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Endlich wieder Wasser

Endlich wieder Wasser, dachte ich natürlich, als ich im Zug diese Ansage hörte (Öffnet in neuem Fenster). Endlich zurück in mein von Bettwanzen (Öffnet in neuem Fenster) - hoffentlich - befreites Bett.

Ich würde Airbnb-Benutzern übrigens empfehlen, vor Anmietung stets die Rezensionen auf Airbnb und auf Booking.com zu lesen, natürlich nicht nur die guten, sondern vor allem die schlechten. Dann hätten die Benutzer der Ferienwohnung über uns gewusst, dass die Wohnung bereits seit dem Sommer durch Bettwanzen verseucht war:

Und dass die “Hosts” keinerlei Versuch unternommen haben, die Wohnung zu desinfizieren, sondern ganz im Gegenteil behaupteten, nichts damit zu tun zu haben:

Und hätte ich diese Rezensionen früher gelesen, hätten wir nicht erst abwarten müssen, dass die Bettwanzen auch in unserem Bett auftauchten, sondern hätten “Maßnahmen” ergriffen. (Ich muss das in Anführungsstriche schreiben: Das Gesundheitsamt verweist darauf, dass es sich ja um eine “private” Wohnung handele, für die sie nicht zuständig sei. Deshalb müssen Betroffene erst Anzeige bei der Gemeindepolizei erstatten, die dann, eventuell, das Gesundheitsamt zum Einschreiten auffordert.)

Aber natürlich sollten Bettwanzen das Geringste unserer Probleme in Venedig sein, wo bis zum Ende dieses Jahrhunderts ein Anstieg des Meeresspiegels von mehr als einem Meter (Öffnet in neuem Fenster) erwartet wird, wie der Weltklimarat errechnet (Öffnet in neuem Fenster) hat. Darauf verweist auch Andrea Rinaldo (Öffnet in neuem Fenster), Venezianer, Ingenieur und Hydrologe, der, wie die Venezianer nicht müde werden zu wiederholen, in diesem Jahr in Stockholm mit dem “Wasser-Nobelpreis” (Öffnet in neuem Fenster)ausgezeichnet wurde. Rinaldo weist daraufhin, dass das Flutsperrwerk Mose keine Lösung für Venedigs darstellt, weil die Flutsperrtore bald an 260 Tagen im Jahr geschlossen werden müssten und sich die Lagune somit in eine Kloake verwandeln würde. Was im Übrigen von den vielen Kritikern des Moseprojekts seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig wiederholt wird - und die Leser von “Als ich einmal in den Canal Grande fiel” (Öffnet in neuem Fenster) auch schon längst wissen.

Interessant finde ich, dass man sich seit der Verleihung des Wassernobelpreises an Andrea Rinaldo, der auch Präsident des prestigeträchtigen Wissenschaftsrats des Veneto (Öffnet in neuem Fenster)ist, verstärkt für ihn interessiert: Genauer gesagt, die venezianische Linke, vulgo demokratische Partei, interessiert sich für ihn. Denn wer wäre als Bürgermeisterkandidat besser geeignet als ein venezianischer Wassernobelpreisträger?

Andrea Rinaldo kann für solche Projektionen nichts - er macht auch immer klar, dass er seine Zukunft nicht in der Politik, sondern in der Wissenschaft sieht. Viel mehr sagt es etwas aus über die Verzweiflung, die nicht nur die venezianische Linke befällt, angesichts der bevorstehenden Bürgermeisterwahlen. Die im Herbst 2025 stattfinden müssten, wenn alles mit rechten Dingen zugeht.

Die venezianische Linke hat Venedig über Jahrzehnte benutzt, bis der letzte Bürgermeister der Demokratischen Partei, Orsoni, wegen des Korruptionsskandals rund um das Mose-Projekt zurücktreten musste und darauf der “Wunderunternehmer” Luigi Brugnaro an die Macht kam. Von der er ungerne lassen möchte. Genauso wenig wie Lega-Politiker Luca Zaia, Ministerpräsident der Region Veneto, dessen Amtszeit ebenfalls 2025 abläuft. Folglich geistern diverse Schreckensvisionen durch die italienischen Medien: So ist die Lega auf die Idee gekommen, eine dritte Amtszeit einzuführen. Die auch im Interesse von Bürgermeister Brugnaro gewesen wäre, glücklicherweise ging dieser Kelch an uns vorbei, weil die dritte Amtszeit nicht für Gemeinden mit mehr als 15 000 Einwohnern (Öffnet in neuem Fenster) gelten soll.

Lega-Chef Matteo Salvini legt sich wegen der dritten Amtszeit so ins Zeug, weil er verhindern will, dass Luca Zaia ihm innerparteilich Konkurrenz machen könnte. Meloni aber möchte auch gerne im reichen Norden einen Ministerpräsidenten durchsetzen und will deshalb die dritte Amtszeit verhindern. Eine weitere Möglichkeit sieht man in einem “Ringtausch” zwischen Zaia und Brugnaro, die sich stets bestens zugearbeitet haben: Zaia als Bürgermeisterkandidat (Öffnet in neuem Fenster) in Venedig und Brugnaro als Kandidat für die Regionalwahlen (Öffnet in neuem Fenster). So oder so kommen wir vom Regen in die Traufe.

Denn worum es hierbei am wenigsten geht, das sind die Probleme von Venedig. Politiker, speziell in Italien, denken nicht in Jahrzehnten, erst recht nicht in Jahrhunderten, sondern in Wahlperioden - folglich spielen Zukunftsvisionen von Venedig hier keine Rolle. (Remember Helmut Schmidt: “Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen”). Niemand spricht darüber, wie Venedig vor dem ansteigenden Meeresspiegel gerettet werden soll. Noch, was eigentlich gerettet werden soll: Nur die Mauern? Oder “Venezia urbs e civitas”, also nicht nur Venedigs Gebäude, sondern die Stadt mit seinen Bürgern - als Zivilisation?

Viel mehr geht es darum, einen weiteren Kanal zum Festland zu graben. Und ein Sportstadion für die Basketballmannschaft des Bürgermeisters zu bauen.

Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Il tempo è galantuomo, sagt man in Italien, was so viel heißt wie: Die Zeit bringt es an den Tag - was manchmal eine späte Genugtuung sein kann. Darüber hatte ich bereits im Mai (Öffnet in neuem Fenster)dieses Jahres geschrieben. In diesen Tagen wird das Gericht von Reggio Calabria darüber entscheiden (Öffnet in neuem Fenster), ob die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft ausreichen, um das Verfahren gegen über 100 “mutmaßliche” Mafiamitglieder zu eröffnen. Unter den Angeklagten befindet sich auch mein Kläger, in dessen Zusammenhang mich Jakob Augstein wegen „Fake-News“ verleumdete. So viel zur Mafia-Berichterstattung in Deutschland und zum „Mut“ eines Verlegers.

Ich freue mich vor allem, wieder in Venedig zu sein und mein Boot besteigen zu können!

Herzlichst grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski

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