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Als ich das hier ⬇️ sah, 

https://twitter.com/GiorgiaMeloni/status/1583383001760550912 (Öffnet in neuem Fenster)

fragte ich mich: Was für ein Film soll das denn sein? (Im Twitter-Jargon wäre das ein Retweet mit der Überschrift: "Name that band")

Nahezu die Hälfte (elf) der 25 Minister waren bereits Minister unter Berlusconi, womit die Prämisse aus dem Gattopardo "Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist" wieder erfüllt wäre. Der ultrakonservativen Abtreibungsgegnerin und Igbt-Rechtsgegnerin Eugenia Roccella hat Meloni das Ministerium für Familie und Geburten anvertraut. (kein Witz, das heißt jetzt wirklich so: "Ministero per Famiglia e Natalità"). Kulturminister wird der  rechtsnationale Journalist und Chefredakteur der Hauptnachrichten von Rai 2, Gennaro Sangiuliano, der zu seinem Amtsantritt verkündete: "Mein Motto wird das Bürgerlied 'An Italien' von Giacomo Leopardi sein, das so beginnt: 'O patria mia, ich sehe die Mauern und die Bögen und die Säulen und die Scheinfiguren und die hermetischen Türme unserer Vorfahren, aber die Herrlichkeit sehe ich nicht'"- wohl weil er sonst befürchtete, dass seine bisherige kulturelle Leistung an dem Verfassen von Biografien über Trump, Putin, Hillary Clinton und Xi Jinping bemessen wird. Wobei man sagen muss, dass es nicht schwer sein wird, im Amt die Leistung seines neoliberalen Vorgängers Dario Franceschini zu übertreffen. 

Justizminister wird der pensionierte Staatsanwalt Carlo Nordio, der bis vor kurzem weder amtierende, noch pensionierte  Staatsanwälte als Parlamentarier sehen wollte und die Probleme der italienischen Justiz unter anderem damit  lösen will, indem er verkündet, bestimmte Straftatbestände abzuschaffen. Verteidigungsminister wird der Meloni-Vertraute und Waffenlobbyist Guido Crosetto, Tourismusministerin wird Daniela Santanche, die als Teilhaberin des berühmten Strandbads Twiga sicherlich nichts gegen eine weitere Privatisierung der itaienischen Strände haben wird. 

Erste Qualifikation für ein Ministeramt in Italien ist also wie immer ein Interessenkonflikt und wenn er ganz besonders massiv und unübersehbar ist,  darf man das Land sogar jahrzehntelang als Ministerpräsident führen. 

Der lustigste Moment der Präsentation der neuen Regierung im Präsidentenpalast ist der des Blicks zwischen Berlusconi und Salvini, als Giorgia Meloni sagt, dass sie „einhellig“ mit der Regierungsbildung beauftragt worden sei.

https://www.ilfattoquotidiano.it/2022/10/21/lo-sguardo-tra-berlusconi-e-salvini-quando-giorgia-meloni-dice-di-essere-stata-indicata-in-maniera-unanime-per-formare-il-governo-video/6846658/ (Öffnet in neuem Fenster)

Die Socialmedia sind angesichts der Regierungsbildung natürlich voller Spott, zuhauf kursieren Memes wie dieses:

Denn zu erwarten ist, dass sich die Opposition bereits in der Regierung befindet. Die andere im Parlament ist vorerst damit beschäftigt, miteinander zu streiten (Partito democratico und Fünfsterne) und Giorgia Meloni dafür zu loben (Enrico Letta, Parteivorsitzender PD) eine Frau zu sein - die erste, die auf dem Ministerpräsidentensessel sitzt. 

