Über den First Gentleman und andere Merkwürdigkeiten
Die Welt geht in Flammen auf, und in Italien dreht sich alles um die Trennung zwischen Giorgia Meloni (il Presidente) und dem First Gentleman, dem Moderator Andrea Giambruno. Die Szenen (k)einer Ehe verbreiteten sich bis nach Kairo, wo Meloni am Nahost-Treffen teilnahm - und die angekündigte Pressekonferenz absagte.
Schön, die Karikatur von Natangelo mit dem Satz "Giambruno hat auch gute Sachen gemacht" (Anspielung auf den in Italien üblichen Satz "Mussolini ha fatto anche cose buone).
Die Trennung war keine Überraschung, nachdem die Satiresendung "Striscialanotizia" (eine Art italienische Heute-Show) zwei Videos gesendet hatte, in denen Melonis Lebensgefährte durch das Studio gockelt, sein volles Haar rühmt, eine Kollegin tätschelt ("Viviana, warum haben wir uns nicht früher kennengelernt?") während er sich ständig zwanghaft zwischen die Beine greift:
https://www.striscialanotizia.mediaset.it/video/giambrunasca-ciuffo-gianbruno-andrea_472181/ (Öffnet in neuem Fenster)Am nächsten Tag folgte ein Video, mit einer Audioaufnahme aus dem Off, in dem zu hören it, wie der 42-jährige Giambruno eine Kollegin fragt: "Darf ich meine Eier anfassen, während ich mit dir spreche?", worauf sie antwortet: "Das tust du bereits." Giambruno ist nicht zu bremsen, fragt: "Wie wäre es mit einem Dreier oder sogar einem Vierer?" und rät der Kollegen: "Um hier weiterzukommen, muss man ficken". Anzüglichkeiten ohne Ende -eine Situation, die viele Frauen kennen und zumeist versuchen, mit zusammengebissenen Zähnen darüber hinwegzulächeln.
https://www.striscialanotizia.mediaset.it/video/andrea-giambruno-fuorionda_473154/ (Öffnet in neuem Fenster)Der First Gentleman, der seine blitzartige Karriere vor allem Melonis Aufstieg verdankte, hat unterschätzt, dass viele Kollegen ihm genau das übelnahmen und nur darauf warteten, ihm ein Beinchen zu stellen. Zumal er in der letzten Zeit ständig wegen verschiedener Aussetzer aufgefallen war - er riet Frauen, sich nicht zu betrinken, um nicht Opfer sexualisierter Gewalt zu werden, nannte die Migration "Herdenwanderung" und riet Karl Lauterbach nach einem klimakritischen Tweet, seinen Urlaub im Schwarzwald zu verbringen (Öffnet in neuem Fenster). Selbst Melonis Fans war klar, dass ihr Mann nicht die hellste Kerze auf der Torte ist.
Meloni trennte sich von ihm - qua Facebook-Eintrag:
https://www.facebook.com/giorgiameloni.paginaufficiale/posts/pfbid02D63NwmjfqyizE1CA1FWXM4G9P98D4aYduMZGeJutUFL9Q3GEcQBXZCuhdibKRUXal (Öffnet in neuem Fenster)Dank für die gemeinsamen Jahre ... unsere Wege haben sich schon vor längerer Zeit getrennt ... Werde alles für die gemeinsame Tochter tun, die anders als ich, der mir das nicht vergönnt war, ihren Vater liebt ... Und wer glaubt, mich durch stete Tropfen treffen zu können, sollte wissen, dass Wasser Wasser bleibt und Stein Stein ...
Ein Kommunikationsprofi wie Meloni, die sich ständig als Opfer darstellt ("Underdog"), weiß, dass eine tragische Notiz über die eigene Kindheit sehr nützlich ist, wenn man in Schwierigkeiten ist. Was sie (Physik!) allerdings nicht weiß, ist, dass ein steter Tropfen den Stein sehr wohl höhlt. Und was die "längere Zeit" betrifft: Am 2. Oktober haben beide noch zusammen ein Theater in Rom besucht.
Der Satz mit dem Stein wird in Italien, dem Land der dietrologia, der Kunst, etwas dahinter zu erkennen., vor allem als Verweis auf die politische Bedeutung ihrer Trennung betrachtet: Der First Gentleman war Angestellter des Berlusconi-Senders Rete 4, was Berlusconi im vergangenen Herbst zu unterstreichen nicht versäumte, worauf Meloni mit einem "Ich bin nicht erpressbar" (Öffnet in neuem Fenster) konterte. Da war es darum gegangen, dass Berlusconi sowohl das Justizministerium als auch das Wirtschaftsministerium vergeblich für sich beanspruchte - weshalb Berlusconi Meloni, die er ja einst zur Ministerin für Jugend und Sport gemacht hat, als 1. rechthaberisch, 2. anmaßend, 3. arrogant, 4. beleidigend und 5. lächerlich bezeichnete, und das in großen, für Parlamentsfotosgrafen sichtbaren Lettern auf seinem Notizzettel.
Genau darin liegt die politische Brisanz: Berlusconi musste zusehen, dass seine Wähler in Scharen zu den Fratelli d'Italia abwanderten und wollte klarmachen, dass Meloni ungeachtet ihres Erfolgs nicht ohne ihre Juniorpartner Forza Italia und Lega regieren könne.
