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Kaufhäuschen

René Benko ist ein armer Mann. Ihm gehört Deutschlands letzter Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, der nach 2017 durch seine Signa Holding munter zusammengekauft und -fusioniert wurde. Weil aber Benko (der im offiziellen Tagesgeschäft gar nicht mehr auftaucht) ganz arg klamm ist, muss er nun zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren Rettung in einem staatlichen Schutzschirmverfahren suchen. Was heißt, dass der Konzern erneut in eine gesteuerte Insolvenz geht. Das Leben ist aber auch hart: erst Corona, nun der Ukraine-Krieg mit der daraus folgenden Konsumflaute. Die Kunden sind einfach zu geizig. Da hat nicht einmal die Schließung von rund 40 Filialen - die 4000 Menschen den Job gekostet hat - und die Streichung von mehr als zwei Milliarden Euro Schulden dem Unternehmen einen Neustart ermöglicht: Anfang 2021 und Anfang 2022 bat Benko - pardon, Galeria Karstadt Kaufhof, um staatliche Unterstützung. Insgesamt half der bundesdeutsche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) mit 680 Millionen Euro aus.

Mainz, Karstadt 2020 (Bild: BankenSusanne, CC BY-SA 4.0) 

In den vergangenen Tagen zeichnete sich ab, dass das nicht ausgereicht hat. Miguel Müllenbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, Mitglied des Managements der Signa Retail GmbH und einer der kooptierten Vizepräsidenten des Handelsverbands Deutschland HDE (oder kurz: auch jemand, der überall irgendwie mitmischt) sagte bereits im September, Galeria befinde sich in bedrohlicher Lage und brauche frisches Geld, um weitermachen zu können. Nach dpa-Informationen sollen es um 200 Millionen Euro sein. Weitere Schließungen stehen an - und zwar kräftig: Der FAZ sagte Müllenbach, das Filialnetz müsse im Zuge des Schutzschirmverfahrens um mindestens ein Drittel reduziert werden, betriebsbedingte Kündigungen seien unvermeidbar. Och Möönsch! Mag denn niemand dem René ein paar Euro geben, damit er uns weiter seine Warenhäuser offenhalten kann? Selbst, wenn wir nix kaufen. Kann er ja nichts für.

Berlin, Alexanderplatz 1991 (Bild: Mabit1, CC BY-SA 4.0)

Aber auch wenn das Signa´sche Galeria-Konglomerat gerade knapp bei Kasse ist, wird von ihm munter an der konsumgerechten Gestaltung der deutschen Innenstädte gearbeitet. Es wird abgerissen und überbaut, bis die Schwarte kracht. Natürlich in wichtigen Lagen wie der Frankfurter Zeil oder in Berlin-Neukölln (Worms oder Iserlohn sind uncool, kann man schließen). Es ist bekannt, dass die Signa den im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstörten Karstadt-Konsumtempel von 1929 am Hermannplatz rekonstruieren will - in voller Pracht, mit angedachtem Wohnanteil. Ausführender Architekt soll David Chipperfield sein, und mittlerweile sind die neuesten Entwürfe noch durch eine Dachbepflanzung zeitgemäß grüngewaschen. Und am Kurfürstendamm sollen  an der Stelle des postmodernen Karstadt-Hauses zwei Hochhäuser entstehen (das feine rechte Nachbargebäude aus den 1950ern ist bereits verschwunden). Im Wettbewerb sollen unter anderem Chipperfield Architekten, Bjarke Ingels Group und Mäckler Architekten antreten. So sieht Demut aus. Nicht.

Berlin, Kurfürstendamm (Bild: Dguendel, GFDL 1.2)

Zwei Insolvenzen, und zum dritten Mal soll jetzt die Bundesrepublik helfen. Einem Konzern, der den Verlust von tausenden Arbeitsplätzen planmäßig hinnimmt. Der sich nicht darum schert, ob innerstädtische Warenhäuser noch zeitgemäß sind. Dem Graue Energie gleichgültig ist. Der Neubauten bis auf den letzten Millimeter gewinnoptimiert. Der auf gewachsene Stadtbilder keinen Pfifferling gibt. Der vermeintlich provinzielle Landstriche abkoppelt. Der an Staatshilfen nimmt, was er kriegen kann und kein Problem damit hat, trotz vordergründiger Finanznot Millionenprojekte zu betreiben. Der weltweit Immobilien hortet und Dank dieser immer teurer werdenden Ressource zur Universalmacht wächst. Einem solchen Konzern ist nicht mehr zu helfen. René Benko ist ein armer Mann. 

Daniel Bartetzko, 30.10.22

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