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Über Mose, berühmte Mailänder und den Eintrittsfake

Neulich rief mich ein Freund an, fragte: Mose funktioniert also? Was ungefähr so ist, als würde man sich darüber wundern, dass eine Brücke nicht zusammenbricht, wenn zum ersten Mal Autos über sie fahren.

Ja, Mose funktioniert, was, wie ich finde, nicht sonderlich erstaunlich ist, bei einem Großprojekt, das bislang 9,5 Milliarden Euro gekostet hat: fast 7 Milliarden für den Bau und 2,5 Milliarden für sogenannte Ausgleichsarbeiten - zu denen auch die in den Beton gefrästen Sternbilder zählen, die, wenn ich mich mit dem Boot nähere, wie eine Botschaft von Außerirdischen anmuten: der Große und der Kleine Wagen, eine Mondsichel, Sonnenstrahlen.

Es handelt sich dabei um eine Aufmerksamkeit der Architekturfakultät: Das Denkmalschutzamt habe darum gebeten, hieß es, um den Effekt dieser Trutzburg auf das Landschaftsbild der Lagune zu lindern. Was so klingt, als glaubte man, mit einem Blümchenpflaster ein Geschwür zu heilen.

Eigentlich hätten wir auch heute morgen wieder Hochwasser gehabt - wie ich aus den täglichen SMS des Gezeitenzentrums weiß: Für heute morgen waren 1,30 Meter angesagt, was mehr als kniehoch bedeutet. Und ja, natürlich sind wir froh, dass wir uns zur Zeit trockenen Fußes bewegen können, aber wie es weitergehen soll, ist uns ein Rätsel. Seit 2020 wurde Mose bereits mehr als 60 Mal eingesetzt (und wir reden hier immer noch von der Testphase, weil die Bauarbeiten immer noch nicht abgeschlossen sind), allein seit Beginn des Herbstes zehn Mal. Jeder Einsatz von Mose kostet den italienischen Staat 200 000 Euro (für den Einsatz von Technikern und Energie) - in diesen Tagen liegen hinter uns zehn potentiell zerstörerische Hochwasser (zum Teil 1,50 Meter), die dank Mose verhindert wurden.

Und da taucht wieder der grundlegende Interessenkonflikt zwischen der Stadt und dem Hafen auf, denn wenn Mose schließt, können auch keine Schiffe mehr einfahren. Deshalb wurden am 24. Oktober nur die Fluttore der Lagunenöffnung am Lido geschlossen, die anderen beiden blieben offen - was Hochwasser in Venedig (und Flüche der Venezianer) zur Folge hatte. Und was stets verschwiegen wird: Auslöser der Erosion der Lagune und damit für mehr Hochwasser sind die für den Hafen tiefer gegrabenen Kanäle. Hinzu kommt der Anstieg der Meeresspiegels - die Aussichten sind also alles andere als rosig: Je öfter Mose eingesetzt wird, desto größer ist die Gefahr, dass sich die Lagune in eine Kloake verwandelt, bei jeder Schließung der Fluttore wird der Sauerstoff der Lagune schnell verbraucht.

Zur Zeit schreibe ich ja ein meinem neuen Buch, das von meinem Versuch handelt, Italienerin zu werden. Und da überstürzen sich ständig die Ereignisse: Erst stirbt mir Berlusconi unter den Händen weg, dann kriegt er ein Staatsbegräbnis und jetzt wurde sein Name im Pantheon berühmter Mailänder eingetragen (Öffnet in neuem Fenster). Seite an Seite des Nobelpreisträgers Dario Fo, dem Gründer der NGO Emergency Gino Strada (Öffnet in neuem Fenster) oder dem Generalstaatsanwalt Francesco Saverio Borelli, dem Leiter des Ermittlerpools “Mani pulite” (Öffnet in neuem Fenster), der den Mailänder Korruptionsskandal aufklärte - zu dessen Protagonisten nicht zuletzt auch Berlusconi gehörte.

Eine Petition (Öffnet in neuem Fenster), die von fast 40 000 Italienern unterschrieben wurde, konnte die Ehrung von Berlusconi nicht verhindern. Er habe mit seiner "politischen Führungspersönlichkeit und seinem visionären Talent unauslöschliche Spuren hinterlassen" befand die Stadt Mailand. In der Tat. Wohl kaum einer außer Mussolini hat Italien so geprägt. Bei der Ehrung durfte sein Freund Marcello Dell'Utri (Öffnet in neuem Fenster), der wegen Mafiaunterstützung verurteilte Gründer von Forza Italia, natürlich nicht fehlen. Keine Rede davon, dass die Ermittlungen zu Berlusconis und Dell’Utris Beteiligung an den Mafia-Attentaten 1992-93 noch weiter laufen. Was sagt der Italiener an meiner Seite in solchen Fällen? Povera Italia.

Und zum Schluss noch ein Bonbon, in dessen Genuss die Ehrenvenezianer (Öffnet in neuem Fenster) schon im Voraus gekommen sind: Weil wir fanden, dass dem Hype rund um das vermeintliche Eintrittsgeld für Venedig endlich mal die Luft rausgelassen

werden müsste, haben Christopher Weingart und ich für den Podcast von Reskis Republik (Öffnet in neuem Fenster) eine weitere Folge aufgenommen. Nachzuhören unter anderem hier ⬇️:

https://open.spotify.com/episode/5xoXMz4kvN0QSPydl5CDtx?si=bcadc283de804e08 (Öffnet in neuem Fenster)

Aus Venedig grüßt Sie herzlich Ihre Petra Reski - und nicht vergessen:

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