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Gut die Treppe hoch gekommen

Ein Theaterabend mit Augenzwinkern mit dem theater en face

Manchmal findet man die Highlights eines Theaterjahres eher abseits des Mainstreams und der etablierten Häuser. Dem an der Studiobühne angesiedelten theater en face ist mit seinem aktuellen Stück „Fiktionen"  ein Überraschungscoup gelungen. Gespielt wurde nicht wie sonst in der Studiobühne, sondern nebenan in der einzigartigen und mächtig beeindruckenden Bibliothek des Philosophikums. Regisseurin und Ideengeberin  Xenia Multmeiner hat aus  Motiven des Textes von Jorge Luis Borges „Die Bibliothek von Babel" ein wirklich, geistreiches, witziges und kurzweiliges Theaterstück gemacht.  Multmeiers feingesponnen Plan  setze das gut eingespielte und aufgelegte Schauspielensemble  und die beiden Tänzerinnen trefflich um. Jedes Kapitel der Geschichte der unendlichen Bibliothek, das aufgeschlagen wurde, vermittelte neue wenngleich nicht immer plausible Einsichten, die gerne auch etwas kafkaesk bleiben durften. Aber wenn Bücher aus den Disziplinen Philosophie, Kunstgeschichte und Katholische Theologie unter einem Dach untergebracht sind muss es ja schon fast zwangsläufig zu Reibereien kommen. Wenn es zu sehr babylonisch zwischen platt und portugiesisch zuging, sorgte das kieksige Staccato einer  Trompete (was auch sonst) wenigstens für vorübergehende Ordnung. So mancher Einfall, der sonst sehr streng inszenierenden Regisseurin, wie der halbnackte Mann, der plötzlich nur mit Handtuch um auf der Treppe auftauchte, hätte ruhig noch ein wenig mehr heraus gestrichen und ausgelebt werden dürfen. Der Abend lebte natürlich von der spannenden Architektur und den besonderen Räumlichkeiten, die die einzigartige Bibliothek mit seinen langen Buchreihen über fünf Stockwerken bot. Die fast sakralen Bühne eröffnete Möglichkeiten, die gekonnt genutzt wurden.

Die Bibliothek des Philosophikum. Ein Raum eröffnet faszinierende Möglichkeiten für Theatermacher - wenn er denn so genutzt werden darf

Marion Bertling, wusste wie schon in vorangegangenen Inszenierungen einmal mehr zu glänzen mit ihren beiden kongenialen Partnerinnen Lena Bodenstedt und Paula Bredow. Ein wunderbarer Regieeinfalls (wenn auch mehr für Insider) war es Dr. Hans-Joachim Jakobs als Dr. Hans-Joachim Jakobs auftreten zu lassen. Jakobs ist Herausgeber des noch zu wenig gewürdigten Sammelbands „Theatergeschichte als Disziplinierungsgeschichte?" Zitate aus diesem Werk zogen sich wie ein roter Faden durch das Stück, wo die Bücher auch mal das tun durften, was sie sonst nicht in Bibliotheken dürfen: Nämlich durch die Gegend fliegen. Keine Frage: Das Theater en face hat einen guten Weg eingeschlagen!

Frank Biermann

Bild: Marion Bertling, Paula Berdow und Lena Bodenstedt auf der Treppe der Bilbliothek. Fotos (2) : Frank Biermann

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