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Besser Wohnen: 5 Ideen und ein Grundsatz

Ich habe hier bereits darüber geschrieben, warum Wohnen private und politische Frage ist (Öffnet in neuem Fenster)– und warum das die Herausforderung komplexer macht, gutes Wohnen zu ermöglichen. Heute möchte ich fünf Ideen vorstellen, die sich zunehmend vom Privaten hin zum Politischen bewegen. Ich persönlich finde vor allem den Bereich in der Mitte spannend, da wo sich Privates und Politisches fast nicht mehr voneinander trennen lassen. Aber von vorne:

Prioritäten setzen

Machen wir es kurz und schmerzlos: Du kannst nicht alles haben. Beim Wohnen müssen die allermeisten irgendeinen Trade-Off machen. Deshalb ist es wichtig, sich grundlegend darüber klar zu werden, was wirklich nicht verhandelbar ist. Klar, zu einem schönen Balkon, einem Tageslichtbad und eine schicken neuen Küche sagt niemand nein – aber ist es wirklich unverzichtbar? Würdest du zum Beispiel auf ein zusätzliches Zimmer verzichten, wenn das Bad ein Fenster hat? Ich jedenfalls nicht. Überhaupt ist mir das Bad ziemlich egal – solange dort warmes Wasser fließt, bin ich fine damit, egal ob Dusche oder Badewanne, Fenster oder nicht, selbst rosafarbene, ockergelbe oder grüne Überbleibsel aus den 70er Jahren würden mich nicht stören.

Was mir wirklich wichtig ist: Dass es im Sommer nicht zu heiß wird und ich im Winter nicht die Straße heize; dass ich mit Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkomme, dass ich keine Wuchermiete zahle und dass es mindestens eine Tür gibt, die ich hinter mir schließen kann, um dort meine Ruhe zu haben. But that’s just me.

Wer nun eine sehr viel längere Wunschliste hat, aber keine Millionen zur Verfügung, für den:die gibt es eine Lösung, die es erlaubt, fast alles andere zu bekommen:

Landflucht: Dahin gehen, wo Platz ist

Ich habe das Wochenende in dem Dorf verbracht, aus dem mein Partner kommt. Und dort gibt es nicht sonderlich viel, aber eines gibt es zuhauf: Platz. Dort steht eine Riesenhütte neben der nächsten. Nun ist das klassische Dorfleben vielleicht nicht jedermanns Sache – fair enough.

Deshalb ist es höchste Zeit, dass wir auch das Leben auf dem Land neu denken – denn warum müssen ganze Landstriche aussterben, während in der Stadt kein Platz mehr ist?

„Die wirklich aufregenden Zukunftsentwürfe entstehen in der Provinz.“

Das schreibt Frederik Fischer, Geschäftsführer bei „Neulandia“, wo Leben und Arbeiten auf dem Land neu gedacht wird. Eines ihrer spannendsten Projekte: Das Ko-Dorf Wiesenburg (Öffnet in neuem Fenster) vor den Toren Berlins, mit direkter Zugverbindung, ökologischen Anspruch und gemeinschaftlichem Konzept.

https://www.kodorf-wiesenburg.de/ (Öffnet in neuem Fenster)

Genossenschaftliches Wohnen

Das mit dem gemeinschaftlichen Ansatz ist keine völlig neue Idee – schon lange gibt es sogenannte „Wohnungsbaugenossenschaften“. Die Idee ist denkbar einfach: Durch Mitgliederbeiträge und Mieteinnahmen (wobei die Miete hier „Nutzungsgebühr“ heißt) wird Geld gepoolt und in den Bau und Erhalt von Immobilien gesteckt.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Es gibt lebenslanges Wohnrecht zu stabilen Mieten, die oft unter dem Mietspiegel liegen, dadurch gewachsene Hausgemeinschaften; gleichzeitig hat man nicht die Verpflichtungen von Eigentümer:innen bei der Instandhaltung.

