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Schneetreiben

Berlin, Leipziger Straße, "Auf zum Rodeln in den Friedrichshain" (Bild: Bundesarchiv, Bild 183-W0109, CC BY SA 3.0 (Öffnet in neuem Fenster), 1980, Foto: Thomas Uhlemann)

Mitten im Frankfurter Europaviertel, das in den letzten Jahren neu entstanden ist, wurden gestern die Bauzäune um den zentralen Park abgebaut. Hier standen sie seit drei Jahren und verhinderten, dass Hundebesitzer:innen, spielende Kinder oder Grillenthusiast:innen die Grünfläche betraten. Die Nachbar:innen standen oft am Rand und diskutierten, ob man hier unerwünschte Feierwillige abhalten wolle, ob es Beschwerden wegen der Lärmbelästigung gegeben habe - oder ob die Statik zur darunterliegenden Tiefgarage zu gewagt ausgefallen sei. Nur die Raben oder Dohlen (schwarze Vögel halt) des Viertels liebten die Absperrungen, von denen sie den Park perfekt im Blick hatten und in Besitz nehmen konnten.

Nun, endlich, macht der Europagarten - wie der Park etwas optimistisch benannt wurde - seinem Namen alle Ehre. Er steht allen offen, die ein Anliegen haben. Und bei der aktuell geschlossenen Schneedecke ist das Ziel der umwohnenden Familien klar: Rodeln. Die Väter schleppen die Schlitten die kleinen Hügel hoch, von denen die Kindern herunterschlittern. Und dank Stirnlampen und blinkender Turnschuhe geht das sogar im Dunkeln.

Ähnliche Bilder gibt es zuhauf aus den Neubaugebieten der Nachkriegsjahrzehnte, in Ost- wie in Westdeutschland. Wo immer der Bauaushub zu Hügeln aufgetürmt wurde, improvisierten die Kinder kurzerhand eine Schlittenbahn. Die Presse deutet nun an, dass der Grund für die Frankfurter Absprerrungen schlicht ein Gewährleistungsfall zwischen Gartenbaufirma und Stadt war. Für drei Jahre hatte man das sorgsam geplante Parkgelände damit jeder Nutzung entzogen. Dabei geht Aneignung doch so einfach: ein Hügel, etwas Schnee, den Rest erledigen die Kinder von alleine. Nur einige schwarze Vögel sollen gesichtet worden sein, die den Europagarten ratlos umkreisen.

Karin Berkemann

moderneREGIONAL wünscht Ihnen erholsame Feiertage und einen anarchistischen Start ins Neue Jahr.

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