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12. November 2019

Nie werde ich diese Nacht vergessen. Und das, obwohl ich in dreißig Jahren in Venedig schon etliche Hochwasser erlebt habe. Ich kenne die Stille, die sich bei Hochwasser ausbreitet und dir wie ein kalter Hauch in das Herz kriecht. Wenn man keine Manöver der Müllboote mehr hört, kein Schreien der Bootsleute, keine Taxiboote, keine Gondolieri, nichts. Wenn selbst die Möwen verstummen.

Aber in dieser Nacht am 12. November 2019 war es anders.

https://www.youtube.com/watch?v=VHBWfkzoUAA (Öffnet in neuem Fenster)

Heute vor vier Jahren wurde Venedig von einem verheerenden Hochwasser überschwemmt, das nur wenige Zentimeter unter dem von 1966 lag, das zum ersten Exodus der Venezianer geführt hat: 1966 lag das Hochwasser bei 1,94 Meter, 2019 bei 1,87 Meter.

Schon Stunden zuvor hatte mir der Venezianer meines Herzens aus dem Vaporetto ein Video geschickt: Das Ufer am Fuß der Rialtobrücke stand bereits um kurz vor acht unter Wasser, obwohl der Höchsttand des Hochwassers erst für elf Uhr angesagt war.

Aber die Sturmflut, die nachts um elf über Venedig hinweg zog, hatte niemand vorausgesehen, weder das Gezeitenzentrum, noch das Meeresforschungsinstitut des nationalen Forschungsrats. In zehn Minuten stieg das Wasser um zehn Zentimeter, Hochwassersirenen heulten, Alarmanlagen kreischten, Boote kenterten. Wassertaxis trieben in enge Gassen, ein tonnenschweres Vaporetto flog auf das Ufer Riva degli Schiavoni,

und die Via Garibaldi verwandelte sich in einen reißenden Strom. Brusthohe Wellen rollten über den Markusplatz und in der Pfarrkirche von San Moisé trieben die Kirchenbänke durch das Wasser. Erst zehn Minuten vor dem Höchststand um elf Uhr schickte das Gezeitenzentrum eine Sms mit der Prognose von einem Meter neunzig: so nützlich wie ein Warnsignal eine Sekunde vor dem Auffahrunfall.

Fassungslos sahen wir, wie das Meer Venedig vereinnahmte, das Wasser stand meterhoch vor den Schaufenstern der Luxusboutiquen der Via XXII Marzo, überwand alle Hochwassersperren, drang in die Luxushotels von Gritti bis Danieli ein und überflutete die Hallen.

Die Sturmflut drückte das höchste Hochwasser seit fünfzig Jahren in die Stadt, ein Meter siebenundachtzig, nur sieben Zentimeter niedriger als die Sintflut von 1966, auch Acqua granda genannt, dem mit ein Meter vierundneunzig höchsten je in Venedig verzeichneten Hochwasser. In einem Marmorpfeiler unweit von unserem Haus ist der Wasserstand vom zwölften November 2019 jetzt als zweite Kerbe unter dem Pegelstand von 1966 eingraviert. Wenig später verkündete das Meeresforschungsinstitut, dass wir noch Glück im Unglück hatten: Wenn die Sturmflut mit dem astrologischen Gezeitengipfel übereingestimmt hätte, wäre ein Hochwasser von zwei Meter zehn möglich gewesen.

Daran will ich mit unserem Podcast erinnern: Alles über das Hochwasser - warum es entsteht, wie es bekämpft werden soll, wie Mose funktionieren soll, und welche Interessenkonflikte dabei zum Tragen kommen: Davon handelt die dritte Folge de Venedigpodcasts von Reskis Republik.

Republik, zu hören auf Spotify ⬇️

https://open.spotify.com/episode/3nL0oNqQkM4FGWKXs1Fqoo (Öffnet in neuem Fenster)

Oder auch auf Player FM ⬇️

https://de.player.fm/series/reskis-republik-der-venedigpodcast/acqua-alta-venedigs-hochwasser-und-die-mose-fluttore-folge3-reskis-republik-der-venedigpodcast (Öffnet in neuem Fenster)

Ob die Fluttore in Venedig hochgefahren werden oder nicht, so wie heute, wird in Rom entschieden. Bei 1,10 Meter sind viele Stellen in Venedig unpassierbar - und das Mauerwerk wird vom Salzwasser zersetzt. Wir erfahren erst davon, per SMS oder Mail, wenn das Wasser schon vor der Tür steht.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Hören des Podcasts - herzliche Grüße, Ihre Petra Reski. Und nicht vergessen:

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