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Über Drohungen, Späßchen und drei Bisse auf einmal

Heute geht es wieder los in Venedig: Die Kreuzfahrtsaison wird mit der MSC Sinfonia (58.625 Bruttoregistertonnen, 2680 Passagiere) eingeläutet, die im Industriehafen von Marghera anlegen wird - und die venezianischen Zeitungen stecken voller Drohungen der Kreuzfahrtgesellschaften: Wenn nicht schnell etwas passiere (Kanäle tiefer ausgraben, neue Anlegestellen schaffen etc.pp.) würden sie Venedig verlassen und langfristig in Häfen wie Ravenna oder Triest anlegen. Die Norwegian Cruise Line hat Venedig bereits von ihren Routen 2024 und 2025 gestrichen; was uns sehr erleichtert, denn es war genau die Norwegian Cruise Line, die letztes Jahr an einer Reede vor dem Lido angelegt und die Passagiere durch Umladen auf Motorboote nach Venedig gebracht hat: Eine "Blitzreise" für 1.500 Passagiere. Ermöglicht wurde das dank der freundlichen Unterstützung des Hafenamts und des Kreuzfahrthafenbetreibers VTP, dessen Mehrheitseigner - man kann es nicht oft genug wiederholen - die Kreuzfahrtgesellschaften, die Region Veneto und die Flughafengesellschaft Save sind. Von ihnen nachhaltigen, umweltfreundlichen Tourismus zu erhoffen, ist, als würde man vom islamischen Staat einen Friedensmarsch erwarten.

Grund für die Drohungen ist außerdem, dass die im Jahr 2026 ablaufende Konzession für den Kreuzfahrthafenbetreiber VTP (noch) nicht verlängert wurde, was bei den Kreuzfahrtgesellschaften natürlich zu einiger Unruhe führt.

Aufgrund der wiederholten Drohungen kündigt die Regierung Meloni natürlich sofort an, alle Türen aufzureißen und Kanäle auszugraben. Wir aber hoffen, dass die Geduld der Kreuzfahrtgesellschaften sich erschöpft - und das Gesetz des Mehr, Mehr, Mehr einmal nicht funktioniert. Der Kampf geht weiter!

In der Süddeutschen Zeitung - und nicht nur da - ist man ja immer voll des Lobes über Giorgia Meloni. Und deshalb fand der Rom-Korrespondent auch Melonis letzte Darbietung im Parlament superwitzig, als sie, nachdem ein grüner Parlamentarier Kritisches zu ihrer Politik angemerkt hatte, sich unter ihrer Jacke versteckte und Grimassen zog: “Jedenfalls fand die junge Parteichefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia schnell ins Amt, sie hat vor allem international rasch Tritt gefasst und gewinnt überhaupt fast täglich an Selbstsicherheit und Statur, wenn der Eindruck des Beobachters nicht täuscht. Dabei ist sie auch mal für ein Späßchen gut, wie am Donnerstag zu später Stunde im römischen Parlament.”

In Italien hingegen empfand man Melonis Auftritt als Farce, mit der sie vor allem davon ablenken wollte, worum es im Parlament ging: um den bevorstehenden EU-Gipfel und darum, wer die Kosten für die angekündigte Aufrüstung tragen soll.

Weil Meloni, wie die Journalistin Daniela Ranieri im Fatto Quotidiano schrieb (Öffnet in neuem Fenster), ja vor allem von den Menschen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewählt wurde, versuche sie als angebliche Außenseiterin (die bereits mit 34 Jahren als Ministerin in der Regierung Berlusconi saß) mit diesem Affentheater im Parlament erneut ihre Distanz zu den Eliten zu betonen, als Garantie für einen Regierungsstil, der immun sei gegen dekadente verweichlichte Großmächte.

Denn das größte Problem für Meloni besteht darin, dass ihre Politik genau das Gegenteil von dem ist, wofür sie von ihren Wählern gewählt wurde: Sie stellte sich als Feindin des Großkapitals (Amerika, Brüssel) und als Verteidigerin der Armen, Geknechteten und Benachteiligten dar - die jetzt sehen, wohin Melonis Politik führt: zu Begünstigung von Steuerhinterziehern, einem kaputten Gesundheitswesen (und es war nicht einfach, dem desolaten italienischen Gesundheitswesen noch einen letzten Stoß zu versetzen) und zu Familien, denen das Bürgergeld weggenommen wurde, während das Geld in die Rüstung fließt.

So viel zu Melonis “Späßchen”.

Und jetzt haben die Bettwanzen auch das Feuilleton der FAZ erreicht, wo ich unter der Überschrift “Von wegen französische Bettwanzenplage” (Öffnet in neuem Fenster) die Ausführungen der Schriftstellerin Ronya Othmann lesen durfte, die, wie bereits zuvor die Süddeutsche Zeitung (Öffnet in neuem Fenster), die Bettwanzenplage zu Fake News erklärte. Und da durfte der Berliner Tagesspiegel (Öffnet in neuem Fenster) natürlich auch nicht fehlen, der uns ebenfalls über die perfide hybride Kriegsführung aus dem Kreml aufklärte - und in seiner Illustration der Einfachheit halber Wanzen statt Bettwanzen über die russischen Fahne kriechen ließ. Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht.

Wenn man, so wie wir, erlebt hat, wie es ist, wenn das Schlafzimmer monatelang unbewohnbar ist, weil die Kammerjäger es nach ihrer Bettwanzengiftattacke versiegelt haben, wünscht man sich, alles nur eingebildet zu haben. Ich würde allerdings auch mal darüber nachdenken, ob der französische Europaminister Jean-Noël Barrot nicht viel mehr von der Sorge getrieben wird, dass Touristen von einer Reise nach Paris abgeschreckt würden? Zumal die in Paris - und Städten wie Venedig - beliebten Airbnb-Wohnungen anders als Hotels nicht vom Gesundheitsamt inspiziert werden?

Zu Ihrer Information: “Relativ oft hinterlassen die Tiere drei Bisse auf einmal, ein Muster, das Wissenschaftler "Frühstück, Mittag und Abendessen" nennen” - war noch in diesem Artikel der Süddeutschen Zeitung (Öffnet in neuem Fenster) zu lesen, aber Information ist inzwischen ja so etwas von over.

Lachen musste ich, als ich diesen Hund vor einem Geschäft in unserer Nachbarschaft sitzen sah: “Please don’t touch me”. Vielleicht wäre das auch eine Idee für die letzten Venezianer?

In diesem Sinne grüßt Sie, vorerst bettwanzenfrei, aus Venedig, Ihre Petra Reski

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