Hier eine Buchempfehlung: Ich freue mich darüber, für das Buch von Sanne de Boer ein Vorwort geschrieben zu haben. "Ndrangheta" von Sanne de Boer (Öffnet in neuem Fenster) ist auch ein Entwicklungsroman, der mit Italiensehnsucht beginnt und an dessen Ende der veränderte Blick der niederländischen Autorin auf ihr Heimatland steht: „Indem ich mich in die Verbindungen der ‘Ndrangheta vertiefte, lernte ich von Kalabrien aus die scheinbar so sicheren und vertrauenswürdigen Niederlande von einer ganz anderen Seite kennen“, schreibt sie. Und genau das ist es, was uns verbindet: Ich blicke anders auf Deutschland, seitdem ich weiß, dass der Mafia bei ihrem Aufstieg in Deutschland kein Stein in den Weg gelegt wurde. Im Gegenteil.

2008 schrieb ich in "Mafia. Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern" (Öffnet in neuem Fenster)als Erste über die Mafia in Erfurt. Und keine 14 Jahre später gibt es in Thüringen einen Mafia-Untersuchungsausschuss. "Ah, la Germania, tutto funziona" heißt es in Italien immer. Ähem.

Wie sehr die Mafia die Medien fürchtet, sieht man an den Morden an dem niederländischen Journalisten Peter de Vries (Öffnet in neuem Fenster) und an dem slowakischen Journalisten Jàn Kuciak (Öffnet in neuem Fenster). Ihnen können wir am besten gedenken, in dem Sanne de Boer und ich weiter über die Mafia schreiben und Sie Sannes Buch "Ndrangheta" lesen!

Und zuletzt noch etwas Schönes: Ich reue mir gerade ein Loch in den Bauch über diese Rezension der italienischen Übersetzung meines Venedig-Buchs, das in dieser Woche in der Nuova di Venezia erschienen ist:

Venedig, letzter Akt mit Liebe. Petra Reski erzählt die Lagune.

In einer langsam sterbenden Stadt leben und sie anbeten. Das ist " Venezia atto finale " (320 Seiten, 18 Euro), ein Buch der deutschen Reporterin Petra Reski, das Stefano Porreca für Zolfo Editore ins Italienische übersetzt hat, einem kleinen Verlag, der sich zum Ziel gesetzt hat, das Bel Paese und seine Verzerrungen mit einem journalistischen Blick zu beschreiben.

Es ist ein leidenschaftlicher Aufruf zur Verteidigung Venedigs, der den Worten einer Autorin entspringt, die vor mehr als dreißig Jahren an die Lagune gezogen ist und die Veränderung der Stadt miterlebt hat, denn: "Eine Stadt wird dann eine andere, wenn man so lange in ihr lebt, bis die ersten Freunde sterben". Und gleichzeitig ist es das eindringliche Requiem einer unsterblichen und gleichzeitig sehr fragilen Stadt aus der Sicht einer Autorin, die Venedig mehr liebt als die zig Millionen Touristen, die jedes Jahr hier einfallen. Fast möchte sie die Stadt anstelle der Venezianer verteidigen, die sich gezwungen sehen, sie zu verlassen: wie Alberto, ein Fischer, der in Mestre lebt, das Symbol einer Art, die immer mehr vom Aussterben bedroht zu sein scheint.

Inmitten von kleinen Geschichten und Orten, die ihresgleichen suchen, entfaltet sich das Porträt einer Wahl-Venezianerin, die in der Lage ist, nicht nur von einem schmerzhaften, scheinbar unaufhaltsamen Niedergang zu erzählen, sondern auch von der Lebenskraft der Steine, die diese Stadt groß gemacht haben. Denn hier erzählen die Mauern auch immer ihre Geschichte, weil hier, wie "ihr Venezianer" sie gelehrt hat, sogar die Ziegelsteine eine Biografie haben, denn "wenn man eine Blutprobe abgeben muss, geht man durch die Frührenaissance". Mit einer Vergangenheit, in der man sich verlieren kann - und heute, wo man "nicht einmal mehr dem Hochwasser trauen kann", endet Venedig jedoch mit der Furcht vor seiner eigenen Zukunft. Und das, obwohl die Serenissima mit ihren Steinen, die Umwälzungen, Herrschaften und Katastrophen überwunden haben, seit Jahrhunderten ein Musterbeispiel für Nachhaltigkeit ante litteram darstellt.

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich aus Venedig, Ihre Petra Reski

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