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Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Abonnent*innen,

ich fühle mich einfach wie ein verdammter Papagei. Jede Woche schreibe ich über die aktuellen Femizide in Deutschland. Jeden dritten Tag tötet hier ein Mann seine (Ex-)Partnerin. JEDEN DRITTEN TAG. Was die Medien als Beziehungsdrama oder Familientragödie normalisiert haben, sind in Wahrheit die grausamen Ergebnisse patriarchaler Machtdemonstration, struktureller geschlechtsbezogener Gewalt und männlichem Anspruchs- bzw. Besitzdenken. Femizide sind keine Privatangelegenheit. Partnerschaftsgewalt ist ein Problem unseres Systems. Ein System, in dem Kinder, die Mädchen genannt werden, lernen, dass sie in erster Linie dafür geliebt werden, sanft und zart zu sein, nichts zu begehren oder zu fordern. Dass sie sich kümmern müssen und verantwortlich dafür sind, wenn die Harmonie nicht stimmt. Ein System, in dem Kinder, die Jungen genannt werden, lernen, dass Männlichkeit Härte bedeutet, dass der Stärkste gewinnt und dass mit Stärke vor allem körperliche Überlegenheit gemeint ist sowie das Unterdrücken von Tränen und allen Gefühlen außer Wut. Ein System, in dem Frauen durchschnittlich weniger Geld verdienen als Männer, häufig in finanzieller Abhängigkeit leben und sich eine Trennung vom gewalttätigen Partner schlicht nicht leisten können. Ein System, in dem es (mindestens in Städten) kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt, sodass Betroffene häuslicher Gewalt nicht „einfach ausziehen“ können. Ein System, in dem Opfer von Partnerschaftsgewalt häufig zusätzlich strukturelle Diskriminierung erfahren, wie Rassismus oder Ableismus. In dem Alkohol als Kulturgut gilt und der Konsum sowohl intensiv gefördert (Öffnet in neuem Fenster) als auch massiv beworben (Öffnet in neuem Fenster) wird, obwohl fast ein Viertel der Gewalttäter in der Partnerschaft unter Alkoholeinfluss gehandelt hat (Öffnet in neuem Fenster). Ein System, in dem immer noch so getan wird, als sei die Frau doch selbst schuld, wenn sie den gewalttätigen Partner (und häufig Kindsvater) nicht verlässt. Ein System, in dem Medienberichte eine direkte Schuldzuweisung betreiben, wenn sie schreiben: „weil sie sich trennen wollte, tötete er sie“, anstatt auf Victim Blaming zu verzichten und den Täter in die Verantwortung zu nehmen („weil er seine patriarchalen Besitzansprüche gefährdet sah, tötete er sie“). Es ist dieses System, dass mindestens eine Mitschuld trägt an 132 weiblichen Todesopfern von Partnerschaftsgewalt im Jahr 2020 und den fünf aus der vergangenen Woche:

Bereits am vergangenen Samstag hat in der niederbayerischen Gemeinde Gangkofen (Landkreis Rottal-Inn) mutmaßlich ein 50 Jahre alter Mann seine 46 Jahre alte Partnerin in einem Einfamilienhaus getötet (Öffnet in neuem Fenster). Die Polizei spricht von „erhebliche[r] Gewalteinwirkung mit einem schweren Gegenstand“. Gegen den Mann wurde Haftbefehl erlassen.

Ebenfalls am Samstag wurden in einem Mehrfamilienhaus in Elmshorn zwei Frauen aus Eritrea im Alter von 19 und 23 Jahren mit einem Messer getötet. (Öffnet in neuem Fenster) Ein tatverdächtiger 29-Jähriger sitzt in Untersuchungshaft.

Vermutlich in der Nacht zum 10. Juli hat in Lübeck ein 41-Jähriger seine 29-jährige Lebensgefährtin gewaltsam getötet (Öffnet in neuem Fenster). Die Leiche der Frau wurde am Dienstag in der Wohnung des Mannes entdeckt.

