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Der Tag des guten Tags

Wie soll es in Europa weitergehen ?/ Die Rückkehr der UFOs/ Lachen mit britischer Küche und Nigel Slater 

Der Rhein vom Schloss des Fürsten Metternichs aus gesehen (Foto NM)

Heute am 9. Mai wird der sogenannte Europatag begangen. Nun wird ja nahezu an jedem Tag eines anderen Tages gedacht - neulich war erst Napoléons Todestag, dann Tag der Erde, gestern Tag der Befreiung –  so dass einem ganz schwindlig werden kann, der Vertigo der Geschichte. 

Mein Vater rief als Student den „Tag des guten Tags“ aus, den man mit dem  Gruß „Guten Tag!“ begehen sollte. Erbaute dazu einen Tisch in der Innenstadt von Saarbrücken auf, gab den Passanten die Hand und wünschte einen guten Tag. Die Lokalausgabe der Bild-Zeitung berichtete.   

Dennoch es ist in diesen Zeiten gar nicht verkehrt, mal über Europa nachzudenken, auch wenn’s nicht erfreulich ist. Am 9. Mai 1950 also hielt der französische Außenminister Robert Schuman jene berühmte Erklärung, die den Prozess der deutsch-französischen Montanunion einleitete. Manche Zitate inspirieren noch heute zum Nachdenken: „Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“ Schön ist auch seine Forderung nach, schlicht ausgedrückt, weniger Sonntagsreden, dafür mehr von dem was er die „Solidarität der Tat“ nennt.

Aber auch wenn heute wieder von Europa geschwärmt werden wird, es klingt eher wie die Nostalgie von Exilanten nach einer fernen Heimat, die sie so schnell nicht wiedersehen. Europa gehört zu den Verlierern der Pandemie: Die gemeinsamen Anstrengungen kamen zu spät, Politik hat sich nationalisiert oder eher provinzialisiert. Als neulich Charles Michel und Ursula von der Leyen von Erdogan vorgeführt wurden, weil ein Sessel zu wenig aufgestellt worden war und der Ratspräsident dennoch eilig Platz nahm, wie ein schlecht erzogener Schüler im überfüllten Bus, ergab sich ein Moment trauriger Wahrheit. Europa fehlt es an klaren, verständlichen Strukturen, eine Präsidentin und ein Präsident sind einer zu viel. Einst spottete Henry Kissinger, unter welcher Nummer man denn Europa erreichen könne – heute würde man ihm eine ermüdend lange Liste mit Kontakten und ihren komplizierten Kompetenzen zeigen. Eine Initiative wie die Befreiung der Covid-Impfstoffe vom Patentschutz hätte aus Europa kommen müssen. Dass Biden bei diesem Thema eine Führungsrolle einnimmt, ist eine Blamage für den Führungszirkel europäischer PolitikerInnen, aber sie sind, man kann es verstehen, auch echt müde. Finanzkrise, Flüchtlingskrise, die Pandemie – es war eine rasche Folge großer Sorgen, die mit  national begrenzten, daher unzulänglichen Mitteln beantwortet wurden. Ein entschiedeneres, effektives Europa ist aber der einzige Weg, in Zukunft gute Politik zu machen. Die europäische Ebene könnte ergänzt werden durch eine regionale, die nationalen Institutionen kümmern sich um Symbolik und Nostalgie. Aber bis dahin ist der Weg noch lang. 

 Besser, sie sparen sich eine erneute Lektüre der Schumanschen Erklärung, denn dort formuliert er sogar noch einen anderen Auftrag: „Europa wird (…) mit vermehrten Mitteln die Verwirklichung einer seiner wesentlichsten Aufgaben verfolgen können: die Entwicklung des afrikanischen Erdteils.“

Daraus wurde leider eine Kumpanei europäischer Politprofis mit korrupten afrikanischen Eliten zur Kontrolle und Ausbeutung der Leute dort, weswegen heute China die afrikanischen Dinge regelt. Heute sollte sich Europa erstmal vornehmen, die Entwicklung des europäischen Erdteils zu befördern.

