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Neue Dimensionen

Liebe Freund:innen des guten Klimajournalismus,

dieser Jahresauftakt sitzt uns allen vermutlich ganz schön in den Knochen. Das Jahr 2022 erstmals mit zwölf überdurchschnittlich warmen Monaten, ein Silvester mit bis zu 20 Grad (plus!) – und dann: Lützerath.

Die meisten von euch haben das Geschehen am Tagebau sicher aus der Ferne verfolgt, viele waren als Berichterstatter:innen, Kommentator:innen, Redakteur:innen oder in sonstiger Eigenschaft direkt oder indirekt involviert. Mich haben die Proteste, die Meldungen über die Behinderung von Journalistinnen durch die Polizei und das Frühlingswetter mitten im Winter vor allem mit diesem Gefühl zurückgelassen: Das Jahr 2023 könnte ein besonderes Jahr werden, ein Wendepunkt. In dreifacher Hinsicht.

Neue Dimension der Klimabewegung? Die massenhaften Proteste gegen die Räumung von Lützerath und die heftigen Reaktionen von Polizei und RWE brachten die gesellschaftliche Debatte über den Kampf gegen die Klimakrise auf eine neue Stufe. Das drückte sich nicht nur im Umfang der Medienberichte aus, von denen sich leider einmal mehr sehr viele in der oberflächlichen Darstellung von Gewalt und Emotionen erschöpften. Ich nehme nach Lützerath auch wahr, dass die mediale und gesellschaftliche Debatte über den „richtigen“ Weg zur Bekämpfung der Klimakrise stärker und auf einem neuen Niveau geführt wird, als noch zuletzt in der Kritik von Aktionen der „Letzten Generation“. Viele Beteiligte und Beobachter:innen der Lützerath-Proteste haben Menschen dazu gebracht, sich zu engagieren oder auch zu radikalisieren. Zudem hat das Agieren der Grünen im Fall Lützerath die Hoffnungen und Erwartungen vieler in die sogenannte „Klimawahl“ von 2021 zunichtegemacht. Auch das könnte 2023 zu einem qualitativen und quantitativen Wandel der Klimabewegung in Deutschland führen. Schon die unmittelbar nach der Räumung von Lützerath erfolgten Protestaktionen sprechen dafür.

Neue Dimension der Klimakrise! Ganz ohne hellseherische Anmaßung kann man – leider – auch sagen: Die Auswirkungen der Klimakrise werden 2023 ebenfalls wieder neue Ausmaße erreichen. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass 2023 das bislang heißeste Jahr in der Geschichte der Menschheit werden könnte, da die in diesem Jahr wieder erwartete El Niño-Phase die allgemeine Erderwärmung zusätzlich antreiben könnte. Die Extremwetter- Ereignisse werden, wie schon in den vergangenen Jahren, auch 2023 in Zahl und Heftigkeit zunehmen. Die Wahrscheinlichkeit lokaler Katastrophen wie der Flut von 2021, extremer Dürre- oder Hitzeperioden steigt in diesem Jahr auch in Deutschland. Guter Journalismus wird sich dadurch auszeichnen, jede Wetter-Katastrophe in die Dimensionen der Klimakrise einzuordnen.

Neue Dimension des Klimajournalismus? Der dritte Faktor, der 2023 zu einem „Klima-Wendejahr“ machen könnte, ist weniger eine Prognose, als eine Hoffnung: Es ist die Hoffnung, dass unter dem Eindruck der oben geschilderten Entwicklungen, aber auch unter dem Eindruck der bereits seit Jahren geführten Diskussion über Klimajournalismus und die Rolle der Medien im Kampf gegen die Klimakrise, auch auf diesem Gebiet eine Wende zum Besseren eingeläutet wird.  Von allen drei hier aufgeführten Faktoren, die meiner Meinung nach die Klimapolitik in Deutschland in diesem Jahr prägen werden, ist dies der am wenigsten vorhersehbare. Die Hoffnung ist groß, die Dringlichkeit noch größer.

Eines steht fest: 2023 wird ein spannendes, ein unruhiges Jahr werden, vielleicht sogar ein Schlüssel-Jahr für die Wahrnehmung der Klimakrise in unserem Land. Wie bereiten wir uns darauf vor? Was ist aus eurer Sicht das wichtigste Ereignis, die wichtigste Aufgabe, die größte Herausforderung für uns Journalist:innen in 2023?

Wir möchten mit euch darüber sprechen bei unserem nächsten Online- Treffen mit dem Thema: 2023: Grenzen und Perspektiven des Klimajournalismus

2. Februar

18 Uhr 

Zoom-Link (Öffnet in neuem Fenster)

Leitet diese Email gerne an die Kollegin weiter, die schon immer mal dazustoßen wollte, an den aktuellen Volo-Jahrgang im Haus, oder die Newsdesk Fraktion. Alle sind herzlich willkommen, sich Inspiration und Kraft fürs neue Jahr zu holen – gerade auch diejenigen, für die „Klima“ bisher ein Thema unter vielen war. 

Viele Grüße sendet,

Jürgen Döschner 

Für das Netzwerk Klimajournalismus Deutschland

PS: Im letzten Call hat uns Torsten Schäfer einen Überblick über Weiterbildungsangebote gegeben, hier (Öffnet in neuem Fenster) findet ihr die aktuelle Liste für Kurse, Workshops und Seminare 2023. 

PPS: Ein super Onboarding in Sachen Klimajournalismus, für das ihr nicht bezahlen müsst, ist der Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) von Leonie Sontheimer und Katharina Mau aus dem Netzwerk-Team. Die nächste Ausgabe erscheint am 6. Februar, es geht unter anderem um Kipppunkte im Klimasystem!