Am Montag wurde in Stuttgart, im Mitarbeiterparkhaus von Mercedes Benz, die Leiche einer 32 Jahre alten Frau in einem Auto gefunden (Öffnet in neuem Fenster). Die Frau wurde offenbar getötet, tatverdächtig ist der 36-jährige Ehemann, nach dem gefahndet wird. Medienberichten zufolge geht die Polizei davon aus, dass der Mann die getrennt von ihm lebende Frau getötet und die Leiche im Parkhaus zurückgelassen hat.  

Wenn Du jetzt das Gefühl hast, etwas gegen die Pandemie der misogynen Gewalt unternehmen zu wollen, wie wäre es mit einer Spende an die Autonomen Frauenhäuser, (Öffnet in neuem Fenster) die parteipolitisch und konfessionell unabhängig sind, ein feministisches und rassismuskritisches Selbstverständnis haben und selbstverständlich auch trans Frauen Schutz und Sicherheit bieten. 

Spendenkonto:
Förderverein Frauen helfen Frauen e.V. Heidelberg
Sparkasse Heidelberg:
IBAN DE46 6725 0020 0009 2805 29
BIC: SOLADES1HDB
Verwendungszweck: ZIF Autonome Frauenhäuser

...oder PayPal (Öffnet in neuem Fenster)

Im Wochenrückblick aus feministischer Perspektive geht es diese Woche u.a. um den Gerichtsprozess gegen eine Aktivistin wegen Beihilfe zur Abtreibung in Polen, rechtsextreme Polizisten und Soldaten sowie den vorerst letzten Step der Transformation von Sophie Passmann zum weißen liberalo Girl Boss. 

Ich war gestern in Frankfurt (nicht beim CSD, sondern zur Taufe meines Großcousins) und ich habe wieder einmal festgestellt, dass Kirche und Religion so wirklich gar nichts für mich sind. Ich kann die gruselige Jesusabbildung nicht vergessen, die mich über das Taufbecken hinweg angestarrt hat (hier könnt ihr sie euch anschauen (Öffnet in neuem Fenster)) und ich war froh, als ich die Kirche wieder verlassen hatte, ohne dass ich vom Blitz getroffen wurde. Vom religiösen Part mal abgesehen, hatte ich aber einen wunderbaren Tag und ich glaube, wenn es doch eine Art Gottheit gibt, dann wäre sie gestern sehr zufrieden mit mir gewesen. Ich konnte an einem der "unqueersten" Orte, mit den wahrscheinlich cis-heteronormativsten Leuten weitestgehend ich selbst sein und fühlte mich gut, so wie ich war.  Manchmal ist das, was es braucht, um einen Ort zu einem safer space zu machen, nicht das, an das wir zuerst denken. Für mich war es gestern das herzliche Empfangen-werden, die ehrlichen Nachfragen und das interessierte Zuhören in kurzen Gesprächen, das "okay, was möchtest du stattdessen?" auf mein Ablehnen von Alkohol, statt irritierten Fragen, warum ich denn nichts trinke. Es waren Kleinigkeiten, die dafür sorgten, dass ich mich wohl gefühlt habe und das wirkt noch nach. Ich tue mich manchmal schwer damit, Zeit mit Menschen außerhalb "meiner Bubble" zu verbringen und das auch aus gutem Grund, aber ich bin dankbar für diese positive Erfahrung, in einer Reihe nicht so toller in ähnlichen Settings. Auf dem CSD-Wagen der Deutschen Bahn wurde übrigens der sexistische Hit "Layla" gespielt und mitgegröhlt, die Polizei hatte ein mobiles Rekrutierungsbüro aufgebaut und videoüberwachte die Veranstaltung - zur Sicherheit natürlich. Mein Safer Space war währenddessen im Schrebergarten in Niederrad. 

Damit bin ich am Ende des Newsletters. Danke euch fürs Lesen und für euren Support! Wenn ihr könnt und mögt, gibt es via PayPal die Möglichkeit, eine kleine Spende dazulassen (Öffnet in neuem Fenster) und wenn ihr regelmäßig unterstützen wollt, werdet doch Teil der Pfefferhasen-Familie als Zwergkaninchen, Feldhase oder Belgischer Riese.  

Habt es gut und passt auf euch und einander auf,

Ulla

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