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Über schwarze Madonnen und DHL-Mafiosi

Gestern wurde die schwimmende Votivbrücke zur Salutekirche geöffnet, auf dem Canal Grande zwischen Santa Maria del Giglio und San Gregorio.

Die Brücke wird immer ein paar Tage vor dem eigentlichen Feiertag der Santa Maria della Salute (Öffnet in neuem Fenster) eingerichtet, dem 21. November, damit alle genügend Zeit haben, zur Kirche zu pilgern, dem Ende (?) der Pest zu gedenken - und die schwarze Madonna um Gesundheit (Salute!) zu bitten, für sich und alle Lieben.

Die Festa della Salute ist vielleicht der letzte echte venezianische Feiertag - weil alle anderen, besonders aber Redentore, zum Business des Festlands verkommen (Öffnet in neuem Fenster) sind.

Natürlich zünde auch ich Kerzen an, besonders dicke, weil ich immer denke: viel hilft viel.

Wir sind in Venedig schon so daran gewöhnt, dass man hier im Vorbeilaufen immer nur Englisch, Französisch oder vielleicht auch Deutsch hört, dass es ungewöhnlich anmutet, wenn man, so wie in den Tagen des Salutefests, in den Gassen wieder Venezianisch hört: Die Stadt ist voll von heimwehkranken Venezianern, die in Mestre, Meolo, Dolo oder sonstwo in der Diaspora des Veneto leben, aber jedes Jahr zur schwarzen Madonna, zur Santa Maria della Salute pilgern - weil sie von einer Festlandsmadonna nichts Gutes erwarten, zumal, wenn die einen so wenig verheißungsvollen Namen wie Santa Maria di Dolo, die Schmerzensreiche, trägt.

Daran können Sie sehen, wie sehr Venezianer, auch wenn sie Venedig schon vor Jahrzehnten verlassen haben, sich immer noch als Venezianer betrachten - was Segen ist und Fluch zugleich: Viele ehemalige Venezianer hegen einen Groll gegen ihre einstige Heimatstadt, sie empfinden sich als verstoßene Kinder der Serenissima, was wir besonders wahrgenommen haben, als wir für die Autonomie Venedigs gekämpft haben: Da war es für viele ehemalige Venezianer eine Schreckensvorstellung , als Wohnsitz “Venedig” nun “Mestre” oder “Favaro” im Ausweis zu führen. Über die Zwangsehe zwischen Venedig und dem Festland haben Christopher Weingart und in der neuesten, vierten Folge unseres Venedigpodcasts gesprochen, nachzuhören hier auf Spotifiy:

https://open.spotify.com/episode/1BLKEkERoUDrgCf1mYxCkW?si=7DwiU7J_S16tbR3LkbPcxg&nd=1 (Öffnet in neuem Fenster)

oder auch hier auf Player FM (Öffnet in neuem Fenster):

https://player.fm/series/reskis-republik-der-venedigpodcast/eine-ungluckliche-ehe-venedig-und-das-festland-folge-4-reskis-republik-der-venedigpodcast (Öffnet in neuem Fenster)

Wir freuen uns über den Zuspruch für unseren Podcast - gerne können Sie uns kontaktieren und uns Fragen stellen!

Der Patriarch von Venedig hat, als er die Votivbrücke gestern einweihte, ausdrücklich einer jungen Frau aus der Provinz Venedig gedacht: der Studentin Giulia Cecchettin, die gestern ermordet aufgefunden (Öffnet in neuem Fenster)wurde. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten sie in einem Kampf mit ihrem Ex-Freund bei ihrem letzten Treffen, auf der Straße wurden Blutspuren und Haare gefunden. Festgenommen wurde er heute morgen in Deutschland (Öffnet in neuem Fenster) in der Nähe von Leipzig, weil er mit seinem Auto liegen geblieben war und kein Geld mehr für das Benzin hatte.

Seit Beginn des Jahres wurden in Italien 83 Frauen von Partnern. oder Expartnern ermordet - in Deutschland sieht die Situation um den Femizid nicht besser aus: Jeden dritten Tag stirbt eine Frau in Deutschland. (Öffnet in neuem Fenster) Ich frage mich: Wie ist das möglich? Heute noch? Warum drehen Männer so oft durch?

Ganz Italien hat die Flucht nach dem Verschwinden von Giulia Cecchettin mitverfolgt. Die Eltern des jungen Mannes, der nicht ertragen konnte, dass Giulia sich von ihm trennen wollte, betonten, dass ihr Sohn ein “guter Junge” sei. Klar.

Nachdem Giulia tot aufgefunden wurde, schrieb ihre Schwester in einem Post auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster): “Es war euer guter Junge.”

Alles ziemlich schrecklich zur Zeit, möchte man meinen. Und weil die Lage nicht schon aussichtslos genug ist, mit Kriegen rechts und links, ließ sich die EU-Kommission nicht entgehen, auch noch die Zulassung von Glyphosat (Öffnet in neuem Fenster) verlängern. Deshalb habe ich meinen GEO-Artikel über das vermeintlich rätselhafte Sterben der Olivenbäume in Apulien online (Öffnet in neuem Fenster)gestellt, der - unter anderem - die Auswirkungen des Einsatzes von Glyphosat auf die Olivenbäume beleuchtet.

Am Samstag habe ich auf Einladung der International Police Association Deutschland in Herzogenaurach über die Mafia in Italien und natürlich in Deutschland gesprochen.

Interessant waren für mich die Vorträge der Polizisten - etwa über die Krawalle in Frankreich im Sommer - und die Tatsache, dass die vielen anwesenden ausländischen Polizisten nach meinem Vortrag sagten, dass in ihrem Land, etwa in Frankreich, Liechtenstein, Schweden oder Kroatien, die Situation ganz ähnlich aussehe. Kein Trost, leider.

Und in Deutschland sind es letztlich alte Damen, die Mafiosi aufspüren: Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen, dass ein Mitglied des Clans von San Luca unbehelligt in Duisburg als DHL-Fahrer untertauchen (Öffnet in neuem Fenster)konnte, gegen das Auto einer alten Dame rumpelte und dann noch bei der Überprüfung seiner Papiere seinen echten Ausweis zeigte. Weshalb man selbst in Deutschland - aufgrund des europäischen Haftbefehls der Italiener - nicht anders konnte, als ihn festzunehmen. Wie sicher sich Antonio Strangio in Deutschland fühlte, ist auch daran zu erkennen, dass er auf seinem öffentlich einsehbaren Facebook-Profil nicht nur gepostet hat, dass er am 9. Oktober einer Verdi-Demo für sichere Arbeitsplätze teilnahm und beim Fußballspiel im Stadion von Bayer Uerdingen war, sondern auch seine Kinder beim Sackhüpfen gefilmt hat.

Und da ließ sich die Bildzeitung (Öffnet in neuem Fenster) natürlich auch nicht diese Überschrift entgehen:

In diesem Sinne grüßt Sie herzlichst aus Venedig - Ihre Petra Reski und, nicht vergessen:

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