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Gutes tun statt besser werden

Hallo liebe Pfefferhasis,

das Jahr ist fast vorbei und ich blicke zurück auf ein Jahr, das an mir vorbeizurauschen schien wie die schneller werdende S-Bahn, die ich gerade verpasst habe. Es gab sie, die guten Nachrichten, aber in Erinnerung blieben vor allem die schlimmen. Deshalb habe ich ein paar Good News 2021 (Öffnet in neuem Fenster) gesammelt, die ihr hier nachlesen könnt (Öffnet in neuem Fenster).

Gute Vorsätze, schlechtes Gewissen

Der Jahreswechsel ist auch immer die Zeit der „guten Vorsätze“. Wer gute Vorsätze fürs neue Jahr aufstellt, hat in der Regel vor, sich oder das eigene Verhalten zu verändern. Das Ziel ist ein besseres, gesünderes, erfüllteres Leben, das man in Zukunft führen will. In der Top 10 der guten Vorsätze der Deutschen für 2022 (Öffnet in neuem Fenster) steht „Mehr Sport treiben“ auf Platz 1, gefolgt von „Gesünder ernähren“ und „Abnehmen“. „Mehr Zeit mit Familie / Freunden verbringen“ schaffte es auf Platz 5, gleich hinter „Sparsamer leben“. Die Klassiker also, ungebrochen beliebt. Jedes Jahr nehmen sich die Leute das Gleiche vor, nur die Reihenfolge ändert sich manchmal. Die Liste der Guten Vorsätze liest sich jedes Mal wie ein Zeugnis des Scheiterns und der Unzufriedenheit, es im abgelaufenen Jahr wieder nicht geschafft zu haben. Aber hey! Neues Jahr, neues Glück, probieren wir es einfach nochmal.

Freizeitstress und kapitalistische Verwertungslogik

Es wurde schon viel Kluges über das Problem mit der Selbstoptimierung geschrieben. Wir wissen, dass es ungesund ist, sich selbst so unter Druck zu setzen und dass Diäten nicht funktionieren. Dass die kapitalistische Verwertungslogik unter dem Deckmäntelchen von „Self Care“ nun auch vom Privatleben Besitz ergriffen hat, ist kaum mehr ein innovativer Gedanke. Der sogenannte „Freizeitstress“ ist längst zur Volkskrankheit geworden, weil jede Minute außerhalb der Lohnarbeit effizient genutzt werden muss, um eine optimale Balance aus Erholung, sozialem Austausch und persönlicher Entwicklung zu erreichen. Wir wissen das alles. Doch das Wissen allein bringt uns nicht voran. Denn es gleicht schon einem Teufelskreis, wenn selbst der Vorsatz, häufiger Pausen zu machen, letztlich der neoliberalen Selbstoptimierung dient.

Gutes Tun statt besser werden

Was haben alle guten Vorsätze gemeinsam? Sie sollen uns zu einer besseren Version von uns selbst werden lassen. Und ganz ehrlich: das klingt doch gut. Was wäre, wenn wir uns alle vornehmen, bessere Menschen zu werden? Aber nicht für uns selbst, sondern für die Menschen um uns herum? Was wäre, wenn wir unsere Vorsätze so formulieren, dass andere davon profitieren? Und mit „den Anderen“ meine ich nicht die Arbeit- oder Auftraggebenden, nicht Kund*innen oder Patient*innen, nicht Familienangehörige oder Partner*innen, sondern tatsächlich „Die Anderen“, also die Menschen, von denen weder wir abhängig sind noch sie von uns. Was könnten das für gute Vorsätze sein? „Abnehmen“ jedenfalls nicht.

Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dafür entschieden, meine guten Vorsätze mit euch zu teilen. Vielleicht macht ihr einige davon zu euren, vielleicht habt ihr ganz andere Ideen. Wenn ihr Lust habt, lasst es mich wissen (Öffnet in neuem Fenster), was ihr euch für 2022 vornehmt, aber das müsst ihr natürlich nicht.

Meine guten Vorsätze für 2022:

  • Ich werde bei Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Behinderten-, Trans-, Queer- oder Fettfeindlichkeit nicht weghören, sondern widersprechen, mich einmischen.

  • Ich werde Hindernisse auf Gehwegen, wie E-Roller oder Mülltonnen, zur Seite räumen, sodass ein Rollstuhl oder Kinderwagen problemlos vorbeikommt.

  • Ich werde beim Bezahlen an der Kasse die Kopfhörer rausnehmen und die kassierende Person anschauen, mich bedanken und ihr einen schönen Tag wünschen.

  • Ich werde Personen, die ich neu kennenlerne, neben ihrem Namen auch nach ihren Pronomen fragen.

  • Ich werde Mütter (und Väter) mit schreienden Kleinkindern anlächeln oder, wenn es wegen der Maske nicht geht, anders meine Solidarität ausdrücken, statt genervt die Augen zu rollen.

  • Ich werde allen Bildern, die ich im Internet hochlade, einen Alternativtext geben, sodass blinde und sehbehinderte Menschen wissen, was auf dem Bild zu sehen ist. Genauso werde ich meine Videos untertiteln und von Podcasts Skripte anbieten, um den Content für gehörlose Menschen zugänglich zu machen.

  • Ich werde immer erst um Erlaubnis fragen, bevor ich fremde Hunde streichle.

  • Ich werde mir bei Fahrkartenkontrollen so viel Zeit wie möglich lassen, um jemanden ohne Ticket die Chance zu geben davonzukommen.

  • Ich werde Lieferant*innen und Paketzusteller*innen immer Trinkgeld geben. Dafür sammle ich 1€ und 2€ Münzen in einem Glas neben der Tür. Ich gehe den Leuten im Treppenhaus entgegen.

  • Ich werde Schwangere nicht mehr fragen, ob sie ein Mädchen oder einen Jungen bekommen.

  • Ich werde die Floskel „Hauptsache gesund“ aus meinem Wortschatz streichen, weil es okay ist, nicht gesund zu sein.

  • Ich werde Kartons immer so klein und flach wie möglich machen, bevor ich sie ins Altpapier werfe.

In diesem Sinne: Seid gut zu euch und Anderen,
bis nächstes Jahr
Ulla

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