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Ein frisches neues Jahr

Die Älteren mögen sich noch an die Tage vor Weihnachten 2021 erinnern, als besorgt und eingekauft wurde, als gäbe es kein Morgen, d.h. Heute. Auch ich sauste tapfer zwischen Supermarkt und Buchhandlung hin und her, traf aber auf Hindernisse: Meine EC-Karte wurde mit seltsamen Einwänden abgewiesen, obwohl das Konto gedeckt war. Es ist die problematischste Zeit des Jahres für solche Pannen, denn bald wird in den Nachrichten die Konsumlaune im Weihnachtsgeschäft bilanziert und dann möchte man nicht schuld sein an einer nationalen Flaute. Michael Hüther vom DIW ist ein Nachbar und wir waren mal spazieren – wenn der das erführe…

Außerdem ist es unpraktisch. Ich machte mich also auf den Weg zum Schalter meiner sogenannten Bank, es ist die Postbank. Die Dame in der Postfiliale nickte, als habe sie mich bereits erwartet. Natürlich, so erläuterte sie wie beseelt von der Schönheit des Verfahrens, sei meine Karte gesperrt, denn meine Daten seien ja unvollständig. Ich war nun neugierig und wurde prompt belehrt: Meinen Geburtsort hätte ich nicht angegeben, da seien sie von wegen Bafin, also der obersten Aufsichtsbehörde über das deutsche Finanzwesen,   verpflichtet, die Karte zu sperren. Ich nickte kooperativ, formulierte aber doch den schüchternen Einwand, dass dieses Konto bei der Postbank Saarbrücken unverändert seit 1984 bestehe und mein Geburtsort ebenfalls Saarbrücken ist, woraus ich auch gar kein Geheimnis gemacht habe, wozu auch? Sie schien es auch lustig zu finden, zuckte aber nur mit den Schultern. Jedenfalls gab sie zufrieden die kritische Angabe ein und entsperrte die Karte. Ich fragte noch, ob man in so einem Fall nicht angerufen werden könnte, eine Mail oder eine Nachricht per Onlinebanking erwarten dürfe, aber meine Einwände waren ein Rufen gegen den Wind.

Besonders absurd ist diese fürsorgliche Art, die so tut, als sei das alles zu meinem eigenen Schutz, als würde ich Pablo Escobar, wenn ich so mit meinem Geld Bücher kaufe. Aber bei wem soll man Einspruch erheben? Verbraucherschutz, Finanzbürokratie und digitale Infrastruktur sind einen Teufelspakt eingegangen, da finden wir so leicht nicht wieder heraus.

Der Arc de Triomphe in Paris ist ein paradoxes Denkmal. Napoléon hatte sich vorgestellt, siegreiche Truppen durchziehen zu lassen, aber als der Bogen fertiggestellt war, war er im Exil und Frankreich hatte nichts zu lachen und zu paradieren. Im Sommer 1919 gab es zwar einen sommerlich-ausgelassenen Festzug der Veteranen, aber dabei sollte es auch bleiben. Die Abscheu vor dem Ersten Weltkrieg war größer als das Siegesgefühl. 1921 wurde mitten unter dem Bogen ein Grab angelegt. Nicht für einen großen Feldherrn, sondern für irgendeinen namenlosen Kameraden. Und das war es dann mit Triumphzügen dort, nie werden Soldaten, seien sie noch so siegreich, dort drüber laufen können.

Nun hat Emmanuel Macron zum Beginn der Übernahme der europäischen Ratspräsidentschaft durch Frankreich dort zwei Tage lang statt der Trikolore die Europafahne wehen lassen.

Linke und rechte Populisten schrien auf und stimmten den Chor der Empörten an. Dabei war die Symbolik ganz im Einklang mit dem Gedanken des Ortes, schließlich ist die EU ein Garant des Friedens. Nur eine Minderheit sieht das anders.

Einige Tage später ging es wieder so: Macron drückte alltagssprachlich aus, er wolle den Ungeimpften auf den Sack gehen und abermals ging die Opposition in die Luft wie einst das HB-Männchen. Wieder zeigte sich, dass sie in der Minderheit sind.

Macron hat den Wahlkampf à la Gotthilf Fischer erfunden: Er gibt etwas vor, die anderen stehen auf und geben Töne von sich. Man könnte auch sagen, er führt sie vor.

Eigene Vorschläge kommen von dort nicht, sie erregen sich aber täglich bei symbol- und identitätspolitischen Spezialfragen, als seien sie keine PolitikerInnen, sondern verlorene Seelen, die ein böser Geist auf ewig in ein Fernsehstudio verbannt hat, wo sie wütende Panelisten geben müssen.  So mag Macron knapp gewinnen.

Weihnachten und Neujahr sind vorüber, bis zu den nächsten Ferien und den hellen Tagen ist es noch lang. Das ist einerseits die lange Strecke des Jahrs, in der man ungestört arbeiten kann. Aber etwas zäh kann es schon auch werden, gerade in den letzten Winterwochen. Da tut ein weiteres Stück des Maestros Ludovico Einaudi ganz gut, bevor bald das komplette Album veröffentlicht wird:

https://www.youtube.com/watch?v=C3Ao25BmetE (Öffnet in neuem Fenster)

So ein Weihnachtsbaum im Zimmer macht wirklich etwas her. Aber nur kurze Zeit, dann kommen jene tristen Tage, an denen die ausrangierten Tannen auf dem Bürgersteig herum liegen. Ein unwürdiges Ende. Anlass genug, an einen legendären Meinungsbeitrag des großen René Redzipi in der New York Times zu erinnern. Der dänische Meisterkoch hatte sich genau dieses Problems besehen und dann empfohlen, die mit Liebe gezüchteten und gefeierten Bäume einem schöneren Zweck zuzuführen, jedenfalls teilweise: Redzipi empfahl, den Weihnachtsbaum in der Küche zu verarbeiten:

https://www.nytimes.com/2010/12/25/opinion/25redzepi.html (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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