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Es gibt nichts, was sich so lange hält wie die Fake-News, dass in Venedig keine Kreuzfahrtschiffe mehr einfahren: Allein in diesem Jahr waren es wieder 200 - jubelte der Chef der Hafenbehörde und kündigte für das nächste Jahr die Ankunft von 300 Kreuzfahrtschiffen an. 

Dass Venedig mit seiner flachen und fragilen Lagune ungeeignet ist für einen Kreuzfahrthafen, kann jedes Kind verstehen, stellt aber für von der Politik bestellte Beamte, Wunderunternehmer-Bürgermeister (Öffnet in neuem Fenster), vulgo der „Oligarch, der sich als Arbeitersohn ausgibt“ und all die Minister, die dafür gesorgt haben, dass der venezianischen Lagune mit dem Ausbaggern der Kanäle für die Kreuzfahrtschiffe derTodesstoß versetzt wurde, kein Problem da. Sie alle nehmen die venezianische Realität nur dann wahr, wenn sie an ihr verdienen können. Ich hatte Gelegenheit, noch mal zu erklären, warum Venedig für Kreuzfahrtschiffe ungeeignet ist:

https://www.stern.de/amp/reise/europa/petra-reski---ein-kreuzfahrthafen-in-venedig-hat-keine-zukunft--32800982.html?fbclid=IwAR3Z3lBzW0Bnj-a0S0f4mtYM7-cFX_n3Tu6M49sqgBJXKIP4hY8CO7N8AdM (Öffnet in neuem Fenster)

Ich freue mich, dass der Lyriker und Essayist José F.A. Oliver (Öffnet in neuem Fenster) zum neuen Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland (Öffnet in neuem Fenster) gewählt wurde - und sehe, wie sich Kulturjournalisten die Finger wund googeln: José F. A. Oliver who?  ("Ich musste erst mal nachgucken, wer dieser José Francisco Agüera Oliver überhaupt ist": NDR (Öffnet in neuem Fenster)- Literaturredakteur). Aber Unwissen ist im Journalismus bekanntlich kein Hindernis, eine Meinung zu haben und sie auch kund zu tun: Die Wahl von José Oliver sei "kein großer Befreiungsschlag", wusste selbiger NDR-Literaturredakteur (Öffnet in neuem Fenster) des NDR schon am Tag von Olivers Wahl. Auch während der Yücel-Affäre (Öffnet in neuem Fenster) hatten sich Scharen von Kulturjournalisten wie ein Mann vor Yücel&Co geworfen, ohne sich dabei mit dem Hauch einer Recherche zu belasten. Fakten können einem ja die schönste These kaputt machen. Etwa dass der selbsternannte Hüter des freien Worts schnell einen Maulkorb verteilt (Öffnet in neuem Fenster), wenn sich das freie Wort kritsch über ihn und seine Amtsführung äußert. 

José Oliver wurde 1961 im Schwarzwald als Kind andalusischer Eltern geboren, die ein Jahr zuvor nach Deutschland gekommen waren, erhielt 2021 den Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln - und gilt, anders als sein Vorgänger als Brückenbauer. Das merkt man ihm an, nachzuhören hier im Gespräch (Öffnet in neuem Fenster).

Was ich mir von der Kulturberichterstattung in Deutschland wünsche, ist ebenfalls ein Befreiungsschlag: etwas weniger Meinung und mehr Recherche.

Was für ein beklemmendes Schauspiel: Die Holocaust-Überlebende muss miterleben, wie die Ex-Post-Neo-Faschisten in Italien die Macht übernehmen. Das dachte ich, wie viele Italiener auch, als ich das Foto sah, das den soeben gewählten Senatspräsidenten Ignazio La Russa (Öffnet in neuem Fenster) zeigt, der Liliana Segre (Öffnet in neuem Fenster) applaudiert, Senatorin auf Lebenszeit und Überlebende des Holocausts. Gemäß der Geschäftsordnung des italienischen Senats eröffnete sie als älteste anwesende Senatorin die Legislaturperiode am 13. Oktober 2022  - und hielt eine Rede über den Marsch auf Rom und die Machtübernahme der Faschisten. Kurz darauf wurde Ignazio La Russa, Parteigründer der rechten Brüder Italiens, zum Senatspräsidenten gewählt. Mit 17 Stimmen der Opposition. Vermutet wird, dass dies die Stimmen der Renzi-Splitterpartei waren. 

Was wir jedoch schon jetzt wissen, ist, dass sich auch die Rechten nicht einig sind. Das ist gewissermaßen eine Konstante in der italienischen Politik. Überdeutlich wurde das, als ein Parlamentsfotograf mit seinem Teleobjektiv (Öffnet in neuem Fenster) den Zettel fotografierte, auf dem sich Berlusconi Notizen gemacht hat. 

Laut Berlusconi sei Giorgia Meloni, die er ja einst zur Ministerin für Jugend und Sport gemacht hat: 1. rechthaberisch, 2. anmaßend, 3. arrogant, 4. beleidigend. Und auch noch: 5. lächerlich (sichtbar, aber durchgestrichen). 

Berlusconi hatte auf einen Ministerposten für seine Vertraute Licia Ronzulli (Öffnet in neuem Fenster)gehofft, eine Krankenschwester, die er nach einem Lifting kennengelernt hat und die bei seinen Bunga-Bunga-Parties (Öffnet in neuem Fenster) nützlich war, die Teilnehmerinnen auszuwählen - wofür sie mit einem Parlamentssitz belohnt wurde. Berlusconi ist vor allem an zwei Ministerposten interessiert, die ihn persönlich betreffen: das Justizministerium (für seine Vorstrafen, laufenden Prozesse und Ermittlungen) und das Wirtschaftsministerium (für seine Unternehmen).

Giorgia Meloni konterte (Öffnet in neuem Fenster) mit einem "Ich bin nicht erpressbar" - wissend, dass Berlusconi nicht zimperlich ist bei Personen, die sich ihm in den Weg stellen: Ihnen drohen rufschädigende Enthüllungen über seine Fernsehsender, die sich - später - als grundlos erweisen, anonyme Drohungen, Häuser, die in die Luft gesprengt werden und ähnliche Aufmerksamkeiten. 

Man kann der italienischen Politik alles vorwerfen. Aber nicht, dass  sie langweilig wäre. 

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich aus Venedig, Ihre Petra Reski

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