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Keep moving forward

Beim Rückflug aus den Ferien fiel mir am Flughafen Bordeaux-Mérignac ein neues rotes Schild an den Scheiben der Schalter auf: Es war der Hinweis, dass Drohungen und Beleidigungen gegen die MitarbeiterInnen zu Haus-und Flugverbot führen können. Erstmal war ich entsetzt, dass so etwas nötig ist: Ich habe es selbst noch nie erlebt, dass jemand am Flugschalter  ausfällig wird. Eigentlich benehmen sich dort alle kooperativ, denn man möchte ja mit. Aber da hat sich offenbar etwas verändert. Durch den prominenten Warnhinweis entstand an dem verschlafenen und dysfunktionalen Provinzflughafen eine bedrohliche Stimmung. Man betrachtete die Mitreisenden gleich skeptischer. 

In der "New York Times" hat sich David Brooks an einer Deutung unserer nervösen pandemischen Zeiten versucht. Er belegt mit einer Collage aus Statistiken: Die Aggressivität nimmt zu, die Kooperationsbereitschaft und Solidarität nimmt ab. Aber warum? Brooks kommt zu einem legendären Fazit: "I don't know"

https://www.nytimes.com/2022/01/13/opinion/america-falling-apart.html (Öffnet in neuem Fenster)

Als die Schriftstellerin Simone Buchholz mich anrief,  weil sie eine Idee hatte und darüber schreiben wollte,  hatte ich noch keine Ahnung, wohin die Reise geht. Sie hatte eine Kollegin kennen gelernt, die in Kanada den Posten einer Parlamentspoetin bekleidet. Das Amt soll zwischen der Sprache der Politik und jener der Lyrik vermitteln und so etwas, begeisterte sich Frau Buchholz, brauchen wir auch! Aus dem Einfall wurde ein Text und aus dem Artikel eine Debatte. Es sind dieselben Reflexe, die ich noch aus meiner Jugend kenne, wenn in einer westedeutschen Stadt etwa eine Skulptur von Frank Stella aufgestellt werden sollte: Wer braucht so etwas? Ist es nicht der falsche Zeitpunkt? Die Leute haben andere Sorgen. 

Ab und zu muss man aber etwas machen, einfach weil es neu ist. Das gilt im Alltag: Mal einen anderen Weg gehen, die Gewohnheiten ändern, das ist gut für das Gehirn. Und es gilt in Deutschland, wo die Kultur stets unter Kanndasnicht weg?-Verdacht steht, wo sie nicht klassisch ist. Dabei leben wir von Innovationen: Wenn wir nicht üben, neue Dinge zu erfinden und zu probieren, werden wir auf allen Gebieten langweilig. 

Der immense Erfolg von Roger Willemsens Buch  "Das hohe Haus", für das er lange auf der Tribüne des Bundestages saß, zeigt, dass so eine literarische Betrachtung des Parlaments durchaus  ihr Publikum findet. Und wir haben eine neue Regierung, eine neue Koalition. Es ist der richtige Zeitpunkt, etwas zu riskieren und dieses neue Amt einzurichten. 

Ich bin selbst klein großer Leser von Lyrik, aber neulich freute ich mich, als ein anonymer Poet diesen Zettel in der Nachbarschaft anbrachte:

 

In den letzten Wochen des Winters gehen mir regelmäßig die Ideen aus, was man noch aus Kohl kochen könnte. Darum freute ich mich, als in Le Monde ein ebenso tröstliches wie rasches Rezept veröffentlich wurde. Erfunden hat es der Unternehmer Samir Ouriaghli, der ein eigenes Label für Gewürze betreibt. Zuvor war er in politischen Sphären aktiv, arbeitete beim europäischen Parlament, bis er Vater wurde. Dann fand er seinen Job zwar nice, aber irgendwie fehlte der Sache Sinn und Würze. Er wollte etwas Neues machen, reiste nach Indien und absolvierte eine Ausbildung zum Koch, bevor er die Aromafirma Angkor gründete. 

In diesem Rezept trifft Kohl auf Käse, genauer gesagt auf Reblochon und die Geheimwaffe ist der Carvi, ein französischer Verwandter des Kümmels. Aber sicher kann man da auch variieren. Etwas Neues versuchen: 

https://www.lemonde.fr/le-monde-passe-a-table/article/2022/01/01/la-chou-chiflette-la-recette-de-samir-ouriaghli_6107892_6082232.html (Öffnet in neuem Fenster)

Aber heute ist Sonntag, wer da nicht an Kohlgerichte denken möchte, sondern an Geflügel, dem sei dieses Rezept hier nahegelegt. Es macht schon ein wenig Hoffnung auf den kommenden Sommer und das kann ja auch nicht Schaden: 

https://cooking.nytimes.com/recipes/8752-the-silver-palates-chicken-marbella (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch, 

ihr

Nils Minkmar

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