidung helfen? Werdet ihr euer Kreuz nun sogar woanders setzen?
Hier ist nochmal der Link:
https://mybrainmychoice.de/btw25/ (Öffnet in neuem Fenster)Beste Grüße aus Berlin
Dieser Artikel ist für die Mitglieder des Drogenpolitik Briefings (Öffnet in neuem Fenster) letzten Freitag erschienen. Ich mag Paywalls selbst nicht und freue mich über alle Interessierten. Deshalb schalte ich die Analysen nach wenigen Tagen (in der Regel nun Donnerstags darauf) komplett frei, bin aber darauf angewiesen, unter einem Teil meiner Leser*innen weitere Unterstützer*innen zu finden. Aktuell hat das Briefing 20 Mitglieder und 38 weitere Leser*innen. Willkommen an die Neuen!