Es betrübt mich immer ein wenig, wenn wieder Mal ein Rätsel aus der Kindheit gelöst wird, wenn etwa emsige Forscherinnen und Forscher nachweisen, dass im Loch Ness nur Fische und null Urmonster schwimmen. So empfand ich es auch, als die These veröffentlicht wurde, die vielen Sichtungen von UFOs im kalten Krieg seien auf Wetterballons der Nato und sonstige geheime Militärübungen zurückzuführen. Darum hat es mich erheitert, im New Yorker einen langen Artikel über das Pentagon und die Arbeit von Leslie Kean (Öffnet in neuem Fenster)zu lesen. Die Investigativjournalistin hat belegen können, dass sich die amerikanische Regierung durchaus für seltsame Flugbewegungen interessiert und schon einige unerklärliche Aufnahmen gesammelt hat. Viele Beobachtungen lassen sich klären, aber es bleiben genügend, die bis heute Raum für Spekulationen, für Tagträume lassen und das hat ja auch etwas für sich. Der heiter bis gruselige Film "The Phenomenon" (Öffnet in neuem Fenster)sammelt solche Zeugnisse.

Andererseits: Wenn tatsächlich UFOS aus dem All kommen, mit Aliens an Bord, die uns besuchen – wo wäre die Sensation? Jedes Kind hat schon welche gezeichnet. Vielleicht ist das Verrückte die Annahme, dass nur homo sapiens in kosmischer Einzigartigkeit seine Satelliten, Kapseln und Gleiter aufsteigen lassen kann. Außerdem lernen wir ja ständig dazu. Unsere Smartphones, das WLAN, der ganze digitale Zirkus wäre für verständige Männer und Frauen des 16. Jahrhunderts völlig unmöglich, ja ganz einfach Hexenwerk und Schadenszauber gewesen.

Meinem Empfinden nach ist der Mittwoch ein Tag, an dem etwas Erheiterung gut tut. Ich bin kein Nationalist, aber ein gewisses gastronomisches Selbstbewusstsein pflege ich als Franzose schon. Also suche ich mittwochs auf den Seiten des britischen Guardian nach Sachen zum Lachen. Dann erscheint die Kochkolumne von Nigel Slater. Man muss ihn als Mensch einfach mögen, seine Biografie, sein Stil – alles klar. Aber diese Rezepte! Sehr gut gemeint natürlich, also saisonal, naturnah, nicht zu teuer, wenig Fleisch. Aber so trist, dass man sich für den Rest der Woche ins Bett legen und die Muster an der Wand studieren wird. Es geht schnell, okay, aber – diese Woche (Öffnet in neuem Fenster)schlug er Brokkoli vor. Eine Hälfte gekocht, die andere püriert. (An dieser Stelle ergreifen 50% der Personen in meiner Ehe bereits die Flucht und es bin nicht ich.) Das muss dann ein Gericht sein, das man nicht mit Messer und Gabel zu sich nimmt, sondern mit einem Löffel, wie ein Eintopf aus einer einzigen Zutat nämlich  Brokkoli. Netterweise empfiehlt er dazu noch einige Cherrytomaten – Recht hat er, Farbe und Geschmack sind willkommen. Ich selbst würde die Zugabe eines Huhns empfehlen, oder einfach die Zubereitung eines Käsebrotes, aber gut.  Da der grüne Matsch jedem Menschen als Strafe vorkommen muss oder als Teil einer irren Diät, ergänzt es Slater mit Semmelbröseln und Kürbiskernen. Wieso diese Zutaten irgendetwas verbessern können bleibt sein Geheimnis, ich lese es wie man einen „Mister Bean“-Sketch verfolgt, staunend.

Herzlich,

ihr

Nils Minkmar

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