Die Beziehungen zwischen Forza Italia und Meloni sind also auf einem Tiefpunkt. Und das obwohl der First Gentleman nach seinen Ausfällen wegen Verletzung des Ethikkodex sofort vor die Tür gesetzt wurde und Piersilvio Berlusconi als Chef von Mediaset Meloni angerufen und ihr versichert habe, nichts von den Videos gewusst zu haben, weil die Sendung "Striscialanotizia" eine Art "autonome Republik" innerhalb des Mediaset-Universums sei. Der verantwortliche Chefredakteur der Sendung sah sich genötigt, eine Erklärung (Öffnet in neuem Fenster) abzugeben, derzufolge er die beiden Videos alleinverantwortlich gesendet habe, weil er der zuvor erfolgten Heiligsprechung des First Gentleman im Klatschblatt Chi etwas entgegensetzen wollte, in dem Gianbruno brennende Fragen nach der ausstehenden Eheschließung ("Vielleicht haben wir ja schon geheiratet und keiner weiß davon?") und nach seinem Fingerring gestellt wurden: "Dieser leicht auffällige Ring, den ich an seinem Ringfinger trage? Ich mag ihn so. Ich bin im Herzen ein Zigeuner."
Nach Bunga-Bunga sind wir in Italien ja einiges gewöhnt, was das Privatleben italienischer Politiker betrifft. Als Veronica Berlusconi einst die Scheidung einreichte, schrieb sie in der Repubblica, was sie davon hielt, dass B. den ihm geneigten jungen Damen gut dotierte Posten im Europaparlament, in Stadträten oder Regionalparlamente verschaffte, wenn er sie nicht gleich zu Ministerinnen machte: „Schamloser Müll, eingesetzt im Namen der Macht" und: „Jungfrauen, die sich in der Hoffnung auf Erfolg und Ruhm dem Drachen anbieten“. Ihr Mann sei krank, fügte Veronica Berlusconi später hinzu, und sie könne nicht länger mit einem Mann zusammenleben, der Minderjährige frequentiere: „Ich möchte klarstellen, dass meine Kinder und ich Opfer dieser Situation sind – und keine Komplizen.“ Da war gerade durch die Presse gegangen, dass Berlusconi auf dem 18. Geburtstag eines neapolitanischen Mädchens namens Noemi aufgetaucht war, die den Ministerpräsidenten „Papi“ nannte. Und die nicht seine Tochter war.
Die rechte Presse stempelte Veronica Berlusconi danach als "undankbares Sternchen" ab ´, verwies auf Bettgeschichten von Clinton bis Kennedy und fand nichts Anstößiges daran, dass Berlusconi mit Escorts und Minderjährigen verkehrte. Jetzt aber schwenkt man auf der rechten Seite um, über Nacht wurden alle zu Feministen und feiern Giorgia Meloni als starke Frau, die dieser Nulpe zeigt, wo der Hammer hängt: Sie sei "hart, aber süß", befand Libero.
Jetzt kann man natürlich sagen: Glücklich das Volk, das sich um so einen Mist kümmert, während uns die apokalyptischen Bilder aus Nahost und vom Krieg in der Ukraine um die Ohren fliegen. Was soll ich sagen. Das ist Italien.
Und Deutschland? Ist an manchen Stellen auch lustig. Aber unfreiwillig. Denn da kreist die Justiz ernsthaft immer noch um die Frage, ob es sie gibt, die Mafia - vor allem nicht in Deutschland, wo wegen der Mitgliedschaft in der Mafia noch kein einziger Angeklagter verurteilt wurde. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen. Nachzulesen hier (Öffnet in neuem Fenster). Und dass bei einem Angeklagten keine Fluchtgefahr bestehe, weil er im Eiscafé seiner Familie arbeitet, von wo er die Geschäfte des Clans plante - das ist kabarettreif.
Bei Kabarett sind wir auch schon wieder bei Brugnaro, dem venezianischen Bürgermeister, der alles daran setzt, seinen Kopf aus der immer enger werdenden Schlinge zu ziehen, die sich ihm nach dem Busunfall, der 21 Menschen das Leben kostete (Öffnet in neuem Fenster), um den Hals gelegt hat. Nachdem die Autopsie des Fahrers ergab, dass er keinem Schwächeanfall erlegen ist und die alleinige Verantwortung für die marode Brücke bei der Stadtverwaltung Venedig liegt, versucht er nun, auf einen technischen Defekt des Busses zu verweisen. Das wiederum erbost die chinesische Herstellerfirma Yutong. Die venezianische Opposition im Stadtrat verlangt bereits nach einer Untersuchungskommission.
Über das Busunglück habe ich mit Christopher Weingart (Öffnet in neuem Fenster)gesprochen, einem jungen Nachwuchsjournalisten, der gerade ein Semester in Venedig verbringt und mich überredete, einen Venedig-Podcast zu machen: Nachzuhören hier:
https://open.spotify.com/episode/3Zkej4hs4P2CVZA37RixP2 (Öffnet in neuem Fenster)Sie sehen, Reskis Republik wird immer umfangreicher - um so mehr freue ich mich, wenn sie meine (und die Arbeit von Christopher Weingart) unterstützen, indem sie Ehrenvenezianer werden!
Ich schreibe Ihnen heute nicht aus Venedig, sondern aus dem Ruhrgebiet, wo ich gerade um meine 90jährige Mutter kümmere - und so einen weiteren tiefen Einblick in das deutsche Gesundheitssystem erhielt ... Soll mir bloß keiner mehr mit dem Satz kommen, in Italien seien ja die Krankenhäuser so schlecht.
Aber wie meine Mutter sagt: Es muss ja weitergehen, irgendwie.
Herzlichst grüßt - Ihre Petra Reski
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