Zum Hauptinhalt springen

An Officer and a Gentleman (Taylor Hackford)

Bevor Richard Gere in Pretty Woman der schmachtende Millionär wurde, der sich für Huren interessierte, verkörperte er in An Officer and a Gentleman den schmachtenden Offiziersanwärter, der sich für Huren interessierte. Taylor Hackfords Drama über einen jungen Mann, der in der 13-wöchigen Offiziersausbildung der Navy nach Anschluss sucht, zeichnet uns ein Amerika in den 80er Jahren, das geprägt ist von der Schmach des Vietnamkriegs und einer Moral, die Reagan den Weg ins Präsidentenamt ermöglichte.

Die Hippiebewegung ist vorbei, der erste Krieg auf der großen Bühne ist verloren und eine Welle des Konservatismus schwappt über Amerika. “Let’s make America great again”, lautete das allzu bekannte Motto von Ronald Reagan. Die Rückbesinnung auf alte Werte und Stärken ist allgegenwärtig. Die Analogie zur heutigen Zeit könnte nicht näher liegen, wenn man sich die Trends der Trad-Wifes, J.D. Vances Familienbild und den generellen Rechtsruck anschaut.

Die Strenge Hand

In der Offiziersausbildung geht es, wie so oft im Militär, darum, aus dem Individuum ein Kollektiv zu formen. Zu Beginn sehen wir die neuen Rekruten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, vor dem Drill Sergeant Emil Foley aufgereiht: einer trägt einen grauen Anzug, ein anderer ein kariertes Hemd in Jeans, der nächste einen Rollkragenpullover - sogar eine Frau ist unter ihnen. Foleys Mission ist klar: Die komplette Gleichmachung der Kompanie. “Ich werde euch schon noch die Flügel stutzen”, sagt er, als er Zack Mayos Adler Tattoo sieht.

Der obligatorische Buzz-Cut und die Uniformen reichen nicht, auch mental wird keine Divergenz geduldet. Wer moralische Bedenken hat, eine Bombe auf ein ziviles Dorf mit Frauen und Kindern abzuwerfen, hat hier nichts verloren. Die Uniformität wird so weit getrieben, dass die Kadetten mehr Angst vor der Inspektion der Dienstkleidung haben, als vor jedem Überlebenstraining. Ein willkommener Fakt, der dem Dissidenten Mayo zu Gute kommt. Schnell fängt er an, unter der Hand blitzblank polierte Gürtelschnallen und Dienststiefel zu verkaufen.

Dieser Side-Hustle geht so lange, bis er von Foley erwischt und zum Strafdienst über das Wochenende verdonnert wird. Sein Rebellentum wird ihm genauso ausgetrieben, wie sein Egoismus. Mayos Bettnachbar Perryman, der sich bisweilen dessen Service nicht leisten konnte, da er all sein Geld immer der Familie geschickt hat, wird nach dem Wochenende von frisch polierten Gürtelschnallen begrüßt. Mayo hat seinen knallharten Kapitalismus zum Vorteil seines Zimmerkollegen aufgegeben.

Im Foucaultschen Sinne haben wir es hier mit einer Art Panopticon zu tun. Die ständige Überwachung durch Foley bis in die Schlafstube hinein, hat zur Folge, dass sich Mayo zu keiner Zeit sicher sein kann, nicht erwischt zu werden. Die völlige Unterwerfung der Autorität folgt bis hin zur Verinnerlichung der Regeln. Mehr noch, akzeptiert Mayo die Moral und Werte, die von der Akademie vorgegeben werden. Aus dem Einzelgänger, der nur seinen eigenen Vorteil im Blick hatte, wird dadurch ein Teamplayer, auf den sich seine Kameraden verlassen können.

Die neue / alte Familie

Eingangs lernen wir Mayo kennen, als Sohn eines Marineoffiziers Byron, der sich mehr um Alkohol und Prostituierte kümmert, als um seinen Sohn. Die Mutter beging Selbstmord, als ihr bewusst wurde, dass ihr Byron in den Briefen von Übersee nur etwas vorgelogen hat. Wir sehen Flashbacks aus der Zeit auf den Philippinen, wo Byron immer mit mehreren Frauen (Prostituierten) im Arm vor seinem Sohn prahlt. Mittlerweile ist der Sohn ein erwachsener Mann geworden, findet aber immer noch seinen Vater nackt im Bett mit zwei viel zu jungen Frauen. Erst später erfahren wir, dass wir uns in Seattle befinden und nicht irgendwo in Südostasien. Durch die Lebensweise seines Vaters hat Mayo weder weibliche Bezugspersonen noch einen Ort, den er Heimat nennen könnte.