Nachteil gibt es eigentlich nur einen: Oft sind die Wartezeiten für eine Wohnung lang. Manche Genossenschaften haben gar so lange Wartelisten, dass sie gar keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen. Wer weiß, dass er länger an einem Ort bleiben möchte, sollte aber auf jeden Fall mal überprüfen, wie es aussieht – in Deutschlang gibt es immerhin knapp 2000 Wohnungsbaugenossenschaften! (Öffnet in neuem Fenster)

Gemeinschaftlich wohnen

Ko-Dorf und Genossenschaft sind zwei Wege, gemeinschaftlich zu wohnen. Ich bin davon schon lange begeistert – vor Jahren schon habe ich mir in einem Text für die FAZ darüber Gedanken gemacht, ob es ein Leben nach der Groß-WG gibt (Öffnet in neuem Fenster).

https://blogs.faz.net/blogseminar/gibt-es-ein-leben-nach-der-gross-wg/ (Öffnet in neuem Fenster)

In der Zwischenzeit habe ich fünf Jahre allein gewohnt und auch diese Zeit möchte ich nicht missen. Trotzdem: Die Idee, Räume zu teilen hat mich nicht losgelassen. Wie herausfordernd es sein kann, gemeinschaftlich zu wohnen, machen vor allem die Geschichten von Baugemeinschaften (Öffnet in neuem Fenster) immer wieder klar.

Es muss für mich nicht direkt eine Baugemeinschaft sein, aber die Vorstellung gerade mit eigener Familie nicht alleine in den eigenen vier Wänden zu sitzen, ist für mich sehr attraktiv. Mit Freund:innen (ob mit Familie oder ohne) in einem Mehrfamilienhaus zu wohnen, vielleicht sogar mit gemeinsam genutzten Flächen, ist auf jeden Fall noch ein Lebenstraum von mir.

Und auch meinen Lebensabend möchte ich in Gemeinschaft verbringen – faszinierend finde ich zum Beispiel die Idee von Beginenhöfen, wo Frauen gemeinsam wohnen, (Öffnet in neuem Fenster) jede in ihrem eigenen kleinen Häuschen und doch zusammen.

Oder ich verwirkliche im Alter noch meinen Traum vom Bauernhof-Leben – als eine Art späte Landflucht (Öffnet in neuem Fenster). Das Konzept „Green Care“ finde ich jedenfalls sehr überzeugend!

Politische Rahmenbedingungen

Ob ein Bauernhof als Altenheim-Alternative, Genossenschaften oder Ko-Dörfer: Alle diese Ideen fürs Wohnen brauchen gute politische Rahmenbedingungen. Solche, die Spekulation mit Wohnraum unterbinden, zum Beispiel. Und solche, die Arbeiten flexibler machen – denn die Frage, wo ich wohnen kann, ist untrennbar mit de Frage verbunden, wo und wie ich arbeiten kann.

Dort, wo Home Office möglich ist, können wir es noch viel mehr nutzen und so Arbeiten und Wohnen räumlich voneinander stärker entkoppeln. [Okay, einen Digitalisierungsgrad und Internet, das das zulässt, wären hier auch noch hilfreich.] Das würde dann auch den Druck von städtischen Wohnungsmärkten nehmen und Wohnen dort für alle besser machen, die vor Ort arbeiten müssen, sie es im produzierenden Gewerbe oder im Krankenhaus.

Dem sozialen Wohnungsbau kommt in Ballungszentren eine Schlüsselrolle zu – und gleichzeitig darf er Modelle wie genossenschaftliches Bauen nicht zu sehr einschränken. Wenn zum Beispiel eine starre 50-Prozent-Quote für geförderten Wohnungsbau dazu führt, dass die andere Hälfte der genossenschaftlichen Wohnungen weit über der Durchschnittsmiete lieg, ist nichts gewonnen.

Hier ist in der Politik etwas gefragt, das sie nicht immer so leicht umsetzen kann: Flexibilität. Und damit sind wir beim Grundsatz angelangt, der all diesen Ideen zugrunde liegt:

Flexibilität – Wohnen ans Leben anpassen

Lebensläufe und Karrieren, Familienmodelle und Lebensmittelpunkte: All das ist so unendlich viel flexibler geworden als es noch vor zwei oder drei Generationen war.

Nur unsere Idee vom Wohnen – die ist irgendwie nicht hinterhergekommen.

Zu vielen Leben passt es nicht mehr, sie an einem Ort zu verbringen. Deshalb brauchen wir neue, andere Ideen und Konzepte, mit denen unsere Wohnorte trotzdem Heimat und Gemeinschaft bieten können.

Ein paar habe ich hier vorgestellt, aber ich glaube, das ist noch lange nicht das Ende auf unserem Weg zum besseren Wohnen. Deshalb interessiert mich: Wie sieht dein Wohntraum aus?

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