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Was liegt da in der Luft?

Abenteuer im Bahnhof / Die große Traurigkeit/Serie Marriage/ Persiana

In der letzten Woche war ich nicht viel unterwegs, reiste nur einmal nach Köln und einmal nach Mainz. Es sind Routinestrecken und doch gerieten sie zum kleinen Abenteuer. Keiner der annoncierten Züge fuhr. Nach Köln fielen prompt  zwei hinter einander ICE aus. Mittlerweile spare ich mir die App und die Anzeigen, sondern stelle mich direkt ans Gleis und nehme, was da kommt.  Die Rückfahrt war noch seltsamer. Der passende Zug fuhr von Köln-Deutz aus, also begab ich mich dorthin, um vor Ort festzustellen, dass er ausfiel. Also zurück zum Hauptbahnhof, wo auch ein ICE fuhr, allerdings nur bis zum Flughafen Köln. Dort hielt er und reiste wieder retour, denn die Strecke nach Frankfurt sei gesperrt. Ich kam mir vor wie in dem Sketch der Marx Brothers, wo Groucho im Beiwagen eines Motorrads sitzt, aber jedes Mal fährt nur das Motorrad selbst los und Groucho bleibt Zigarre rauchend vor Ort. Nun bin ich schon so oft abgereist und war noch nirgends, bilanziert er dann. 

An diesem Tag hatte ich alle Gründe für Zugflops beisammen: der plötzliche Personalausfall, die Personen im Gleis, die Gegenstände auf dem Gleis, die Verzögerung aus vorheriger Fahrt und die Störung im Betriebsablauf. Kaum zu glauben, dass ich vor vielen Jahren mal Frankfurt-Köln gependelt bin, heute wäre das völlig unkalkulierbar.  Aber nicht nur die Fernstrecke erwies sich als  riskant - Auch Mainz-Wiesbaden wurde zum Wagnis (Zugausfall, Verspätung aus vorheriger Fahrt) , ich war abends erst spät zuhause. Unter den anderen Fahrgästen machten Gerüchte die Runde: Sind es Klimaprotestler oder schon russische Sabotage?  In der unguten Hitze dieser späten Oktobertage auf einem deutschen Gleis zu stehen und dieses umfassende Unvermögen zu beobachten, hat etwas Beklemmendes, als läge darin ein Zeichen, das man schon sieht, aber nicht zu deuten weiß.

Dieses diffuse, ungute Gefühl prägt den Zeitgeist. Nicht nur in Deutschland, sondern leider weltweit. Damit beschäftigt sich diese lesenswerte Kolumne von David Brooks:

https://www.nytimes.com/2022/10/27/opinion/global-sadness-rising.html (Öffnet in neuem Fenster)

Da wir große Freunde der britischen Schauspielerin Nicola Walker sind und auch  die Serie Mum besonders mochten, habe ich für Marriage, eine Serie des Machers von Mum Stefan Golaszewski, in der Walker die Hauptrolle spielt, sogar ein Monatsabo bei Magenta TV gelöst. Marriage hat nur vier Folgen und richtig viel ereignet sich auch nicht, aber es ist eine der beeindruckendsten Serien der letzten Zeit. Wie schon bei Mum sind die Dialoge reduziert und es wird wenig erklärt, aber sie spielt mit den Vorahnungen und Erwartungen eines Publikums, das schon richtig viele Serien gesehen hat. Am Ende gibt es wichtige Lektionen und Momente der Wahrheit, es ist sehr bewegendes Fernsehen.

https://www.dailymotion.com/video/x8e09ds (Öffnet in neuem Fenster)

Die brisanteste Geschichte unserer Tage ist der Aufstand der Menschen in Iran. Es ist ein Thema, ein Drama, das viele seit Jahrzehnte begleitet. Ich hatte iranische MitschülerInnen und würde mir nichts mehr wünschen, als dass dieses schreckliche Regime fällt. Alles müssen die EU-Staaten, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft tun, um die Freiheitsbewegung dort zu unterstützen.

Das große Land zwischen Nord und Süd, Ost und West prägt diese Zeit, ein freier Iran würde die Welt zu einem besseren Ort machen und man könnte einmal hin reisen.  Bis es soweit ist,  seien die Rezepte aus dem tollen Kochbuch Persiana empfohlen, es gibt natürlich auch welche mit Huhn: 

https://eatdrinkbetter.com/articles/persiana-chicken-walnut-pomegranate-stew-recipe/ (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

PS: Ich lese aus Montaignes Katze –am 3. November im Literaturhaus Wiesbaden, am 10. November in Berlin in der saarländischen Landesvertretung, am 17. November in Trier, am 22. November in Saarbrücken und am 1.Dezember in Osnabrück. Ich freue mich, wenn auch LeserInnen des siebten Tags kommen.

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