Die Familie findet Mayo, wie sollte es auch anders sein, in der Marineakademie. Lehnt er anfangs noch das Soziale ab, verinnerlicht er nach dem Strafwochenende mit Foley doch seinen Platz im Gefüge. Foley tritt an die Stelle des Vaters, die anderen Kameraden an die der Brüder. Besonders deutlich wird das Gefüge durch  die einzige weibliche Anwärterin Seeger. Foley warnt die männlichen Kadetten vor den Mädchen der nahegelegenen Papierfabrik. Sie würden mit allen Tricks versuchen, einen Piloten zu heiraten. Vor den anderen weiblichen Kadetten wird nicht gewarnt, als wäre die Vorstellung, dass sie dasselbe Ziel verfolgen würden, geradezu absurd. Und in der Tat wird Seeger jegliche Sexualität abgesprochen. Zwar sieht man sie auf dem Ball mit einem anderen Anwärter tanzen, das wars dann aber auch schon. Sie nimmt ganz klar die Rolle der Schwester in der Familie ein.

Das romantische Zentrum spielen die beiden Einheimischen Paula und Lynette. Paula ist eigentlich nur auf der Suche nach einer netten Bekanntschaft für die nächsten 13 Wochen, während Lynette von einem Leben außerhalb der Papierfabrik träumt. Die jungen Frauen lernen auf dem Ball Mayo und Sid kennen, wobei beide nicht besonders wählerisch zu sein scheinen. Sie gehen schlicht mit den ersten beiden Männern mit, die sie ansprechen, mehr noch, überlassen sie gerne den Männern die Wahl, wer jetzt mit wem anbandelt. Während das Paar Mayo - Paula sich gegenseitig immer wieder versichert, nichts auf Dauer zu suchen, spielt Lynette bald schon mit dem Gedanken, Foleys Warnung in die Tat umzusetzen und sich von Sid “anbuffen” zu lassen.

Sid selbst hat eine Partnerin zu Hause, die auf ihn wartet. Ursprünglich mit seinem Bruder liiert, möchte sie nach dessen Tod in Vietnam jetzt Sid heiraten. Aus Verpflichtung seiner Familie und besonders seines verstorbenen Bruders gegenüber, sieht Sid die Liaison mit Lynette auch nur als temporäre Romanze. Auf Nachfrage Mayos beschreibt Sid seine Zukünftige als “großartig, sie hat ein Herz für Kinder und wird die perfekte Mutter”. Lynette hingegen “kann blasen wie der Teufel”. Hier sehen wir eine komplette Abkehr von der freien Liebe der Hippiebewegung. Eine perfekte Mutter kann nicht gleichzeitig eine sexuelle Frau sein. Ähnliche Tendenzen können wir noch immer sehen, wenn man sich Debatten um “Body Count” von Frauen ansieht, wonach ein sexuell freizügiges Leben mit einer Lasterhaftigkeit gleichgesetzt wird, die jede Frau als romantischen, ernsthaften Partner disqualifiziert.

Als Mann geht selbstverständlich beides. Zumindest hat Mayo keinerlei Einsprüche gegen die Affäre von seinem Zimmerkumpel. Und der Film gibt ihm Recht: Sobald Sid von der angeblichen Schwangerschaft Lynettes erfährt, übernimmt er sofort Verantwortung. Er kündigt seine Ausbildung und macht Lynette einen Heiratsantrag, den sie aber ablehnt. Als Sid einsehen muss, dass die Liebe Lynettes an seine Karriere geknüpft war, nimmt er sich das Leben.

Paula, auf der anderen Seite, verliebt sich schließlich doch in Mayo. Ihre Mutter warnt sie, wurde sie doch selbst damals von einem Marineanwärter sitzen gelassen. Paula rechtfertigt die Feindseligkeit ihres Vaters am Esstisch damit, dass dieser nicht ihr richtiger Vater sei und ihre Mutter deswegen in einer lieblosen Beziehung festhinge. Zusätzlich arbeitet die Mutter noch immer in der Papierfabrik, in der jetzt auch Paula arbeitet. Die Parallelen zwischen den beiden Generationen könnten nicht klarer sein. Auch zwischen Mayo und seinem Vater tun sich weitere Parallelen auf. Schließlich war auch Byron bei der Marine und floh schlicht vor seiner Verantwortung als Vater und Ehemann.

Durch das Foto ihres leiblichen Vaters im Offiziersoutfit, welches sie Mayo zeigt, setzt Paula ihn gewissermaßen genauso unter Druck, wie Lynette Sid mit der vorgegaukelten Schwangerschaft unter Druck setzt. Der Unterschied ist lediglich, dass die Ursache nicht in der jetzigen, sondern in der vorherigen Generation liegt. Gesellschaftlich gesehen, muss die jetzige Generation die Fehler der vorangegangenen ausbügeln. Jemand wie Reagan hat die Pflicht, das angeschlagene Amerika wieder auf die Spur zu bringen. Wie, ist eigentlich Nebensache. Paula wird gefragt, ob sie auch Kinder möchte. “Wenn ich sicher wäre, es nicht so zu machen wie meine Eltern, ja”. Was sie denn alles anders machen würde - “Alles.”

Der neoliberale, konservative Geist wird in der Rolle von Lynette besonders deutlich. Als “Hure” und “Fotze” wird sie von Mayo beschimpft, hätte sie doch bloß aus ökonomischem Kalkül gehandelt. Doch ist ihr Verhalten wirklich so abwegig? Sehen wir doch das notdürftig zusammengeflickte Auto, die heruntergekommene Bruchbude, in der sie lebt. Auch Paulas Mutter lebt einen trostlosen Albtraum, gefangen in der Papierfabrik und in einer Beziehung zu einem Mann, den sie nicht liebt. In den 50ern und frühen 60ern, auf die sich Reagan immer wieder bezog, war es für Frauen üblich, Männer aus ökonomischen Gründen zu heiraten. In der Reagan-Era aber wurde die Familie aus allem ausgeklammert. Wie auch Thatcher prominent betonte, gibt es in ihrer Welt keine Gesellschaft, es gibt nur Individuen und deren Familien. Entsprechend wurde in den 80ern politisch auf die moralischen Werte der 50er verwiesen, aber die ökonomischen Zwänge wurden ausgeblendet. Dass Lynette auf ein milderes Schicksal hofft, in dem sie nicht in Oklahoma, im Niemandsland, und dazu auch noch in der Wohnung ihrer Schwiegermutter leben muss, während der Mann im Supermarkt versucht ein paar Dollar zu verdienen, sollte eigentlich nicht verwundern.

“Wenn du dich nur genug anstrengst, kannst du alles erreichen,” ermutigt Paula den zweifelnden Mayo. Wieso sie dann nicht auch die Offiziersausbildung mache, will Mayo wissen. Schließlich kann Seeger, seine Kameradin das auch. Obwohl Paula darauf nichts zu entgegnen weiß, ist der Film eindeutig. Wir lernen drei Frauenfiguren kennen: Lynette, Paula und Seeger. Lynette versucht ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und endet, wo sie begonnen hat, aber als Hure entehrt. Seeger muss, um die Ausbildung zu schaffen, ein Mann werden. “Du bist gefangen im Körper einer Frau", beschimpft Foley seine Kadettin, die es nicht schafft, über die Wand zu klettern. Die Besteigung der Wand ist gleichbedeutend mit dem Ablegen der Weiblichkeit, als Frau hätte sie es nicht geschafft. Paula bleibt am Ende nichts anderes übrig, als auf ihren Helden zu warten, der sie wortwörtlich aus der Papierfabrik trägt.

Fazit

An Officer and a Gentleman zeichnet ein Amerika, das moralisch in die 50er zurück will, aber keine Antwort für ökonomische Fragen bietet. Der Staat dient nicht als soziale Absicherung, sondern als moralischer Ausbilder. Wie Kennedy schon sagte: “Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, frag was du für dein Land tun kannst.” In der Marineausbildung werden den verlorenen Schafen Moral und Disziplin eingebläut.

Mayo kommt als patriotischer Einzelgänger und geht als patriotischer Familienmensch. Woher der Patriotismus rührt, spielt keine Rolle, vermutlich ist man als Amerikaner einfach Patriot. Vielleicht ist es aber auch die Bedingung, dass aus dem Rüpel ein Gentleman werden kann. Alles, was es dazu braucht, ist ein autoritärer Vater. Dass Foley seine Schützlinge beschimpft, beleidigt, foltert, drangsaliert und verprügelt ist egal, manchmal muss es eben mit der Brechstange sein.


0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Pen & Popcorn und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden